Regensburg, ehemals Freie Reichsstadt und heute Weltkulturerbe
Ein Spaziergang durch eine mittelalterliche Stadt

Regensburg, Römerturm am Alten Kornmarkt, ein Relikt des ehemaligen Herzogshof der Agilolfinger.

Steinerne Brücke. Älteste, noch erhaltene Steinbrücke Deutschlands. Ein Wunder mittelalterlicher Baukunst.

Mauerreste der Porta Praetoria des ehemaligen römischen Heerlagers.
Bei einem Spaziergang durch die Stadt Regensburg, die in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, kann man sich ins Mittelalter zurückversetzt fühlen. Wenn man sich schon vorher einen Stadtplan besorgt hat, in dem auch die in diesem Bericht aufgeführten Sehenswürdigkeiten verzeichnet sind, wird man leicht den Parkplatz am Donaumarkt, in unmittelbarer Nähe von Dom und Altstadt, finden, den Ausgangspunkt dieses Berichts.
Das römische castra regina und die Steinerne Brücke
Vom Parkplatz am Donaumarkt aus ist auf dem Weg zur Altstadt der freigelegte Torturm der römischen Porta Praetoria nicht zu übersehen. Vom Nordturm des ehemaligen römischen Heerlagers, castra regina, mit einem rechteckigen Grundriss von 542 mal 453 m ist ein Teil freigelegt worden. In jeder Himmelsrichtung öffnete jeweils ein Tor den Zugang zum castrum, in dem die italische Legion mit bis zu 6 000 Soldaten stationiert war. An einem der vier Stadttore war eine Steintafel angebracht, deren Inschrift Auskunft über die Gründung des römischen Legionslagers im Jahre 179 n. Chr. gibt. Ein Teil der römischen Stadtmauer ist auch noch am Ernst-Reuter-Platz und an der Martin-Luther-Straße erhalten. Übrigens hatte Regensburg auch im Mittelalter eine wehrhafte Stadtmauer, von der 1830 noch 22 Tortürme erhalten waren. Heute ist nur noch das Ostentor von 1330 ein bedeutendes Relikt der Stadtmauer.
Auf die Straßenführung des Römerkastells ist es zurückzuführen, dass die Straßen und Gassen der Regensburger Altstadt heute in der Regel gerade und parallel verlaufen und sich rechtwinklig kreuzen. Vom Donaumarkt an der Donau entlang gelangt man zur Steinernen Brücke. Die älteste, noch erhaltene Steinbrücke gilt als bedeutendstes Architekturdenkmal Deutschlands und als „Wunder der Baukunst“. Neben dem Dom ist die Brücke ein Wahrzeichen der Stadt. Aus Kalk- und Sandsteinquadern von 1135 bis 1146 errichtet, sicherte sie von Ulm bis Wien den einzigen Donauübergang und war für die Entwicklung des Handels in der Stadt im Mittelalter von eminenter Bedeutung.
Von den drei die Brücke früher schützenden Türmen ist nur noch ein einziger erhalten. In der Flussmitte ist ein aufschäumender Wasserwirbel zu beobachten, der an das bekannte Lied erinnert: „Als wir einst in Regensburg waren.“ So gewaltig erschien den Zeitgenossen das Brückenbauwerk, dass es der Sage nach nur mit Hilfe des Teufels gelingen konnte. In der historischen Wurstküche sind angeblich schon die Brückenbauarbeiter eingekehrt, um Brotzeit zu halten. Die Wurstküche zählt zu ältesten Wirtshäusern der Stadt. Kaiser und Könige sind über die Brücke in die seit 1245 Freie Reichsstadt Regensburg eingezogen. Seit 1663 tagte in den Mauern der Stadt der Immerwährende Reichstag, dessen Beratungssaal im Reichstagsmuseum im Alten Rathaus zu besichtigten ist.
Folgenreicher Besuch Kaiser Karls V. beim Reichstag
Die Reichstagsbeschlüsse, die für das gesamte Heilige Römische Reich verbindlich waren, wurden auf Grund einer festen Verfahrensordnung gefasst. Weil die Stadt auf neutralem Boden, sowohl katholisch wie auch protestantisch besetzt, auch ihrer Größe nach eine repräsentative Unterbringung der Teilnehmer gewährleisten konnte, behielt Regensburg bis zur Auflösung des Reichs 1806 den Sitz des Reichtages. Auf dem Regensburger Reichstag von 1532 wurde auch das Strafgesetz der Constitutio Criminalis Carolina beschlossen. Über die Praxis der hier festgelegten Folter kann sich der Besucher im Reichstagsmuseum im Rathaus überzeugen. In der Fragstatt sind die noch im Original erhaltenen Folterinstrumente ausgestellt. Auf der Streckbank konnte der Scharfrichter dem Delinquenten die Glieder auseinanderziehen. An einem Holzgestell wurde der ausgestreckte Körper des Gefolterten bis an die Decke gezogen und an den Füßen mit Steingewichten beschwert. Während der Scharfrichter die Tortur vollzog, hatte der hinter einer Gitterwand platzierte Beobachter, übrigens ein Ratsmitglied, das Geständnis zu protokollieren.
