Seit 65 Jahren ist Marquartstein selbstständig
Am 12. April 1938 fand die erste Gemeinderatssitzung statt

Marquartstein wurde am 1. April 1938 eine selbständige Gemeinde. Freiherr Dr. Karl Rüdiger von Ribaupierre wurde vom Bezirksamt Traunstein zum Bürgermeister ernannt. Das Bild zeigt die alten Schilder der Orte Marquartstein, Loitshausen und Wuhrbichl, die nun alle zur Gemeinde Marquartstein gehören. Bereits am 12. April 1938 fand die erste Gemeinderatssitzung statt.
Für die Gemeinden Unterwössen, Schleching und Grassau, mag es so etwas wie ein schlechter Scherz zum 1. April gewesen sein, für Marquartstein war der 1. April 1938 dagegen der Tag, an dem sich dür die Bürger ein langgehegter Wunsch erfüllte. Nach 47 Jahren stetem Bemühens geprägt von vielen Fehlschlägen durch die sich aber die Marquartsteiner nie entmutigen ließen, wurde an diesem Tag die eigenständige politische Gemeinde Marquartstein gegründet. Knapp zwei Wochen später, am 12. April 1938, fand die erste Gemeinderatssitzung statt.
Zur Geschichte:
Jahrhunderte hindurch war die Burg Marqaurtstein der Mittelpunkt einer der größten politischen Verwaltungsbezirke Bayerns und trug wesentlich zur Entwicklung der Orte Marquartstein und Loitshausen bei. Als der Amtsitz des Gerichts- Pfleg- Kasten- und Mauamtes 1803 nach Traunstein verlegt wurde, verlor der Ort an Bedeutung. Die Bildung von Steuerbezirken im Jahre 1808 führte zu einer Aufteilung auf drei Gemeinden. Die Siedlungen rechts der Ache, Marquartstein, Loitshausen, rechts des Flusses Oetz, Gränzmühl, Hängthal, Agg, Schlecht und die Einöd Staffen fasste man unter dem Namen Marquartstein zusammen und wurden dem Steuerdisdrikte und späteren Gemeinden Grassau und Schleching aufgeteilt.
Als 1884 von der Bahnstation Übersee aus die Lokalbahn nach Marquartstein gebaut wurde setzte im Ort der wirtschaftliche Aufschwung ein. Das Bestreben, eine eigene politische Gemeinde Marquartstein zu schaffen, war eine Folge dieses Aufschwungs. Am 22. Februar 1891 gründeten die Einwohner von Marquartstein und Loitshausen unter dem Vorsitz des Mühlenbesitzers Simon Hel eine Interessengemeinschaft zur Bildung einer eigenen politischen Gemeinde. Ein diesbezüglicher Antrag wurde am 28. März 1891 an das Bezirksamt Traunstein gesellt, das diesen auch befürwortete. Da dem Antrag aber nur Schleching zustimmte, die beiden anderen Gemeinden ihn jedoch ablehnten, musste nach dem damaligen Stand der Gesetzgebung das Staatsministerium des Inneren mit Entschließung vom 24. Februar 1892 entscheiden, dass das Projekt einer weiteren Würdigung nicht zu unterstellen sei, obwohl der Anregung eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden könne. Die Bewohner von Marquartstein ließen aber mit dem Wunsch nach einer eigenen politischen Gemeinde nicht locker. Nach dem ersten Weltkrieg stellten am 8. September 1919 die Vertreter der Gemeinde Marquartstein links der Ache, an die Ortsgemeinde Marquartstein rechts der Ache den Antrag, an geeigneter höchster Stelle dahin zu wirken, dass aus dem bestehendem Schul- und Kirchensprengel marquartstein eine selbstständige politische Gemeinde werde. Diesem Wunsch kam das damals neu erschienene Selbstverwaltungsgesetz zugute. Die Bildung einer neuen Gemeinde wäre nun auch ohne die Zustimmung aller »Beteiligten«, das heißt der Gemeinden Unterwössen, Schleching und Grassau möglich gewesen. Das Bezirksamt Traunstein kam dem Wunsch entgegen und setzte sich für Marquartstein ein. Am 17. November 1926 wurde an das ministerium des Inneren eine »Shciedsrichterliche Entscheidung« eingereicht, in