Jahrgang 2017 Nummer 28

Schießscheibe mit aufgeschrecktem Reh

»Petri Heil und Waidmanns Dank«: eine fröhliche Jagd- und Fischerei-Schau der Galerie Handwerk

Schießscheibe, bemalt, lackiert, gebraucht – private Leihgabe, nicht datiert und signiert. (Alle Fotos: Hans Gärtner)
Oberammergauer Schnürlkasperl, handgeschnitzt und bemalt von Markus Wagner.
Sankt Hubertus, Schutzpatron der Jäger, Zinnfigur, Werkstatt Babette Schweizer, Diessen.
»Tristan und Isolde« – erlegtes Phantasietierpaar von Barbara Ludin, München.
Populäres Kalenderbuch mit Fischen des Monats – für den Juni war es der Schlei.
Damhirschschaufel mit Steinbockmotiv, geschnitzt von Siegfried Stuhlmüller, Riedering.
»Urhirsch, bayerisch« taufte die Münchner Kunsthandwerkerin Barbara Ludin ihre Kreation eines erfundenen, also nicht echt jagdbaren Waldtieres mit großem G‘weih. Da dran durfte Markus Wagner einen seiner handgeschnitzten, farbig bemalten Oberammergauer Schnürlkasperl hängen. Der schaut nun bis 29. Juli Uhr durchs Schaufenster der »Galerie Handwerk« den Bauleuten zu, die sich ihm gegenüber in der Münchner Ottostraße abrackern. Vielleicht guckt der dürre hölzerne Schnürl-Jäger mit seiner Flinte und dem Gamsbarthütl auf dem Kopf deshalb so belämmert. Er breitet seine Arme aus, als ob er sagen wollte: »Da kannst halt nix machen!«

Jeder Besucher der Ausstellung »Petri Heil und Waidmanns Dank« (geöffnet täglich außer Mon-, Sonnund Feiertagen von 10 bis 18 Uhr) kann sich angesichts einer Fülle von Objekten, teils nur ausgestellt, teils auch käuflich, seine eigenen Geschichten ausdenken. Oder sich an die Zeit erinnern, als er mit oder ohne Schießgewehr, mit oder ohne Angelzeug auf der Pirsch war, als junger Hupfer oder als kleiner Bub, zusammen mit seinem jagerisch oder fischerisch aufgelegten Opa. Was der vor zig Jahren brauchte, um Erfolg zu haben auf seinen Streifzügen durch die Seen- oder Waldgebiete seiner Heimat, das ist bis heute noch brauchbar, manches sogar dringend: Rucksack, Wetterfleck, Zielstock – mit oder ohne Hirschhorngabel, Hundeleine, dazu Hummerkorb, Lachsrute, Jagdmesser, Fischernetz, eine eigene Ansitzhose, vielleicht auch Ledergamaschen, Juchtenlederstiefel, Fliegenklatsche, Federkielranzen und ein veritables Pless- oder Parforcehorn der Firma Joseph Dotzauer aus Karlstadt. Die stellt – her und aus – ein Taschenjagdhorn in B, de-luxe-Version, mit Kranz und Geweih-Emblem. Ganz was Rares.

Neben dem vielen Nützlichen zeigt die fröhliche Jagd- und Fischerei-Schau aber auch, zur puren Unterhaltung der Besuchenden, Sachen, die nichts als schön von Gestalt und kunsthandwerklicher Eleganz oder einfach lustig zum Anschauen sind. Außer dem Urhirschen mit dem daran baumelnden Oberammergauer Schnürlkasperl sind das allein schon die gut hundert verschiedenen Zinnfiguren aus der Dießener Werkstatt der Babette Schweizer, thematisch ebenso einschlägig: Forsthäusl und Wildsau mit Frischlingen, Schafbock, Marterl mit Bäumen, Hund mit und ohne Rebhuhn, Damhirsch, Sperber, Eule, Wildschütz. Eine Liebhaber-Menagerie zum Sammeln. Höhepunkt: Sankt Hubertus, mal stehend, mal kniend. Rätselhaft: drei Rabenbäume. Was sind denn das für Gewächse? Ähnliches fragt man sich beim Anblick von Judith Radls Jagdtrophäen aus weißem oder braun-blauem Steinzeug oder von Barbara Ludins vielfarbigem »Tristan und Isolde«-Geflügel, gebaut aus Altpapier, Draht und Kleister. Zum Bewundern: die vom Trachten- Info-Zentrum des Bezirks Oberbayern ausgeliehene, im oberbayerischen Bad Wiessee gegossene, im tirolerischen Kirchbichl gravierte Koppelschließe (»Hirsch im Rankenwerk«) aus Messing. Zum Bestaunen: die Damhirschschaufel mit Steinbockmotiv, die Siegfried Stuhlmüller, Riedering, kunstvoll und filigran aus Hirschhorn schnitzte.

Anmutig zeigt sich auf einem bemalten Keramikteller vom Durchmesser 22 Zentimeter eine »Dame auf Pferd mit zwei Hunden«. Das Exemplar gelang Sigrid Hilpert-Artes aus Dresden nicht weniger liebreizend als ihre ebenfalls ausliegenden Wandarbeiten »Nymphe auf Fisch« oder ihr vierteiliges Service »Jägers Gattin mit Hund«, bestehend aus figürlicher Kanne, Tasse, Untertasse, Kuchenteller. Im Gedächtnis bleiben solche hübsche Sachen lange. Was auch noch hängen bleibt: eine bemalte Schießscheibe mit aufgeschrecktem Reh, Adels-Wappen und Waldwiese. Das Ding trägt, wie manch andere Exponate auch, den roten »Verkauft«-Punkt. In der Angebotsliste ist es mit 20 Euro ausgezeichnet. Warum so preiswert? Weil schon »gebraucht«. Einer Ausstellungsbesucherin war das egal. Im Gegenteil, sie war froh über die günstige Erwerbung und freut sich, schon im Sommer das richtige Weihnachtsgeschenk für ihren Liebsten gefunden zu haben. Die Schießscheibe gehört zu den privaten Leihgaben, von denen die allermeisten unverkäuflich sind – eine »gespließte Rute« etwa, ein Flechtkorb mit Lederriemen, ein Köcher aus Bambus übrigens auch.

 

Hans Gärtner

 

28/2017