Im Jahr 1546 besuchte Kaiser Karls V. den Regensburger Reichstag. In dem ehemaligen Gasthaus zum Goldenen Kreuz traf er die Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg. Der Kaiser, der vom fernen Spanien aus das Abendland regierte und in dessen Reich nach der Entdeckung Amerikas die Sonne nicht unterging, hat hier, wie es eine Tafel an der Hauswand erzählt, „zu guter Stund geküsst einer Jungfrau Mund“. Barbara Blomberg schenkte Kaiser Karl V. einen Sohn, der später als Don Juan d` Àustria in der Seeschlacht von Lepanto 1571 die Türken besiegte und als Retter des christlichen Abendlandes gefeiert wurde. Am nahen Zieroldsplatz ist das Bronzestandbild des am spanischen Hof zu hohen Ehren gekommenen Generals der spanischen Flotte zu bewundern.
Die Torplastik an der Schottenkirche
Im turmbewehrten Bau der „Neuen Waag“ am Haidplatz erinnert eine Malerei an das Streitgespräch, das hier der Theologen Johann Eck auf katholischer und Philipp Melanchton auf evangelischer Seite führten. Es war ein persönliches Anliegen des Kaisers, in dem von Martin Luther ausgelösten Religionsstreit einen Ausgleich zu finden. Der Kaiser wartete in Regensburg umsonst auf ein positives Ergebnis.
An der Ostseite des Alten Rathauses führt ein Durchgang zur Keplerstraße und zum Keplerhaus, das als Museum an den großen Mathematiker und Astronom Johannes Kepler erinnert. 1626 kam er als, „Exulant“ aus Linz vertrieben, nach Regensburg. In der Freien Reichsstadt fand er mit anderen, ihres protestantischen Glaubens wegen Verfolgten Zuflucht. Der Weg vom Rathaus zum Keplerhaus gibt einen Einblick in die gelungene Altstadtsanierung Regensburgs. Mitten in der Altstadt ist die Bausubstanz der mittelalterlichen Häuser erhalten geblieben und in einer gelungenen, architektonischen Sanierung modernen Wohnansprüchen angepasst worden. Blumengeschmückte Hinterhöfe und lauschige Winkel laden zum Verweilen ein. Damit ist in Regensburg Wohnen in der Altstadt wieder attraktiv geworden.
Ein weiteres Ziel eines Regensburg-Besuchs ist die nahe dem Bismarckplatz gelegene Schottenkirche St. Jakob. Das ehemalige Schottenkloster wurde im 11. Jahrhundert von irischen Mönchen gegründet, die als Missionare nach Bayern gekommen waren und irrtümlich für Schotten gehalten wurden. Um 1190 wurde das romanische Portal der Schottenkirche vollendet, das als bedeutendstes Werk romanischer Plastik im süddeutschen Raum gilt. Die Skulpturen des Portals dienten der Belehrung der Gläubigen und waren verbunden mit einem Hinweis auf den Lohn für die Gläubigen im Himmel und auf die Höllenstrafen für die Sünder. Sockel, Wandpfeiler und Dach bilden den Rahmen, das Quergesims die Gerichtsschranke, über der die Arkaden des Himmels und darunter Satan mit seinen Gehilfen angesiedelt sind. Fabelwesen, von denen eines einen Menschen verschlingt, und Tiergestalten gelten als Symbole des Bösen. In der Mitte thront Christus als Weltenrichter, umgeben von Johannes und Jakobus
Der gotische Dom St. Peter
Ein Besuch des gotischen Domes St. Peter ist der Höhepunkt einer Stadtbesichtigung. 105 m hoch ragen seine beiden Türme in den Himmel. Der Blick gleitet an der mit Figuren reich geschmückten Westfassade nach oben. Die Plastiken verkündeten den meist leseunkundigen Gläubigen das Evangelium. Schon 847 wird der „Bischofsitz bei St. Peter“ urkundlich erwähnt. Nach 1250 wurde mit dem Bau des Domes begonnen. Die beiden Spitztürme ließ erst 1860 König Ludwig I. aufsetzen. Die Einwohner der mittelalterlichen Stadt hätten drei Mal in dieser Kirche mit einer Grundfläche von 85 auf 35 m Platz gefunden. Die Mystik, die Kirchenbauten zur Ehre Gottes über alle Maße dieser Welt hinaus anstrebte, gibt eine Erklärung für die Dimension des Domes. Die bunten Glasfenster aus dem 14. Jahrhundert sind ein wesentliches Element der gotischen Lichtmystik. Ihre Motive erzählen u. a. vom Leben der Apostel, von der Passion Christi und dem Marienleben. An einem Wandpfeiler in der Nähe der Kanzel ist der lachende Engel ein vielfach beachtetes Motiv der Domplastik. Im südlichen Seitenschiff fällt der mit reichem, gotischem Gesprenge ausgestattete Ziehbrunnen auf. Die gotischen Kirchen waren im Mittelalter auch Zufluchtsstätten in Kriegszeiten. Dabei war die Versorgung der Menschen mit Wasser notwendig.
