St. Paul, das Schatzhaus Kärntens
Was das österreichische Stift mit dem amerikanischen Präsidenten verbindet

Das Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal

Anbetung der Hirten von Tizian
Der amerikanische Präsident George W. Bush hat bei seinem Amtsantritt den Amtseid auf eine Bibel abgelegt, die aus dem österreichischen Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal in Kärnten stammt. Diese 42-zeilige Gutenberg-Bibel wurde in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts vom Kloster, das in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte, an die Kongress-Bibliothek in Washington verkauft. Mit dem Erlös von schätzungsweise mehreren Millionen US-Dollar gelang es dem Abt, das Stift zu sanieren. Seitdem legen alle US-Präsidenten beim Amtsantritt ihren Eid auf diese aus östereichischem Besitz stammende Prachtbibel ab.
Das Stift St. Paul im lieblichen Lavanttal besteht seit dem Jahr 1091 und liegt auf einem 70 Meter hohen Felshügel, der einst von einer illyrischen Burg und später von einem römischen Kastell überragt wurde. Im Mittelalter stand hier eine Festung der Spanheimer, die später die Herzogswürde von Kärnten erlangten. Die Spanheimer beriefen Mönche aus dem bekannten Reformkloster Hirsau im Schwarzwald, um der Stiftung benediktinisches Leben einzuhauchen. Unter Kaiser Joseph II. wurde das Kloster 1786 aufgehoben, doch schon 1809 von Benediktinern aus St. Blasien erneut besiedelt. Diese überführten aus ihrer Heimat die Reliquien von fünfzehn Habsburger Adeligen und errichteten für sie eine mit Wappen geschmückte Grabstätte. Auch die Stammmutter der Habsburger Dynastie, Anna Gertrude von Hohenberg, die Gemahlin Rudolfs I., hat hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Dass St. Paul den ehrenvollen Titel »Das Schatzhaus Kärntens« trägt, verdankt es dem Kunstsinn und der Sammelleidenschaft seiner Äbte vor allem in der Barockzeit. In den modern ausgestatteten Räumen des Klostermuseums sind Spitzenwerke der europäischen Gold- und Silberverarbeitung, der Malerei, der Graphik und der liturgischen Textilkunst zu bewundern: Ein Elfenbeinrelief aus dem neunten Jahrhundert, das einen Buchdeckel ziert, ein Kelch aus purem Gold, an dessen Fuß sich Brillanten und Rubine zu einem Adler formieren, eine romanische Glockenkasel (Messgewand) aus dem 12. Jahrhundert mit gestickten Szenen aus der Bibel und dem Heiligenleben, ein Pluviale (Vespermantel) aus dem 13. Jahrhundert mit schriftumsäumten Heiligenmedaillons. Die 30 000 Blatt umfassende Graphiksammlung und die Gemäldesammlung enthalten Werke von Rubens, Rembrandt, Dürer, Breughel, Tiepolo und Leonardo da Vinci.
Unbestrittener Glanzpunkt des Museums ist das sogenannte »Adelheid-Kreuz« aus dem 11. Jahrhundert. Seine Entstehung führt zurück in die Zeit des Investiturstreits zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. Nachdem sich Heinrich der Autorität des Papstes nicht beugen wollte, wurde Rudolf von Schwaben als Gegenkönig aufgestellt. Zur Legitimierung seines Machtanspruchs als christlicher Herrscher brauchte er Reichsinsignien vor allem ein Reichskreuz. Seine Tochter, die ungarische Königin Adelheid, stellte ihm für das Kreuz Gold und Edelsteine zur Verfügung, die äußerst kunstreich arrangiert wurden. Sein Kern aus Eichenholz ist mit feuervergoldetem Silberblech verkleidet und trägt an der Vorderseite drei äyyptische Skarabäen, 25 antike Gemmen aus frühgriechischer, klassischer und hellenistischer Zeit sowie zahlrieche Edel- und Halbedelsteine in Filigranfassung. Im Mittelpunkt ist eine Reliquie des Kreuzes von Jerusalem zu sehen, das der Legende nach von Kaiserin Helena, der Mutter Konstantins, aufgefunden wurde. Rudolf hatte als Gegenkönig kein Glück, er unterlag dem Kaiser in der Schlacht an der Elster. Im Kampf wurde ihm die rechte Hand abgehauen. Bevor er an der Verletzung starb, soll er geklagt haben: »Dies ist die Hand, mit der ich einst meinem Herrn die Treue geschworen habe – nun lasse ich Reich und Leben.«
Berühmt ist das Stift St. Paul auch für seine Büchersammlung. Sie dokumentiert als einzige Bibliothek Österreichs die gesamte Entwicklung der Schreibkunst vom frühen 4. Jahrhundert bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert. Der auf vier große Räume verteilte Buchbestand umfasst über hunderttausend Bände. Als besondere Kostbarkeit gilt das älteste Buch Österreichs aus dem frühen 5. Jahrhundert, das Werk »De fide catholica – Über den katholischen Glauben« des heiligen Ambrosius. Aus dem 9. Jahrhundert stammt das Schreibheft eines Schülers mit lateinischen und griechischen Vokabeln, einem Studenplan und einem irischen Gedicht.