der festgestellt wird, dass ein dringendes öffentliches Interesse behufs der Gründung einer eigenen Gemeinde Marquartstein besteht. Aufgeführt wird, welche Grundstücke, bzw. Gemeindeteile aus dem bisherigen Gemeindeverband abzutrennen sind. Auf dreizehn Seiten in Maschinenschrift wird der Sachverhalt, der der Schiedsrichterlichen Entscheidung zu Grunde liegt, mitgeteilt. Interessant ist, dass es unter anderem ind er Begründung heißt: Das Staatsministerium des Inneren hat mit Entschließung vom 3. Januar 1925 angeregt, durch Zusammenlegung mehrerer Gemeinden eine Großgemeinde mit dem Sitz in Marquartstein zu bilden. Die Widerstände der betroffenen Gemeinden seien aber zu groß, sodann ein ersprießliches Wirken nicht zu erhoffen wäre. Ein befriedigender Zustand kann nur geschaffen werden, wenn man die gegenwärtig im Schulsprengel Marquartstein zusammengefassten Ortsteile zu einer selbstständigen politischen Gemeinde erhebt. Die Idee des Staatsministerums eilte ihrer Zeit weit voraus. Erst im Zeichen der Gebietsreform, als Marquartstein längst eine eigene Gemeinde war, wurden die damaligen Vorstellungen zum Teil vollzogen: Am 1. Januar 1978 wurde eine Verwaltungsgemeinschaft zwischen den Gemeinden Marquartstein und Staudach-Egerndach gegründet. Zurück zum Jahr 1927. Die Entscheidung des Staasministeriums über die »Schiedsrichterliche Entscheidung ließ lange auf sich warten. Der Grund dafür wurde in ständigen Verschleppungsmanövern der Gemeinde Grassau gesehen. In einem Shcreiben vom 15.4.1927 an das Bezirksamt Traunstein nahm diese ausführlich Stellung.
Bekannt wurden auch einige Kritikpunkte, die in einer Sitzung des Gemeinderates Grassau am 1412.1926 zur Sprache kamen. Es hieß unter anderem:
– Die Gemeinde Unterwössen räumt dem Ort Marquartstein zu viele Rechte ein sodass der 2. Bürgermeister von Unterwössen in Marquartstein vom Bezirksamt schon als eigene Verwaltung behandelt, und nicht beanstandet wurde, wenn er selbständig ein zweites Gemeindesiegel führt.
– Keine Behörde hat bisher bemängelt, dass in Marquartstein ein sogenannter wilder Viehmarkt abgehalten wird. Die Tiere werden dort zwei Tage vor dem Markt in Mauerkirchen durchgetrieben und versorgt. Dabei hat sich ein Handel entwickelt, sodass jetzt in der Zeitung zu lesen ist, dass der herkömmliche Viehmarkt in Marquartstein stattfindet.
Zusammenfassend erklärte man, dass dies alles Folgen einer geduldeten schwarzen Verwaltung seien.
Die Würfel gegen eine Gemeindebildung fielen am 16. Dezeber 1927. Der Schiedsspruch des Bezirksamtes Traunstein wurde dahingehend abgeändert, dass kein öffentliches Interesse besteht, behufs Begründung einer Gemeinde Marquartstein die im Shciedsspruch aufgeführten Ausgemeindungen vorzunehmen.« Auf 29 Seiten in Maschinenschrift wurde die Ablehnung begründet. Die Enttäuschung war zwar groß, aber Marquartstein gab nicht auf. Am 29. Mai 1930 entschloss man sich erneut an höchster Stelle die Bildung einer eigenen politischen Gemeinde zu beantragen. Gleichzeitig erhoben die Besitzer der zum Schulsprengel Marquartstein gehörenden Anwesen, die ohne Wissen und Einverständnis aus der Gemeinde Schleching zu Grassau kommen sollten, schärfsten Protest beim Bezirksamt. Die Gemeindebildung schieterte. Noch immer ließ Marquartstein aber nicht locker. Es erfogte ein erneuter Vorstoß. Am 26. Februar 1936 teilte das Bezirksamt Traunstein darauf mit, dass durch eine Ministerialentschließung vom 8. Juli 1936 Umgemeindungen zur Zeit nicht erfolgen dürften, da einer von höheren Stelle aus beabsichtigten Regelung nicht vorgegriffen werden darf.