Noch vor dem Verlassen des Domes sollten man an der Innenseite des Westportals auch noch die beiden finsteren Gestalten betrachten, die sich in halbrunden Nischen verstecken. Der Volksmund hat sie als Teufel und seine Großmutter bezeichnet und damit die Absicht ihrer Künstler richtig gedeutet. Das Böse hatte nach mittelalterlicher Vorstellung sichtbare Gestalt. Als Teufelsfratzen und Gnome ist es auch an den Türmen und Mauervorsprüngen zu beobachten. An den heiligen Ort als Teufelsgestalt gebannt, sollte es so seine Schadenskraft verlieren.
Am Alten Kornmarkt liegt die Alte Kapelle. Der Kirche gegenüber steht der „Römer- oder Heidenturm“ als baulicher Restbestand des einstigen Herzogshofes der Agilolfinger. Die Agilolfinger regierten vom 6. bis zum 8. Jahrhundert als Herzöge in Bayern und hatte auf den Mauerresten des Römerkastells ihre Pfalz errichtet. Zum Herzogshof gehörte auch die „Neue Kapelle“, von der die erstmals 875 urkundlich erwähnte Alte Kapelle unterschieden wurde. Nach dem Sturz des Agilolfinger Herzogs Tassilo III. gliederte ließ Kaiser Heinrich II. 1002 den Herrschersitz der Agilolfinger dem von ihm beherrschten Bamberger Bistum ein, wo er bis zum Jahre 1604 verblieb. Als die Alte Kapelle baulich zu verfallen begann, gab der Kaiser die Sanierung der Kirche in Auftrag.
Die Alte Kapelle, ein Relikt der Agilolfinger Herzöge
Am Portal der Kirche erinnern zwei Nischenfiguren, volkstümlich als die „Beichte“ bezeichnet, an die mittelalterliche Herkunft der Kirche. Die beiden Figuren sind als Übergabe des Herzogsmantels als Zeichen der Würde an den neuen Amtsträger zu deuten. Der Innenraum der Kirche ist von einer phantastischen Rokokodekoration überzogen, deren Bildprogramm die Lebensgeschichte von Kaiser Heinrich II. erzählt. Licht, farbige Fresken und die dynamische Stuckdekoration mit Girlanden und Vasen sind Ausdruck einer beschwingten Rokokoarchitektur. Das Deckenfresko über der Orgelempore erinnert an die Taufe des Agilolfinger Herzogs Theodo durch den Salzburger Bischof Rupert und damit an die Christianisierung des Herzogtums.
Auf der barocken Bühne des Hochaltars steht in der Mitte die Himmelskönigin auf der Mondsichel, von Sternen und Engeln umgeben. Die überlebensgroßen Figuren des Stifterpaares Kaiser Heinrich II. und Kunigunde sind als Heilige der Gottesmutter an die Seite gestellt. Im Auszug thront Gott Vater auf der Weltenkugel neben dem Heiligen Geist über dem nach oben schwebenden Jesusknaben.
Die Grabstätten von zwei Heiligen in der St. Emmeramskirche
In einem Besuch der St. Emmerams-Kloster-Kirche sollten drei Grabstätten mit einbezogen werden. Eine davon, an der Mauer am Eingang vor der Kirche, erinnert an Johannes Thurmair, genannt Aventinus. Dieses in seiner künstlerischen Gestaltung beachtliche Grabmal ehrt, wie aus der Inschrift ersichtlich, Aventinus, den hervorragenden Gelehrten und scharfsinnigen Erforscher der bayerischen und deutschen Geschichte. Im Osten des Kirchenschiffs unter dem Hauptaltar ist in der sogenannten Ringkrypta der hl. Emmeram begraben. Als Missionar war Emmeram von Poitiers in Frankreich nach Regensburg an den Agilolfingischen Herzogshof gekommen. Die Tochter des Herzogs Theodo Uta war von einem Hofbeamten geschwängert worden. Nach der Legende empfahl ihr Emmeram, ihn als Vater auszugeben, um „sie vor dem Zorn der Familie zu schützen.“ Danach brach Emmeram zu einer Pilgerfahrt nach Rom auf. In Kleinhelfendorf bei München wurde er von Utas Bruder erschlagen. Als sich seine Unschuld herausstellte, wurde sein Leichnam nach Regensburg überführt und in der St. Georgs - Kirche bestattet, die zum Kern des um 690 gegründeten Klosters wurde. Mit der als Sühne für die Bluttat gedachten Klostergründung erstarkte auch die Machtstellung Regensburgs als ein von der christlichen Mission gefördertes Zentrum.
