Reichenhaller Gebirgsschützenkompanie seit 1805
Auch Salinenarbeiter aus Weißbach und dem Jochberg gehörten ihr an – Wiedergründung vor 30 Jahren



Am vergangenen Wochenende feierte die Gebirgsschützen-Kompanie Reichenhall das 30. Wiedergründungs- Jubiläum. Zu diesem Fest kamen auch viele befreundete Kompanien aus dem Umkreis und dem Salzburger Land. Angesichts der langen Geschichte der Bayerischen Gebirgsschützen und der Reichenhaller Kompanie im Besonderen lohnt es, einen kleinen Blick auf die Entwicklung und die Ereignisse, ausgehend von der Bestellung eines Landaufgebotes Bayerischer Bauern im Mittelalter, zu werfen.
Die Gründung einer Reichenhaller Gebirgsschützenkompanie im Jahre 1805
1369 wird in Reichenhall eine bürgerliche Schützenkompanie als »Püxen Schützen zu Reichenhall« genannt. 1791 folgte in Reichenhall und in Traunstein die Aufstellung eines eigenen Salinencorps. Mit dem Aufruf zur Gründung eines »Corps bairischer Gebirgsschützen« fand in Reichenhall 1805 die Gründung einer Gebirgsschützenkompanie unter der Führung von Salinenrat und Salinenoberinspektor Kaspar von Reiner statt der u.a. auch Salinenarbeiter aus Weißbach an der Alpenstraße und dem Jochberg angehörten.
Die Reichenhaller Gebirgsschützen und die Schlacht am Bodenbichl
Am 7. April 1809 erteilte Napoleon dem bayerischen General Wrede den Befehl, in Richtung Salzburg aufzubrechen. Die Tiroler wollten sich nicht an Bayern ergeben und verteidigten sich in den berühmten Tiroler Freiheitskriegen. Aus Sicht der herandrängenden Tiroler waren besonders die engen Pässe und Übergänge geeignet die Franzosen und Bayern anzugreifen. So kam es auch über Melleck, dem Steinpaß, am Bodenbühel und in Schneizlreuth immer wieder zu Kämpfen. Mit 4 Kolonnen, die von Einheimischen teils über die Berge geführt wurden, gelang es, den Tiroler Anführer Andreas Speckbacher und seine Kämpfer in Melleck zu umzingeln und vernichtend zu schlagen. 300 Tiroler verloren das Leben, 300 die Freiheit, unter den Gefangenen war Speckbachers Sohn Anderl, den König Max später in München studieren ließ. Hofer wurde durch Verrat gefangen und zu Mantua erschossen, der Aufstand brach zusammen. Am 14. Oktober 1809 wurde in Wien zwischen Österreich und Napoleon Friede geschlossen.
Die Wiedergründung im Jahre 1983
Angesichts der langen Tradition dachten einige Köpfe lange über eine Wiedergründung der Gebirgsschützen- Kompanie Reichenhall nach. Anfangs der 1970er Jahre ersuchte Gauhauptmann Emil Schuler aus Aschau den damaligen Stadtheimatpfleger Fritz Hofmann, eine Wiedergründung zu wagen. Aber erst 1982 begann Heinz Schmidbauer, den Stadtheimatpfleger für den Gedanken der Wiedergründung endgültig zu begeistern. Schnell konnten auch Oberst Franz Steiner und Heinz Heinlein als Unterstützer gewonnen werden. Nach Gesprächen mit der Gauhauptmannschaft des Bataillons Inn- Chiemgau begann eine Kommissarische Hauptmannschaft im Dezember ihre Arbeit, legte Termine fest, formulierte den Gründungsaufruf und legt sich auf die Montur getreu dem historischen Vorbild (Lithographie C. Grünwedel) fest. Am 26. 3. 1983 wurde die Kompanie Reichenhall in das Bataillon lnn-/Chiemgau und am 10. 4. 1983 in den Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien aufgenommen. Am 22. April 1983 fand schließlich die Wiedergründungsversammlung mit 82 aktiven Mitgliedern im Gasthof Bürgerbräu statt. Bereits ein Jahr später zählte die Kompanie 120 Aktive. Heute besteht die Kompanie aus 45 aktiven und 186 passiven Mitgliedern. Bis Ende des Gründungsjahres führte die Kompanie Oberst Franz Steiner. Werner Zeininger wurde 1984 zum Hauptmann gewählt. Er bekleidete sein Amt bis 2005. Horst Frankl übernahm die Kompanie danach kommissarisch und führte sie ab 2006 bis 2009. Seit 2010 ist Karl-Heinz Schmitt Hauptmann.