Das der langgehegte Wunsch der Marquartsteiner damit nicht »gestorben« war und sich letztendlich nach 47 Jahren steter Bemühungen am 1. April 1938 erfüllte hat der Ort Dr. Karl Rüdiger Freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein, Mitglied des Ortsausschusses in Marquartstein, zu verdanken. Am 2. März 1936 schrieb er an den 1. Beigeordneten Paul Riedinger, der zu dieser Zeit die Interessen marquartsteins als zweiter Bürgermeister von Unterwössen vertrat »Ich schlage Ihnen vor, trotz des ablehnenden Schreibens vom 26. Februar die Sache nicht liegenzulassen. Schreiben sie an das Bezirksamt es handle sich um einen dringenden Fall, bei dem eine Ausnahme zu der Ministerailentscheidung vertretbar ist. Bitten sie die Sache trotzdem zu behandeln und schreiben sie, sie hätten einen Abdruck der Eingabe dem Reichsstatthalter unmittelbar zur einstweiligen kenntnisnahme eingereicht. Schicken sie diesen Abdruck mit dem Schreiben, das ich ihnen im Entwurf gegeben habe, an den Reichsstatthalter in Bayern, Ritter von Epp in München. Den Vorwurf des Bezirksamtes Traunstein, dass sie trotz seiner Absagew sich direkt an den Reichsstatthalter gewandt haben, müssen sie halt auf ihre Kappe nehmen.« Paul Riedinger folgte dem Rat des Freiherrn und schickte das Gesuch am 5. März 1936 ab. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich Freiherr von Ribaupierre durch das Vorliegen des Antrages in der Kanzlei des Reichstatthalters in Bayern die Möglichkeit für einen persönlichen Einsatz geschaffen hat. Ohne die persönlichen Beziehungen der beiden Persönlichkeiten gleichen Standes zueinander wäre das Gesuch der Marquartsteiner bestimmt im Papierkorb gelandet oder mit Entrüstung zurückgesandt worden. Das Gesuch wurde positiv verbeschieden und damit war Marquartstein nach langem vergeblichem bemühen zu einer selbstständigen politischen Gemeinde geworden. Am 12. Juli 1937 gab die Kanzlei des Reichsstatthalters dem Herrn Beauftragten für die Gemeinde Marquartstein und den Bürgermeistern von Unterwössen, Schleching und Grassau genaue Anordnung über die Abtretung der betroffenen Gebiete und die gesamte finanzielle Regelung. Das Traunsteiner Wochenblatt schrieb damals am 14. Juli 1937 »Drei Gemeinden amputiert, eine vierte neu gegründet – Marquartstein ab 1. April 1938 selbständige Gemeinde«. Erster offizieller Bürgermeister von Marquartstein war vom 1. April 1938 bis 18. September 1943 Dr. Karl Rüdiger freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein. Am 12. April 1938 fand in Marquartstein die erste Gemeinderatssitzuung statt, die sich ausschließlich mit der Erhebung von Steuern befasste, angefangen von der Biersteuer, über die Hundesteuer bis hin zur Vergnügungssteuer. Die erste Gemeindeversammlung fand am 15. Mai statt. Neben der Zusammensetzung der Gemeindeverwaltung, den übernommenen Lasten der abtretenden Gemeinden, beschäftigte man sich damals schon mit dem Für- und Wider von Lichtreklame, setzte einen sogenannten »gemeindlichen Baumwart« ein und errichtete eine gemeindliche Müllabfuhr.