Unmittelbar nach dem romanischen Eingangsportal führen einige Stufen hinunter zur Wolfgangskrypta. Der hier in einem Hochgrab beigesetzte hl. Wolfgang hat als Reformbischof und Regensburger Bistumspatron einen in der bayerischen Kirchengeschichte bedeutenden Rang. Wolfgang, im schwäbischen Pfullingen um 925 geboren, wurde 972 zum Bischof von Regensburg geweiht. Mit der Abtrennung Böhmens vom Regensburger Bistum schuf Wolfgang ein neues, selbstständiges Missionsgebiet. Wolfgang wurde bald zum wundertätigen Volksheiligen, der auf seinen Missionsreisen in Bayern und in Österreich viele neue Kirchen weihte
Der barocke Kirchenraum von St. Emmeram erinnert an die beschwingten Rokokoformen der Alten Kapelle. Auch in St. Emmeram beleuchten die Sonnenstrahlen aus den Stichkappenfenstern die Deckenfresken. Heiligengestalten zwischen den Bildern aus dem Leben des hl. Emmeram und der reiche Stuck an den Wänden sind mit einer Theaterdekoration vergleichbar. Aus den Vasen auf der Fensterbalustrade züngeln Flammen nach oben. Der in einem feierlichen, dunklen Ton gehaltene Hochaltar gehört zu den in Moll gehaltenen Dekorationsformen der Kirche. Die Goldgirlanden über dem Altarbild, das Martyrium des hl. Emmeram verherrlichend, unterstreichen die von statischer, prunkvoller Schwere bestimmte Dekoration der Kirche. Das Deckenfresko „Das Martyrium römischer Christen in Regensburg“ ist von Cosmas Damian Asam signiert.
Die Geschlechtertürme, Zeugen eines erstarkten Bürgertums
Nach so vielen sakralen Kostbarkeiten verdienen die „Geschlechtertürme“ in der Altstadt noch die Aufmerksamkeit der Regensburg-Besucher. Die markanten Bürgerburgen mit den sie überragenden Türmen sind in keiner anderen deutschen Stadt in dieser Zahl anzutreffen. Von den ursprünglich 60 Patrizierburgen sind heute noch rund zwanzig erhalten geblieben. Am Watmarkt ( Hs. Nr. 4 ) steht man vor dem wuchtigen Turm des Baumburgerhauses. Mit 28 m ist er der höchste Geschlechterturm. Die über sieben Stockwerke verteilten Fenster sind mit angedeuteten Dachvorbauten und gotischen Säulen verziert, die an einen repräsentativen, herrschaftlichen Wohnbau und durchaus nicht nur an ein Lagerhaus erinnern.
Der älteste, vermutlich aus dem frühen 12. Jahrhundert stammende Turm steht in der Unteren Bachgasse Hs. Nr. 13. Er ist wie die meisten anderen Türme aus Bruchsteinmauern gebaut und an den Ecken besonders gefasst und verstärkt. Vor 1573 ist das „Goliathhaus“ in der gleichnamigen Straße gebaut worden, dessen Name auf die Fassadenmalerei an der Nordseite des Hauses hinweist. Der wuchtige, zinnengekrönte und mit gotischen Fenstern versehene Turm schließt sich einem Querbau mit zwei kleinen, aufgesetzten Ecktürmen an. Der Gesamtkomplex Goliathhaus ist ein markantes Beispiel einer wehrhaften und zugleich repräsentativen Bürgerburg.
Zu den herrschaftlichen Wohnbauten ist auch der Bischofshof am Krauterermarkt Hs. Nr. 3 zu zählen. Im Innenhof des Hotels Bischofshof ist die Vierflügelanlage der ehemaligen bischöflichen Residenz gut zu überblicken, die die römischen Festungsmauern mit einbezieht. In Regensburg war der Einfluss des Bischofs im Mittelalter beschränkt. In der freien Reichsstadt, in der schon im 16. Jahrhundert die Protestanten die Mehrheit der Einwohner ausmachten, hatte der Kaiser das Sagen und gleich danach kam der Magistrat, die Vertretung der Bürger. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Bischof außerhalb der Stadt, in Wörth an der Donau, eine wehrhaft Burg einrichten ließ.