‘s Gwand der Kompanie
Die aktiven Schützen tragen einen grünen Stopselhut mit schwarzen Schnüren und Spielhahnstoß, ein weißes Trachtenhemd mit schwarzem Mascherl, roter Weste, darüber grüne Hosenträger, eine graue Lodenjoppe mit grünem Kragen und Ärmelbund, weiß-blauer Armbinde, schwarzer Lederbundhose, naturweiße Wollstrümpfe und schwarze Haferlschuhe. Offiziere tragen eine graue, lange Lodenhose. Als Weiteres tragen Offiziere und der Fähnrich einen Hirschfänger, die Pioniere Hacke und Pistole und die Schützen den Karabiner 98k als Stutzen. Marketenderinnen tragen ein festliches Dirndlgewand.
Geschichte der Bayerischen Gebirgsschützen
Eine wichtige Phase für die Gebirgsschützen ist, aus Sicht der Historiker, das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts. Ab 1488 wurden in ganz Bayern verstärkt Musterungen durchgeführt, um das Land Bayern vor »mutwilligem einzug und beschedigungen« zu beschirmen. Die in der Folge aufgestellten Wehrmannschaften, auch Landfahnen, Landesdefension genannt, galten als die Vorgängerformationen der Gebirgsschützen, da die Idee und die Funktion – nämlich die Verteidigung ihrer unmittelbaren Heimat, ihrer Familien und ihres Besitzes – sich mit der Zielsetzung der später gegründeten Gebirgsschützenkompanien nicht nur decken, sondern über die Jahrhunderte gleich geblieben sind. Bewähren mussten sich die Wehrmannschaften unter anderem beim Aufstand der Schwazer Erzknappen aus Tirol 1525, in den Wirren des 30-jährigen Krieges gegen plündernde und brandschatzende, schwedische Truppen entlang der Loisach und der Isar, im Isarwinkel, im Inntal und in den Orten von Aibling und Rosenheim bis nach Kiefersfelden. 1703/1704 bewährten sich Mannschaften unter anderem aus den Landgerichten Reichenhall und Traunstein im Abwehrkampf gegen erneute Angriffe von Tiroler Seite. 1705 trieben die drückenden Lasten der kaiserlich-österreichischen Fremdherrschaft die Bayern landesweit in den Aufstand, der von der Landesdefension getragen wurde. In der »Sendlinger Mordweihnacht« brach dieser Aufstand in einer bitteren Niederlage zusammen. Sie forderte mit 1031 registrierten Gefallenen den höchsten Blutzoll in der langen Geschichte der Gebirgsschützen. 1742 vertrieben Isarwinkler Schützen die berüchtigten Trenck’schen Panduren. 1791 wurde in Reichenhall und in Traunstein erstmals ein eigenes Salinencorps aufgestellt.
Napoleonische Kriege fordern Gebirgsschützen erneut
1805 wurde die »Organisation eines Corps baierischer Gebirgsschützen« zum Schutz der bayerischen Südgrenze aufgebaut, nach 3 Monaten aber wieder aufgelöst. 1809 erhoben sich die Tiroler unter dem Kommando von Andreas Hofer gegen die bayerische Verwaltung. Ihre Schützenkompanien unternahmen regelmäßig räuberische und erpresserische Streifzüge gegen die Zivilbevölkerung entlang der gesamten bayerisch-tirolischen Grenze. Grund genug, noch 1809 wieder ein Gebirgsschützencorps unter dem Oberbefehl von Graf Arco einzurichten. Die Gebirgsschützen behaupteten sich in heftigen Kämpfen im Oberland sowie am Steinpaß bei Melleck. Nach erneut notwendigen Wachmaßnahmen im bayerisch-tirolischen Grenzgebiet im Jahr 1813 wurden die Gebirgsschützen als staatliche Organisation 1869 aufgelöst. Einige Kompanien bestanden ab diesem Zeitpunkt als privatrechtliche Vereinigungen weiter.
Aufgabe und Organisation der Gebirgsschützen im 20. und 21. Jahrhundert
Die Zeit ab 1900 steht ganz im Zeichen der Erinnerung an die vorangegangenen Ereignisse. Vornehmlich im Oberland wurden diverse Denkmäler wie das Schmied-von-Kochel-Denkmal in Kochel am See errichtet. 1919 stiftete Kronprinz Rupprecht die Landesschützenfahne, 1949 trafen sich historische Gebirgsschützenkompanien beim »Tag des Alpenländischen Volkstums« in Rottach-Egern zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg. 1951 wurde der »Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien« in Reichersbeuern gegründet und die Landesschützenfahne wurde Bundesfahne. 1975 fand die Proklamation der »Alpenregion der Schützen« in Innsbruck durch den »Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien«, den »Bund der Tiroler Schützenkompanien« und den »Südtiroler Schützenbund« statt.
Heute gehören dem »Bund der Bayerischen Gebirgsschützen« 47 Kompanien in sechs Landkreisen an.
Werner Bauregger
38/2013