Jahrgang 2013 Nummer 15

Sankt Wolfgang verbindet …

… das oberbayerische Kloster Seeon mit dem Europakloster Gut Aich im Salzkammergut

Replik des Wolfgangstabes, entliehen vom Europakloster Gut Aich an Kloster Seeon, 2012.
Pupping: Bei der Überführung des Leichnams des hl. Wolfgang 994 war Seeon-Besitzer Pfalzgraf Aribo dabei.
Bischof Wolfgang von Andreas Kuhnlein, Esche, 2012, in Kloster Seeon.
Die Gründungsurkunde des Europaklosters Gut Aich wurde 1994 im Kloster Seeon geschrieben.
Die Benediktusmedaille aus dem Europakloster Gut Aich, 20.-21. Jahrhundert.

Ein Prachtstück ist er geworden, der neue Bischofsstab, der so aussieht wie der vom heiligen Wolfgang, der, wohl im Limoges gefertigt, seit dem 14. Jahrhundert in der Schatzkammer von St. Wolfgang im Salzkammergut ruhte - bis einer kam, der ihn originalgetreu nachbaute: der Schlager Peter. Goldschmied ist er, und er eignete sich in mühevoller Kleinarbeit die seit dem Mittelalter bekannte, aber schwierige Technik des Emaillierens an. Rund 1000 Arbeitsstunden hat Schlager in die Herstellung des »neuen alten« Krummstabes investiert, bis er als »Star« die Kunstwerkstätten des Europaklosters Gut Aich bei St. Wolfgang am gleichnamigen See verlassen durfte.

Nun steht er in einem verglasten, hölzernen, beleuchteten, hohen Gehäuse mitten in dem kleinen »Raum der Stille« von Kloster Seeon, den man über eine kurze, schmale Doppeltreppe erreicht. An zwei Längswänden dokumentieren Farbfotos den Fertigungsprozess des Kleinods, das das Europakloster Gut Aich nach Seeon auslieh – für eine Ausstellung, die bis Ende November reicht und kulturinteressierten Gästen, die sich nördlich des Bayerischen Meeres beruflich oder zur Erholung aufhalten, offensteht. Sie werden staunen, wie viel Mühe und Geschick es kostete, so eine Replik herzustellen. Peter Schlager hat notiert, wie er das Emaillieren lernte, welche Arbeitsschritte es kostete, den Bischofsstab zu kreieren und was seine Teile bedeuten – Krümme, Seestern, Flügel, Knauf, Schaft, die aus Hartwachs bestehenden Köpfchen der vier Evangelisten, die mit dem Handfräser herausgearbeitet und in Silber gegossen wurden.

»Innehalten, wahrnehmen und vorausschauen« – unter dieses Motto stellte Wolfgang Stamm, Leiter des »Kultur- & Bildungs-Zentrums« Kloster Seeon die Jubiläumsausstellung aus Anlass des 20-jährigen Bestehens seines glückvoll zur Kultur- und Bildungsstätte umgewandelten Hauses. Im Kreuzgang kann man schon das Anschauen beginnen. Das Diözesanmuseum Regensburg lieh bebilderte Schautafeln zu Leben und Wirken von Bischof Wolfgang aus.

Seit zwei Jahrzehnten gibt es auch das Europakloster Gut Aich, malerisch im Salzkammergut gelegen zwischen Mond- und Wolfgangsee. Beide Klöster verbindet die Gestalt des mittelalterlichen Heiligen namens Wolfgang: 924 in Pfullingen (Schwäbische Alb) geboren, auf der Reichenau und in Würzburg ausgebildet, in Einsiedeln zum Priester geweiht, in Ungarn missioniert, 973 Bischof von Regensburg und Abt von St. Emmeram geworden, dann vermutlich ins Kloster Mondsee gegangen, beim heutigen Ort St. Wolfgang der Legende nach eine Klause errichtet, in Pupping an der Donau (Oberösterreich) am 31. Oktober 994 gestorben, 1052 heiliggesprochen.

Für die ehemalige Benediktinerabtei Seeon hat Bischof Wolfgang keine geringe Bedeutung. Seeons erster Abt Adalbert kam in Begleitung von Brüdern aus dem Reformkloster St. Emmeram. Freundesbande des Regensburger Bischofs zu den Besitzern von Kloster Seeon, Pfalzgraf Aribo und seiner Gattin Adala, waren wohl der Grund. Mit seinem Schwager, Erzbischof Hartmann von Salzburg, begleitete Aribo Wolfgangs Leichnam von Pupping nach Regensburg. »Die in Seeon kurz darauf aufblühende Buchmalerei könnte ihrem Stil nach ebenfalls vom Mutterkloster St. Emmeram, das ja selbst ein Zentrum ottonischer Buchkunst war, initiiert worden sein«. So der Gilchinger Kunsthistoriker Lothar Altmann in der feinen Begleit-Publikation aus dem Kunstverlag Josef Fink.