Dieter Dörfler
Quellen: Herbert Schindler „Kunstführer Regensburg“; Matthias Freitag „Kleine Regensburger Stadtgeschichte“; Werner Dettelbacher DuMont Kunst-Reiseführer Regensburg
31/2011
Das römische castra regina und die Steinerne Brücke
Vom Parkplatz am Donaumarkt aus ist auf dem Weg zur Altstadt der freigelegte Torturm der römischen Porta Praetoria nicht zu übersehen. Vom Nordturm des ehemaligen römischen Heerlagers, castra regina, mit einem rechteckigen Grundriss von 542 mal 453 m ist ein Teil freigelegt worden. In jeder Himmelsrichtung öffnete jeweils ein Tor den Zugang zum castrum, in dem die italische Legion mit bis zu 6 000 Soldaten stationiert war. An einem der vier Stadttore war eine Steintafel angebracht, deren Inschrift Auskunft über die Gründung des römischen Legionslagers im Jahre 179 n. Chr. gibt. Ein Teil der römischen Stadtmauer ist auch noch am Ernst-Reuter-Platz und an der Martin-Luther-Straße erhalten. Übrigens hatte Regensburg auch im Mittelalter eine wehrhafte Stadtmauer, von der 1830 noch 22 Tortürme erhalten waren. Heute ist nur noch das Ostentor von 1330 ein bedeutendes Relikt der Stadtmauer.
Auf die Straßenführung des Römerkastells ist es zurückzuführen, dass die Straßen und Gassen der Regensburger Altstadt heute in der Regel gerade und parallel verlaufen und sich rechtwinklig kreuzen. Vom Donaumarkt an der Donau entlang gelangt man zur Steinernen Brücke. Die älteste, noch erhaltene Steinbrücke gilt als bedeutendstes Architekturdenkmal Deutschlands und als „Wunder der Baukunst“. Neben dem Dom ist die Brücke ein Wahrzeichen der Stadt. Aus Kalk- und Sandsteinquadern von 1135 bis 1146 errichtet, sicherte sie von Ulm bis Wien den einzigen Donauübergang und war für die Entwicklung des Handels in der Stadt im Mittelalter von eminenter Bedeutung.
Von den drei die Brücke früher schützenden Türmen ist nur noch ein einziger erhalten. In der Flussmitte ist ein aufschäumender Wasserwirbel zu beobachten, der an das bekannte Lied erinnert: „Als wir einst in Regensburg waren.“ So gewaltig erschien den Zeitgenossen das Brückenbauwerk, dass es der Sage nach nur mit Hilfe des Teufels gelingen konnte. In der historischen Wurstküche sind angeblich schon die Brückenbauarbeiter eingekehrt, um Brotzeit zu halten. Die Wurstküche zählt zu ältesten Wirtshäusern der Stadt. Kaiser und Könige sind über die Brücke in die seit 1245 Freie Reichsstadt Regensburg eingezogen. Seit 1663 tagte in den Mauern der Stadt der Immerwährende Reichstag, dessen Beratungssaal im Reichstagsmuseum im Alten Rathaus zu besichtigten ist.
Folgenreicher Besuch Kaiser Karls V. beim Reichstag
Die Reichstagsbeschlüsse, die für das gesamte Heilige Römische Reich verbindlich waren, wurden auf Grund einer festen Verfahrensordnung gefasst. Weil die Stadt auf neutralem Boden, sowohl katholisch wie auch protestantisch besetzt, auch ihrer Größe nach eine repräsentative Unterbringung der Teilnehmer gewährleisten konnte, behielt Regensburg bis zur Auflösung des Reichs 1806 den Sitz des Reichtages. Auf dem Regensburger Reichstag von 1532 wurde auch das Strafgesetz der Constitutio Criminalis Carolina beschlossen. Über die Praxis der hier festgelegten Folter kann sich der Besucher im Reichstagsmuseum im Rathaus überzeugen. In der Fragstatt sind die noch im Original erhaltenen Folterinstrumente ausgestellt. Auf der Streckbank konnte der Scharfrichter dem Delinquenten die Glieder auseinanderziehen. An einem Holzgestell wurde der ausgestreckte Körper des Gefolterten bis an die Decke gezogen und an den Füßen mit Steingewichten beschwert. Während der Scharfrichter die Tortur vollzog, hatte der hinter einer Gitterwand platzierte Beobachter, übrigens ein Ratsmitglied, das Geständnis zu protokollieren.