Anlässlich des 50jährigen Gründungsfestes der Gemeinde im Jahre 1988, das zugleich Gründungsfest derr Musikkapelle war heißt es im Grußwort des Bürgermeisters Matthias Dögerl in der Festschrift: »Als am 1. April 1938 endlich die Gemeinde Marqaurtstein gebildet wurde, war dies der Abschluss von jahrzehntelangen Bemühungen, begleitet von Hoffnungen und Enttäuschungen um die Bildung der Selbstständigkeit. Tatkraft, Zielstrebigkeit und Ausdauer, nicht Resignation und Ergeben in das scheinbar Unabänderliche, haben dies bewirkt. In Dankbarkeit gedenke man all derer, die sich für die Gemeinde eingesetzt und das Allgemeinwohl vorangestellt haben. Zum Gedenken an den Gründungs-Bürgermeister und Ehrenbürger von Marquartstein Dr. Karl Rüdiger Freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein hat sich der Gemeinderat entschlossen eine Gedenktafel im Rathaus an bringen zu lassen.
GS
15/2003
Zur Geschichte:
Jahrhunderte hindurch war die Burg Marqaurtstein der Mittelpunkt einer der größten politischen Verwaltungsbezirke Bayerns und trug wesentlich zur Entwicklung der Orte Marquartstein und Loitshausen bei. Als der Amtsitz des Gerichts- Pfleg- Kasten- und Mauamtes 1803 nach Traunstein verlegt wurde, verlor der Ort an Bedeutung. Die Bildung von Steuerbezirken im Jahre 1808 führte zu einer Aufteilung auf drei Gemeinden. Die Siedlungen rechts der Ache, Marquartstein, Loitshausen, rechts des Flusses Oetz, Gränzmühl, Hängthal, Agg, Schlecht und die Einöd Staffen fasste man unter dem Namen Marquartstein zusammen und wurden dem Steuerdisdrikte und späteren Gemeinden Grassau und Schleching aufgeteilt.
Als 1884 von der Bahnstation Übersee aus die Lokalbahn nach Marquartstein gebaut wurde setzte im Ort der wirtschaftliche Aufschwung ein. Das Bestreben, eine eigene politische Gemeinde Marquartstein zu schaffen, war eine Folge dieses Aufschwungs. Am 22. Februar 1891 gründeten die Einwohner von Marquartstein und Loitshausen unter dem Vorsitz des Mühlenbesitzers Simon Hel eine Interessengemeinschaft zur Bildung einer eigenen politischen Gemeinde. Ein diesbezüglicher Antrag wurde am 28. März 1891 an das Bezirksamt Traunstein gesellt, das diesen auch befürwortete. Da dem Antrag aber nur Schleching zustimmte, die beiden anderen Gemeinden ihn jedoch ablehnten, musste nach dem damaligen Stand der Gesetzgebung das Staatsministerium des Inneren mit Entschließung vom 24. Februar 1892 entscheiden, dass das Projekt einer weiteren Würdigung nicht zu unterstellen sei, obwohl der Anregung eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden könne. Die Bewohner von Marquartstein ließen aber mit dem Wunsch nach einer eigenen politischen Gemeinde nicht locker. Nach dem ersten Weltkrieg stellten am 8. September 1919 die Vertreter der Gemeinde Marquartstein links der Ache, an die Ortsgemeinde Marquartstein rechts der Ache den Antrag, an geeigneter höchster Stelle dahin zu wirken, dass aus dem bestehendem Schul- und Kirchensprengel marquartstein eine selbstständige politische Gemeinde werde. Diesem Wunsch kam das damals neu erschienene Selbstverwaltungsgesetz zugute. Die Bildung einer neuen Gemeinde wäre nun auch ohne die Zustimmung aller »Beteiligten«, das heißt der Gemeinden Unterwössen, Schleching und Grassau möglich gewesen. Das Bezirksamt Traunstein kam dem Wunsch entgegen und setzte sich für Marquartstein ein. Am 17. November 1926 wurde an das ministerium des Inneren eine »Shciedsrichterliche Entscheidung« eingereicht, in der festgestellt wird, dass ein dringendes öffentliches