Wie müssen wir uns Sankt Wolfgang vorstellen? Der Unterwössener Bildhauer Andreas Kuhnlein sägte ihn dreimal aus einem Eschenstamm: als zartes Knäblein, als in sich versunkenen Klosterschüler und als Abt und Bischof mit einer direkt aus dem Kopf hervorgehenden hohen Mitra und einem massiven, kantigen Kreuz, das seine Linke fest, geradezu trotzig umschließt. Kein machtbewusster Kleriker der Oberschicht, sondern ein sich ein wenig duckender, den Kopf eingezogener, frommer geistlicher Führer steht da vor uns. Drei Bilder, die sich zu einer Gestalt fügen – eine biografische Trinität, die Impulse gibt zu Meditation und Beschäftigung mit der herausragenden Gestalt eines der zentralen bayerischen Heiligen. Übrigens liegt unweit von Seeon zwar nicht die weltberühmte (wie nahe Kloster Gut Aich), aber, nicht nur für Bayern, wohl eine der bedeutendsten Wolfgangs- Heiligtümer überhaupt: die Wallfahrtskirche St. Wolfgang zu Berg bei Altenmarkt an der Alz. Ihr »Biograf« Gerald Dobler bezeichnet sie in seiner instruktiven Schrift als »Hort des Glaubens und der Kunst« (Verlag Josef Fink, 2009). Die Legende will es, dass die Einkerbungen des mitten im Gotteshaus befindlichen Schlupfsteins aus Rotmarmor von einer Rast des Wanderheiligen herrühren. Solche und weitere »Wolfgangs-G‘schichtln« erzählt bei ihren Sonntagsführungen (9. Juni, 7. Juli, 4. August und 8. September, jeweils um 14 Uhr, und auf Anfrage) die Mesnerin Barbara Schleifer.

Es trifft sich gut, dass 2013 auch das Europakloster Gut Aich sein Zwanzigjähriges begeht. 1993 gründeten es zwei Mettener Benediktiner in einem von den Franziskanerinnen aus Au (Landkreis Mühldorf am Inn) übernommenen Kinderheim als eine Mönchsgemeinschaft. Ihre Kirche weihten sie, ob Zufall oder Bestimmung, am 31. Oktober 1994, dem 1000. Todestag des hl. Wolfgang. Die Gründungsurkunde ließen sie in der neu belebten »Schreibschule« von Kloster Seeon kalligraphisch erstellen. Heute leben acht Patres und Fratres im Europakloster Gut Aich. Über ihrer Tätigkeit, von der man auch in der Seeoner Jubiläumsausstellung viel Wissenswertes auf anschauliche Weise erfährt, könnte stehen: »Heilsame Spiritualität«. So nennen Bruder David und Pater Johannes Pausch OSB, der zur Seeoner Vernissage erschien, ihre nach Ostern 2013 bereits zum dritten Mal angesetzte Vortragsreihe.

Gut Aich versteht sich als ein »Ort des Heilwerdens«. Hier kommen, wie Gastmeister Br. Thomas Hessler es ausdrückt, »Seele, Körper und Geist durch Gebet, Arbeit und Lesung wieder ins Gleichgewicht.« Mit ihrer Arbeit sehen sich die Aicher Mönche in der europäischen Tradition der Klosterheilkunde. Konkret: Sie bieten Fastenkurse, Exerzitien, Klosterbesuche, Schweige-, Tanz- und Yogawochen, haben eine Webschule und jene Kunstwerkstätte, von der eingangs die Rede war.

Die zu Recht bewunderte Bischofsstab-Replik, die als wohl bislang spektakulärstes Stück aus dieser Kunstwerkstätte hervorging, ist, wie ihr Vorbild, im Langteil hohl. Im echten Wolfgangs-Stab ist, wie Pater Johannes verriet, ein Haselstöckchen eingeschlossen. Wie so manches, was Leben, Streben und Sterben des Verbindungsheiligen Wolfgang angeht, bleibt einiges wohl im schönen Schimmer der Legende, wie etwa Wolfgangs Gebrauch des Hackls, als er sich zu seiner Eremitenklause am Abersee durchschlug. Man weiß nicht, ob es sich um einen Wanderstecken oder um ein »Tatzenstöckerl« handelte. Tausend Jahre sind halt doch eine hübsch lange Zeit …


Hans Gärtner

 

 

Infos
Die Ausstellung »Im Zeichen des heiligen Wolfgang: innehalten - wahrnehmen - vorausschauen« mit gleichnamiger Begleitpublikation (15 Euro, Lektorat: Lothar Altmann) ist im Kloster Seeon bis 24. November täglich von 10 - 17 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. Dazu wird die Ausstellung im Kreuzgang der Seeoner Klosterkirche St. Lambert gezeigt: »St. Wolfgang 994 - 1994« (Übernahme vom Diözesanmuseum Regensburg). – Hedwig Amann führt circa 50 Minuten zu modernen Kunstwerken rund um Kloster Seeon. Am 14. und 15. September 2013 lädt das »Kultur- & Bildungs-Zentrum Kloster Seeon« zum Jubiläumswochenende ein, das zusammen mit Vertretern des Europa- Klosters Gut Aich durchgeführt wird – mit Musik, Unterhaltung, Wissenswertem und Kulinarischem. Jeden Donnerstag um 14.30 Uhr gibt es Führungen durch das Europakloster Gut Aich: Kirche, Kräutergarten, Klosterhof (www.europakloster. com; www.kloster-seeon.de). HaG

 

15/2013