Im Jahr 1546 besuchte Kaiser Karls V. den Regensburger Reichstag. In dem ehemaligen Gasthaus zum Goldenen Kreuz traf er die Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg. Der Kaiser, der vom fernen Spanien aus das Abendland regierte und in dessen Reich nach der Entdeckung Amerikas die Sonne nicht unterging, hat hier, wie es eine Tafel an der Hauswand erzählt, „zu guter Stund geküsst einer Jungfrau Mund“. Barbara Blomberg schenkte Kaiser Karl V. einen Sohn, der später als Don Juan d` Àustria in der Seeschlacht von Lepanto 1571 die Türken besiegte und als Retter des christlichen Abendlandes gefeiert wurde. Am nahen Zieroldsplatz ist das Bronzestandbild des am spanischen Hof zu hohen Ehren gekommenen Generals der spanischen Flotte zu bewundern.
Die Torplastik an der Schottenkirche
Im turmbewehrten Bau der „Neuen Waag“ am Haidplatz erinnert eine Malerei an das Streitgespräch, das hier der Theologen Johann Eck auf katholischer und Philipp Melanchton auf evangelischer Seite führten. Es war ein persönliches Anliegen des Kaisers, in dem von Martin Luther ausgelösten Religionsstreit einen Ausgleich zu finden. Der Kaiser wartete in Regensburg umsonst auf ein positives Ergebnis.
An der Ostseite des Alten Rathauses führt ein Durchgang zur Keplerstraße und zum Keplerhaus, das als Museum an den großen Mathematiker und Astronom Johannes Kepler erinnert. 1626 kam er als, „Exulant“ aus Linz vertrieben, nach Regensburg. In der Freien Reichsstadt fand er mit anderen, ihres protestantischen Glaubens wegen Verfolgten Zuflucht. Der Weg vom Rathaus zum Keplerhaus gibt einen Einblick in die gelungene Altstadtsanierung Regensburgs. Mitten in der Altstadt ist die Bausubstanz der mittelalterlichen Häuser erhalten geblieben und in einer gelungenen, architektonischen Sanierung modernen Wohnansprüchen angepasst worden. Blumengeschmückte Hinterhöfe und lauschige Winkel laden zum Verweilen ein. Damit ist in Regensburg Wohnen in der Altstadt wieder attraktiv geworden.
Ein weiteres Ziel eines Regensburg-Besuchs ist die nahe dem Bismarckplatz gelegene Schottenkirche St. Jakob. Das ehemalige Schottenkloster wurde im 11. Jahrhundert von irischen Mönchen gegründet, die als Missionare nach Bayern gekommen waren und irrtümlich für Schotten gehalten wurden. Um 1190 wurde das romanische Portal der Schottenkirche vollendet, das als bedeutendstes Werk romanischer Plastik im süddeutschen Raum gilt. Die Skulpturen des Portals dienten der Belehrung der Gläubigen und waren verbunden mit einem Hinweis auf den Lohn für die Gläubigen im Himmel und auf die Höllenstrafen für die Sünder. Sockel, Wandpfeiler und Dach bilden den Rahmen, das Quergesims die Gerichtsschranke, über der die Arkaden des Himmels und darunter Satan mit seinen Gehilfen angesiedelt sind. Fabelwesen, von denen eines einen Menschen verschlingt, und Tiergestalten gelten als Symbole des Bösen. In der Mitte thront Christus als Weltenrichter, umgeben von Johannes und Jakobus
Der gotische Dom St. Peter
Ein Besuch des gotischen Domes St. Peter ist der Höhepunkt einer Stadtbesichtigung. 105 m hoch ragen seine beiden Türme in den Himmel. Der Blick gleitet an der mit Figuren reich geschmückten Westfassade nach oben. Die Plastiken verkündeten den meist leseunkundigen Gläubigen das Evangelium. Schon 847 wird der „Bischofsitz bei St. Peter“ urkundlich erwähnt. Nach 1250 wurde mit dem Bau des Domes begonnen. Die beiden Spitztürme ließ erst 1860 König Ludwig I. aufsetzen. Die Einwohner der mittelalterlichen Stadt hätten drei Mal in dieser Kirche mit einer Grundfläche von 85 auf 35 m Platz gefunden. Die Mystik, die Kirchenbauten zur Ehre Gottes über alle Maße dieser Welt hinaus anstrebte, gibt eine Erklärung für die Dimension des Domes. Die bunten Glasfenster aus dem 14. Jahrhundert sind ein wesentliches Element der gotischen Lichtmystik. Ihre Motive erzählen u. a. vom Leben der Apostel, von der Passion Christi und dem Marienleben. An einem Wandpfeiler in der Nähe der Kanzel ist der lachende Engel ein vielfach beachtetes Motiv der Domplastik. Im südlichen Seitenschiff fällt der mit reichem, gotischem Gesprenge ausgestattete Ziehbrunnen auf. Die gotischen Kirchen waren im Mittelalter auch Zufluchtsstätten in Kriegszeiten. Dabei war die Versorgung der Menschen mit Wasser notwendig.
