Seit 100 Jahren Spargel für alle
Der Spargelanbau im Schrobenhausener Land ist mittlerweile ein Wirtschaftszweig


Die Freunde des edlen Gemüses sehnen die Spargelzeit schon seit Wochen herbei. Eine Portion mit Kartoffeln und zerlassener Butter oder Sauce hollandaise ist für viele eine Delikatesse. Doch dazu müssen die maximal 22 Zentimeter langen Stangen erst einmal geerntet sein. Spargelstechen ist Handarbeit. Mit gut 1000 Hektar Fläche ist das Schrobenhausener Land im Städtedreieck München – Augsburg – Ingolstadt das größte zusammenhängende Anbaugebiet Bayerns. In diesem Jahr feiert der großflächige Anbau der mittlerweile von der EU geschützten Marke Schrobenhausener Spargel 100-jähriges Bestehen.
Die Anfänge des Spargelanbaus auf den sandigen Böden der Region waren bescheiden. Zum ersten Mal wird das Gemüse 1851 im königlich bayerischen Wochenblatt erwähnt, wie der Erzeugerverband weiß. 1856 ist dokumentiert, dass der Graf von Sandizell Spargel nach München lieferte, damals freilich ausschließlich an herrschaftliche Häuser. Und in einer Beschreibung des Landgerichts Schrobenhausen aus dem Jahr 1861 wird »Asparagus officinalis« als in der Region kultiviertes Naturerzeugnis von medizinischer Bedeutung aufgeführt.
Doch erst Christian Schadt aus dem hessischen Groß-Gerau sorgte für den großflächigen Anbau und die Vermarktung. 1913 pflanzte er auf 1,33 Hektar Spargel und blieb bis Anfang der 1920er Jahre alleiniger Anbauer in dem Gebiet. Von den Bauern zunächst belächelt, fand Schadt erst Jahre später Nachahmer. 1939 wurde in lediglich sieben Gemeinden auf 25 Hektar Spargel angebaut. Heute sind es 1000 Hektar.
Der Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte für mehr Nachfrage nach dem Edelgemüse. In den 1980er Jahren stieg die Zahl der Betriebe auf 500, die Anbaufläche wuchs auf rund 300 Hektar. Wegen des Strukturwandels in der Landwirtschaft pendelte sich die Zahl der Betriebe auf derzeit rund 165 ein. Dem Spargelerzeugerverband Südbayern sind nach Angaben seines Vorsitzenden Josef Plöckl aber nur rund 115 Höfe angeschlossen.
Ein Mitgliedsbetrieb gehört Hans Sigllechner aus Hohenwarth. Auf 50 Hektar baut er das Gemüse an. In der Hauptsaison stechen seine Familie und bis zu 80 Erntehelfer mehrere Tonnen Spargel pro Tag. Versuche mit maschinellem Spargelstechen sind nach den Erfahrungen des Landwirts wenig erfolgversprechend verlaufen. Zu groß sei die Ertragsminderung. »Solange Erntehelfer noch bezahlbar sind, bleiben sie unersetzlich«, ist der 66-Jährige überzeugt. Jede Spargelstange wird also vorerst weiterhin per Hand gestochen – erst mit der Hand freigelegt, dann mit dem Spargelmesser abgeschnitten, danach das Loch wieder gefüllt und der Boden mit dem Glätter glatt gestrichen. Die Ernte endet traditionell am Johannitag, dem 24. Juni.
Verbandschef Plöckl nennt den Spargelanbau einen Glücksfall für das Schrobenhausener Land: »Es ist eine Erfolgsgeschichte nicht nur für die Bauern, sondern auch für die Gastronomie, für Land- und Landmaschinenhandel sowie für das Wohlergehen aller Leute in der Region.« Plöckl – er führt den Verband seit 43 Jahren – hält sich zugute, dass Schrobenhausener Spargel seit 2010 von der EU als geschützte geografische Herkunftsangabe anerkannt ist.
Paul Winterer
16/2013