Interesse behufs der Gründung einer eigenen Gemeinde Marquartstein besteht. Aufgeführt wird, welche Grundstücke, bzw. Gemeindeteile aus dem bisherigen Gemeindeverband abzutrennen sind. Auf dreizehn Seiten in Maschinenschrift wird der Sachverhalt, der der Schiedsrichterlichen Entscheidung zu Grunde liegt, mitgeteilt. Interessant ist, dass es unter anderem ind er Begründung heißt: Das Staatsministerium des Inneren hat mit Entschließung vom 3. Januar 1925 angeregt, durch Zusammenlegung mehrerer Gemeinden eine Großgemeinde mit dem Sitz in Marquartstein zu bilden. Die Widerstände der betroffenen Gemeinden seien aber zu groß, sodann ein ersprießliches Wirken nicht zu erhoffen wäre. Ein befriedigender Zustand kann nur geschaffen werden, wenn man die gegenwärtig im Schulsprengel Marquartstein zusammengefassten Ortsteile zu einer selbstständigen politischen Gemeinde erhebt. Die Idee des Staatsministerums eilte ihrer Zeit weit voraus. Erst im Zeichen der Gebietsreform, als Marquartstein längst eine eigene Gemeinde war, wurden die damaligen Vorstellungen zum Teil vollzogen: Am 1. Januar 1978 wurde eine Verwaltungsgemeinschaft zwischen den Gemeinden Marquartstein und Staudach-Egerndach gegründet. Zurück zum Jahr 1927. Die Entscheidung des Staasministeriums über die »Schiedsrichterliche Entscheidung ließ lange auf sich warten. Der Grund dafür wurde in ständigen Verschleppungsmanövern der Gemeinde Grassau gesehen. In einem Shcreiben vom 15.4.1927 an das Bezirksamt Traunstein nahm diese ausführlich Stellung.
Bekannt wurden auch einige Kritikpunkte, die in einer Sitzung des Gemeinderates Grassau am 1412.1926 zur Sprache kamen. Es hieß unter anderem:
– Die Gemeinde Unterwössen räumt dem Ort Marquartstein zu viele Rechte ein sodass der 2. Bürgermeister von Unterwössen in Marquartstein vom Bezirksamt schon als eigene Verwaltung behandelt, und nicht beanstandet wurde, wenn er selbständig ein zweites Gemeindesiegel führt.
– Keine Behörde hat bisher bemängelt, dass in Marquartstein ein sogenannter wilder Viehmarkt abgehalten wird. Die Tiere werden dort zwei Tage vor dem Markt in Mauerkirchen durchgetrieben und versorgt. Dabei hat sich ein Handel entwickelt, sodass jetzt in der Zeitung zu lesen ist, dass der herkömmliche Viehmarkt in Marquartstein stattfindet.
Zusammenfassend erklärte man, dass dies alles Folgen einer geduldeten schwarzen Verwaltung seien.
Die Würfel gegen eine Gemeindebildung fielen am 16. Dezeber 1927. Der Schiedsspruch des Bezirksamtes Traunstein wurde dahingehend abgeändert, dass kein öffentliches Interesse besteht, behufs Begründung einer Gemeinde Marquartstein die im Shciedsspruch aufgeführten Ausgemeindungen vorzunehmen.« Auf 29 Seiten in Maschinenschrift wurde die Ablehnung begründet. Die Enttäuschung war zwar groß, aber Marquartstein gab nicht auf. Am 29. Mai 1930 entschloss man sich erneut an höchster Stelle die Bildung einer eigenen politischen Gemeinde zu beantragen. Gleichzeitig erhoben die Besitzer der zum Schulsprengel Marquartstein gehörenden Anwesen, die ohne Wissen und Einverständnis aus der Gemeinde Schleching zu Grassau kommen sollten, schärfsten Protest beim Bezirksamt. Die Gemeindebildung schieterte. Noch immer ließ Marquartstein aber nicht locker. Es erfogte ein erneuter Vorstoß. Am 26. Februar 1936 teilte das Bezirksamt Traunstein darauf mit, dass durch eine Ministerialentschließung vom 8. Juli 1936 Umgemeindungen zur Zeit nicht erfolgen dürften, da einer von höheren Stelle aus beabsichtigten Regelung nicht vorgegriffen werden darf.