Noch vor dem Verlassen des Domes sollten man an der Innenseite des Westportals auch noch die beiden finsteren Gestalten betrachten, die sich in halbrunden Nischen verstecken. Der Volksmund hat sie als Teufel und seine Großmutter bezeichnet und damit die Absicht ihrer Künstler richtig gedeutet. Das Böse hatte nach mittelalterlicher Vorstellung sichtbare Gestalt. Als Teufelsfratzen und Gnome ist es auch an den Türmen und Mauervorsprüngen zu beobachten. An den heiligen Ort als Teufelsgestalt gebannt, sollte es so seine Schadenskraft verlieren.
Am Alten Kornmarkt liegt die Alte Kapelle. Der Kirche gegenüber steht der „Römer- oder Heidenturm“ als baulicher Restbestand des einstigen Herzogshofes der Agilolfinger. Die Agilolfinger regierten vom 6. bis zum 8. Jahrhundert als Herzöge in Bayern und hatte auf den Mauerresten des Römerkastells ihre Pfalz errichtet. Zum Herzogshof gehörte auch die „Neue Kapelle“, von der die erstmals 875 urkundlich erwähnte Alte Kapelle unterschieden wurde. Nach dem Sturz des Agilolfinger Herzogs Tassilo III. gliederte ließ Kaiser Heinrich II. 1002 den Herrschersitz der Agilolfinger dem von ihm beherrschten Bamberger Bistum ein, wo er bis zum Jahre 1604 verblieb. Als die Alte Kapelle baulich zu verfallen begann, gab der Kaiser die Sanierung der Kirche in Auftrag.
Die Alte Kapelle, ein Relikt der Agilolfinger Herzöge
Am Portal der Kirche erinnern zwei Nischenfiguren, volkstümlich als die „Beichte“ bezeichnet, an die mittelalterliche Herkunft der Kirche. Die beiden Figuren sind als Übergabe des Herzogsmantels als Zeichen der Würde an den neuen Amtsträger zu deuten. Der Innenraum der Kirche ist von einer phantastischen Rokokodekoration überzogen, deren Bildprogramm die Lebensgeschichte von Kaiser Heinrich II. erzählt. Licht, farbige Fresken und die dynamische Stuckdekoration mit Girlanden und Vasen sind Ausdruck einer beschwingten Rokokoarchitektur. Das Deckenfresko über der Orgelempore erinnert an die Taufe des Agilolfinger Herzogs Theodo durch den Salzburger Bischof Rupert und damit an die Christianisierung des Herzogtums.
Auf der barocken Bühne des Hochaltars steht in der Mitte die Himmelskönigin auf der Mondsichel, von Sternen und Engeln umgeben. Die überlebensgroßen Figuren des Stifterpaares Kaiser Heinrich II. und Kunigunde sind als Heilige der Gottesmutter an die Seite gestellt. Im Auszug thront Gott Vater auf der Weltenkugel neben dem Heiligen Geist über dem nach oben schwebenden Jesusknaben.
Die Grabstätten von zwei Heiligen in der St. Emmeramskirche
In einem Besuch der St. Emmerams-Kloster-Kirche sollten drei Grabstätten mit einbezogen werden. Eine davon, an der Mauer am Eingang vor der Kirche, erinnert an Johannes Thurmair, genannt Aventinus. Dieses in seiner künstlerischen Gestaltung beachtliche Grabmal ehrt, wie aus der Inschrift ersichtlich, Aventinus, den hervorragenden Gelehrten und scharfsinnigen Erforscher der bayerischen und deutschen Geschichte. Im Osten des Kirchenschiffs unter dem Hauptaltar ist in der sogenannten Ringkrypta der hl. Emmeram begraben. Als Missionar war Emmeram von Poitiers in Frankreich nach Regensburg an den Agilolfingischen Herzogshof gekommen. Die Tochter des Herzogs Theodo Uta war von einem Hofbeamten geschwängert worden. Nach der Legende empfahl ihr Emmeram, ihn als Vater auszugeben, um „sie vor dem Zorn der Familie zu schützen.“ Danach brach Emmeram zu einer Pilgerfahrt nach Rom auf. In Kleinhelfendorf bei München wurde er von Utas Bruder erschlagen. Als sich seine Unschuld herausstellte, wurde sein Leichnam nach Regensburg überführt und in der St. Georgs - Kirche bestattet, die zum Kern des um 690 gegründeten Klosters wurde. Mit der als Sühne für die Bluttat gedachten Klostergründung erstarkte auch die Machtstellung Regensburgs als ein von der christlichen Mission gefördertes Zentrum.