Natürlich ist auch die imposante Basilika aus romanischer Zeit einen Besuch wert. Ihr prächtiges Südportal wurde aus Teilen des ehemaligen Lettners zusammengesetzt und zeigt die Anbetung der Weisen aus dem Morgenland, das Westportal wird beherrscht von einem thronenden Christus. Michael und Friedrich Pacher aus Südtirol haben das Langhaus der Kirche mit ornamentverzierten Fresken geschmückt. An der Ostwand sieht man ein Bild des Stifterehepaares Engelbert und Hadwiga von Sponheim, flankiert vom Ordensgründer Benedikt und der heiligen Katharina.
Julius Bittmann
44/2007
Das Stift St. Paul im lieblichen Lavanttal besteht seit dem Jahr 1091 und liegt auf einem 70 Meter hohen Felshügel, der einst von einer illyrischen Burg und später von einem römischen Kastell überragt wurde. Im Mittelalter stand hier eine Festung der Spanheimer, die später die Herzogswürde von Kärnten erlangten. Die Spanheimer beriefen Mönche aus dem bekannten Reformkloster Hirsau im Schwarzwald, um der Stiftung benediktinisches Leben einzuhauchen. Unter Kaiser Joseph II. wurde das Kloster 1786 aufgehoben, doch schon 1809 von Benediktinern aus St. Blasien erneut besiedelt. Diese überführten aus ihrer Heimat die Reliquien von fünfzehn Habsburger Adeligen und errichteten für sie eine mit Wappen geschmückte Grabstätte. Auch die Stammmutter der Habsburger Dynastie, Anna Gertrude von Hohenberg, die Gemahlin Rudolfs I., hat hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Dass St. Paul den ehrenvollen Titel »Das Schatzhaus Kärntens« trägt, verdankt es dem Kunstsinn und der Sammelleidenschaft seiner Äbte vor allem in der Barockzeit. In den modern ausgestatteten Räumen des Klostermuseums sind Spitzenwerke der europäischen Gold- und Silberverarbeitung, der Malerei, der Graphik und der liturgischen Textilkunst zu bewundern: Ein Elfenbeinrelief aus dem neunten Jahrhundert, das einen Buchdeckel ziert, ein Kelch aus purem Gold, an dessen Fuß sich Brillanten und Rubine zu einem Adler formieren, eine romanische Glockenkasel (Messgewand) aus dem 12. Jahrhundert mit gestickten Szenen aus der Bibel und dem Heiligenleben, ein Pluviale (Vespermantel) aus dem 13. Jahrhundert mit schriftumsäumten Heiligenmedaillons. Die 30 000 Blatt umfassende Graphiksammlung und die Gemäldesammlung enthalten Werke von Rubens, Rembrandt, Dürer, Breughel, Tiepolo und Leonardo da Vinci.
Unbestrittener Glanzpunkt des Museums ist das sogenannte »Adelheid-Kreuz« aus dem 11. Jahrhundert. Seine Entstehung führt zurück in die Zeit des Investiturstreits zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor VII. Nachdem sich Heinrich der Autorität des Papstes nicht beugen wollte, wurde Rudolf von Schwaben als Gegenkönig aufgestellt. Zur Legitimierung seines Machtanspruchs als christlicher Herrscher brauchte er Reichsinsignien vor allem ein Reichskreuz. Seine Tochter, die ungarische Königin Adelheid, stellte ihm für das Kreuz Gold und Edelsteine zur Verfügung, die äußerst kunstreich arrangiert wurden. Sein Kern aus Eichenholz ist mit feuervergoldetem Silberblech verkleidet und trägt an der Vorderseite drei äyyptische Skarabäen, 25 antike Gemmen aus frühgriechischer, klassischer und hellenistischer Zeit sowie zahlrieche Edel- und Halbedelsteine in Filigranfassung. Im Mittelpunkt ist eine Reliquie des Kreuzes von Jerusalem zu sehen, das der Legende nach von Kaiserin Helena, der Mutter Konstantins, aufgefunden wurde. Rudolf hatte als Gegenkönig kein Glück, er unterlag dem Kaiser in der Schlacht an der Elster. Im Kampf wurde ihm die rechte Hand abgehauen. Bevor er an der Verletzung starb, soll er geklagt haben: »Dies ist die Hand, mit der ich einst meinem Herrn die Treue geschworen habe – nun lasse ich Reich und Leben.«
Berühmt ist das Stift St. Paul auch für seine Büchersammlung. Sie dokumentiert als einzige Bibliothek Österreichs die gesamte Entwicklung der Schreibkunst vom frühen 4. Jahrhundert bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert. Der auf vier große Räume verteilte Buchbestand umfasst über hunderttausend Bände. Als besondere Kostbarkeit gilt das älteste Buch Österreichs aus dem frühen 5. Jahrhundert, das Werk »De fide catholica – Über den katholischen Glauben« des heiligen Ambrosius. Aus dem 9. Jahrhundert stammt das Schreibheft eines Schülers mit lateinischen und griechischen Vokabeln, einem Studenplan und einem irischen Gedicht.
Natürlich ist auch die imposante Basilika aus romanischer Zeit einen Besuch wert. Ihr prächtiges Südportal wurde aus Teilen des ehemaligen Lettners zusammengesetzt und zeigt die Anbetung der Weisen aus dem Morgenland, das Westportal wird beherrscht von einem thronenden Christus. Michael und Friedrich Pacher aus Südtirol haben das Langhaus der Kirche mit ornamentverzierten Fresken geschmückt. An der Ostwand sieht man ein Bild des Stifterehepaares Engelbert und Hadwiga von Sponheim, flankiert vom Ordensgründer Benedikt und der heiligen Katharina.
Julius Bittmann
44/2007