Das der langgehegte Wunsch der Marquartsteiner damit nicht »gestorben« war und sich letztendlich nach 47 Jahren steter Bemühungen am 1. April 1938 erfüllte hat der Ort Dr. Karl Rüdiger Freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein, Mitglied des Ortsausschusses in Marquartstein, zu verdanken. Am 2. März 1936 schrieb er an den 1. Beigeordneten Paul Riedinger, der zu dieser Zeit die Interessen marquartsteins als zweiter Bürgermeister von Unterwössen vertrat »Ich schlage Ihnen vor, trotz des ablehnenden Schreibens vom 26. Februar die Sache nicht liegenzulassen. Schreiben sie an das Bezirksamt es handle sich um einen dringenden Fall, bei dem eine Ausnahme zu der Ministerailentscheidung vertretbar ist. Bitten sie die Sache trotzdem zu behandeln und schreiben sie, sie hätten einen Abdruck der Eingabe dem Reichsstatthalter unmittelbar zur einstweiligen kenntnisnahme eingereicht. Schicken sie diesen Abdruck mit dem Schreiben, das ich ihnen im Entwurf gegeben habe, an den Reichsstatthalter in Bayern, Ritter von Epp in München. Den Vorwurf des Bezirksamtes Traunstein, dass sie trotz seiner Absagew sich direkt an den Reichsstatthalter gewandt haben, müssen sie halt auf ihre Kappe nehmen.« Paul Riedinger folgte dem Rat des Freiherrn und schickte das Gesuch am 5. März 1936 ab. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich Freiherr von Ribaupierre durch das Vorliegen des Antrages in der Kanzlei des Reichstatthalters in Bayern die Möglichkeit für einen persönlichen Einsatz geschaffen hat. Ohne die persönlichen Beziehungen der beiden Persönlichkeiten gleichen Standes zueinander wäre das Gesuch der Marquartsteiner bestimmt im Papierkorb gelandet oder mit Entrüstung zurückgesandt worden. Das Gesuch wurde positiv verbeschieden und damit war Marquartstein nach langem vergeblichem bemühen zu einer selbstständigen politischen Gemeinde geworden. Am 12. Juli 1937 gab die Kanzlei des Reichsstatthalters dem Herrn Beauftragten für die Gemeinde Marquartstein und den Bürgermeistern von Unterwössen, Schleching und Grassau genaue Anordnung über die Abtretung der betroffenen Gebiete und die gesamte finanzielle Regelung. Das Traunsteiner Wochenblatt schrieb damals am 14. Juli 1937 »Drei Gemeinden amputiert, eine vierte neu gegründet – Marquartstein ab 1. April 1938 selbständige Gemeinde«. Erster offizieller Bürgermeister von Marquartstein war vom 1. April 1938 bis 18. September 1943 Dr. Karl Rüdiger freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein. Am 12. April 1938 fand in Marquartstein die erste Gemeinderatssitzuung statt, die sich ausschließlich mit der Erhebung von Steuern befasste, angefangen von der Biersteuer, über die Hundesteuer bis hin zur Vergnügungssteuer. Die erste Gemeindeversammlung fand am 15. Mai statt. Neben der Zusammensetzung der Gemeindeverwaltung, den übernommenen Lasten der abtretenden Gemeinden, beschäftigte man sich damals schon mit dem Für- und Wider von Lichtreklame, setzte einen sogenannten »gemeindlichen Baumwart« ein und errichtete eine gemeindliche Müllabfuhr.
Anlässlich des 50jährigen Gründungsfestes der Gemeinde im Jahre 1988, das zugleich Gründungsfest derr Musikkapelle war heißt es im Grußwort des Bürgermeisters Matthias Dögerl in der Festschrift: »Als am 1. April 1938 endlich die Gemeinde Marqaurtstein gebildet wurde, war dies der Abschluss von jahrzehntelangen Bemühungen, begleitet von Hoffnungen und Enttäuschungen um die Bildung der Selbstständigkeit. Tatkraft, Zielstrebigkeit und Ausdauer, nicht Resignation und Ergeben in das scheinbar Unabänderliche, haben dies bewirkt. In Dankbarkeit gedenke man all derer, die sich für die Gemeinde eingesetzt und das Allgemeinwohl vorangestellt haben. Zum Gedenken an den Gründungs-Bürgermeister und Ehrenbürger von Marquartstein Dr. Karl Rüdiger Freiherr von Ribaupierre-Rappoltstein hat sich der Gemeinderat entschlossen eine Gedenktafel im Rathaus an bringen zu lassen.
GS
15/2003