Unmittelbar nach dem romanischen Eingangsportal führen einige Stufen hinunter zur Wolfgangskrypta. Der hier in einem Hochgrab beigesetzte hl. Wolfgang hat als Reformbischof und Regensburger Bistumspatron einen in der bayerischen Kirchengeschichte bedeutenden Rang. Wolfgang, im schwäbischen Pfullingen um 925 geboren, wurde 972 zum Bischof von Regensburg geweiht. Mit der Abtrennung Böhmens vom Regensburger Bistum schuf Wolfgang ein neues, selbstständiges Missionsgebiet. Wolfgang wurde bald zum wundertätigen Volksheiligen, der auf seinen Missionsreisen in Bayern und in Österreich viele neue Kirchen weihte
Der barocke Kirchenraum von St. Emmeram erinnert an die beschwingten Rokokoformen der Alten Kapelle. Auch in St. Emmeram beleuchten die Sonnenstrahlen aus den Stichkappenfenstern die Deckenfresken. Heiligengestalten zwischen den Bildern aus dem Leben des hl. Emmeram und der reiche Stuck an den Wänden sind mit einer Theaterdekoration vergleichbar. Aus den Vasen auf der Fensterbalustrade züngeln Flammen nach oben. Der in einem feierlichen, dunklen Ton gehaltene Hochaltar gehört zu den in Moll gehaltenen Dekorationsformen der Kirche. Die Goldgirlanden über dem Altarbild, das Martyrium des hl. Emmeram verherrlichend, unterstreichen die von statischer, prunkvoller Schwere bestimmte Dekoration der Kirche. Das Deckenfresko „Das Martyrium römischer Christen in Regensburg“ ist von Cosmas Damian Asam signiert.
Die Geschlechtertürme, Zeugen eines erstarkten Bürgertums
Nach so vielen sakralen Kostbarkeiten verdienen die „Geschlechtertürme“ in der Altstadt noch die Aufmerksamkeit der Regensburg-Besucher. Die markanten Bürgerburgen mit den sie überragenden Türmen sind in keiner anderen deutschen Stadt in dieser Zahl anzutreffen. Von den ursprünglich 60 Patrizierburgen sind heute noch rund zwanzig erhalten geblieben. Am Watmarkt ( Hs. Nr. 4 ) steht man vor dem wuchtigen Turm des Baumburgerhauses. Mit 28 m ist er der höchste Geschlechterturm. Die über sieben Stockwerke verteilten Fenster sind mit angedeuteten Dachvorbauten und gotischen Säulen verziert, die an einen repräsentativen, herrschaftlichen Wohnbau und durchaus nicht nur an ein Lagerhaus erinnern.
Der älteste, vermutlich aus dem frühen 12. Jahrhundert stammende Turm steht in der Unteren Bachgasse Hs. Nr. 13. Er ist wie die meisten anderen Türme aus Bruchsteinmauern gebaut und an den Ecken besonders gefasst und verstärkt. Vor 1573 ist das „Goliathhaus“ in der gleichnamigen Straße gebaut worden, dessen Name auf die Fassadenmalerei an der Nordseite des Hauses hinweist. Der wuchtige, zinnengekrönte und mit gotischen Fenstern versehene Turm schließt sich einem Querbau mit zwei kleinen, aufgesetzten Ecktürmen an. Der Gesamtkomplex Goliathhaus ist ein markantes Beispiel einer wehrhaften und zugleich repräsentativen Bürgerburg.
Zu den herrschaftlichen Wohnbauten ist auch der Bischofshof am Krauterermarkt Hs. Nr. 3 zu zählen. Im Innenhof des Hotels Bischofshof ist die Vierflügelanlage der ehemaligen bischöflichen Residenz gut zu überblicken, die die römischen Festungsmauern mit einbezieht. In Regensburg war der Einfluss des Bischofs im Mittelalter beschränkt. In der freien Reichsstadt, in der schon im 16. Jahrhundert die Protestanten die Mehrheit der Einwohner ausmachten, hatte der Kaiser das Sagen und gleich danach kam der Magistrat, die Vertretung der Bürger. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Bischof außerhalb der Stadt, in Wörth an der Donau, eine wehrhaft Burg einrichten ließ.
Dieter Dörfler
Quellen: Herbert Schindler „Kunstführer Regensburg“; Matthias Freitag „Kleine Regensburger Stadtgeschichte“; Werner Dettelbacher DuMont Kunst-Reiseführer Regensburg
31/2011