Jahrgang 2003 Nummer 8

»Sole-, Moor- und Kneippbad«

Vor 50 Jahren versuchte Traunstein nochmals eine Bäderstadt zu werden

Lesehalle des Kur- und Verschönerungsvereins.

Lesehalle des Kur- und Verschönerungsvereins.
Oben das Kaufmannserholungsheim. Unten Bad Empfing um 1930.

Oben das Kaufmannserholungsheim. Unten Bad Empfing um 1930.
Jede Landgemeinde, jede Stadt hat fortwährend ihre Veränderungen, denken wir nur an unser Traunstein: Traunstein, Einkaufsstadt, Behördenstadt, Gewerbestadt, Industriestadt. Ein Bild von heute! Aber beliebter Erholungsort für Sommerfrischler? Bäderstadt? Nicht vorstellbar. Die Älteren von uns haben allerdings schon noch Erinnerungen, dass Traunstein einmal auch so etwas gewesen ist mit vielen Gasthäusern, Pensionen, Hotels, gar mit Kneippkurhaus und einer großen Kuranlage im Herzen Traunstein, einer »Wandelhalle« und Park an der Haslacher Straße oder einem großen Erholungsheim für kaufmännische Angestellte, dem »Prinz-Ludwigsheim« an der Wasserburger Straße draußen.

Doch informieren wir uns besser in einem Informationsbuch des Traunsteiner Verkehrsvereins, erschienen in den Zwanziger Jahren: »Traunstein, eine der schönst gelegenen Alpenstädte Bayerns, Luftkurort, Sole-, Moor- und Kneippbad, Schnellzugstation der Hauptbahn München-Salzburg. ... Die 24%ige Sole wird im Kurhaus, in der Nervenheilanstalt, im Kaufmannserholungsheim, Genesungsheim und Bavariabad verabreicht. Außerdem stehen alle Arten von Heilbädern, besonders Dampf- und Moorbäder und im Kurhaus auch das Wasserheilverfahren nach Sebastian Kneipp zur Verfügung.«

Das war »unser« Traunstein, als wir Senioren noch Kleinkinder waren. Wo gibt es denn heute im Jahre 2003 bei uns in Oberbayern noch so einen Ort mit so einem Angebot? Der Krieg mit Beginn 1939 hat bei uns das alles zunichte gemacht.

Vor 50 Jahren wollte man es in Traunstein wieder mit einem Neubeginn diesbezüglicher Art versuchen. Lassen wir uns in unserer Heimatzeitung informieren: »Die Generalversammlung des Kneipp-Vereins hätte wahrlich einen besseren Besuch verdient. Vor recht kleinem Kreis berichtete der erste Vorstand E. Stemmer davon, dass der Mitgliederstand auf 180 gestiegen ist. Die Kasse weist einen Bestand von 290 Mark auf. Stemmer konnte davon berichten, dass das noch Weihnachten 1952 eröffnete Kneippbad im ehemaligen Kurhaus bereits recht gut angelaufen ist; ja es kommen bereits Gäste von auswärts, um sich ambulant behandeln zu lassen. Damit rollte Stemmer die Frage eines neuen Kneippkurheims auf, für das bei 20 Betten etwa 100 000 DM zur Verfügung stehen müssten.«

Lesen können wir damals auch, dass die Stadt bereits 10 000 Werbeprospekte diesbezüglicher Art verschickte und der Verein mit »Farbdiapositiven« in Kinos werben wolle. »Stemmers Idee ist es auch, ein Beet in den Kriegergedächtnisanlagen mit Heilpflanzen zu bebauen, um auch auf diese Weise Einheimische und Fremde auf die gesundheitsfördernde Wirkung vieler Pflanzen hinzuweisen. Der »Kräuterbischof« (Nachträgliche Anmerkung: Ältere werden sich sicherlich an ihn und sein Wirken erinnern!) will die gewünschten Pflanzen herbeischaffen.«

Wären das nicht ganz moderne Gedanken von heute gewesen, damals vor 50 Jahren. Man gebrauchte freilich noch keine wie heute gebräuchlichen Worte wie »bio« oder »biologisch«!

Traunstein »Bäderstadt« im Stadtrat vor 50 Jahren

Im Februar 1953 befasste sich auch Traunsteins Stadtrat mit dem Thema. Doch lesen wir darüber wieder in unserer Zeitung: »Eine Generalgewissenserforschung nannte St.R. Adlmaier seinen historischen Rückblick über Versäumnisse der Stadt Traunstein. Er erinnerte daran, dass das Bestehen der Saline von 1619 bis zum Januar 1912 für Traunstein ein ausschlaggebender wirtschaftlicher Faktor gewesen ist. Die Aufhebung der Saline und ihre Verlegung nach Rosenheim basierte auf einem unrichtigen Gutachten. Vor allem erlitt durch den Weggang der Saline auch der Fremdenverkehr und der Kurbetrieb eine Einbuße, da nun die Solebäder nicht mehr in dem Maße wie vorher verabreicht werden konnten. Auch das Bad Empfing, dessen Quelle ähnliche Heilfaktoren wie die Adelholzener Quelle aufweise, sei der Stadt 1793 in Unkenntnis an einen Bauern verkauft worden. 1920 erwarb es dann die Eisenbahnverwaltung. Mit Empfing sei ein weiteres Glied der Kette des Kurbetriebes verloren gegangen. Das 1912 erbaute Prinz-Ludwig-Heim wäre 1937 der Stadt Traunstein um 360 000 Mark angeboten gewesen. Das Heim, in dem heute das städt. Krankenhaus in Miete untergebracht ist, sollte damals als großzügige Kneippstätte ausgebaut werden. Das am 19. Mai 1844 vom damaligen Apotheker Pauer erkaufte Kurhaus, das Dr. Wolff in den neunziger Jahren zum zweiten Kneippkurort ausbaute (beim Besuch Pfarrer Kneipps ließ die Stadt eine Gedenkmünze prägen) habe vom Standpunkt des Kur- und Fremdenverkehrs für Traunstein eine außerordentliche Rolle gespielt. Dr. Adlmaier geißelte die ihm gerüchteweise zugetragene Ansicht der jetzigen Besitzer, dass sie eher das Haus anzünden, bevor es wieder als Kneippkur-Haus aufgemacht wird. Als besonders tragisch sehe er es an, dass man die Beschriftung, als sie vom Kurhaus abgenommen wurde, im Triumphzug von Traunsteiner Bürgern durch die Stadt führte.«

So war das also vor 50 Jahren! Einige Leser werden sich sicherlich aber noch daran erinnern, dass es damals wenigstens in Ettendorf »droben« in der Nähe des Kircherls ein Kneippheim gegeben hat. Das ist freilich heute auch schon »Geschichte«!

JM



8/2003