Jahrgang 2017 Nummer 21

Protestantischer Glaube und barocke Hofkultur

Hinter den meist schlichten Fassaden evangelischer Kirchen verbergen sich oft prachtvolle Gotteshäuser

Die Ordenskirche in Bayreuth gehört zu den Markgrafenkirchen. Merkmale sind unter anderem die über dem Altar positionierte Kanzel und zwei Emporen.
Blick auf den Altar der Ordenskirche in Bayreuth.
Die brandenburgischen Markgrafen haben im 18. Jahrhundert höfischen Glanz nach Nordbayern gebracht. Im einstigen Markgrafentum Bayreuth-Kulmbach-Ansbach zeugen nicht nur Schlösser, Parkanlagen und ein prunkvolles Opernhaus von der Baubegeisterung seiner Herrscher. Auch die Architektur vieler Kirchen haben sie geprägt. Die Kulturwissenschaftlerin Karla Fohrbeck spricht von »Schätzen, die hier schlummern«. Im Jahr des Reformationsjubiläums sollen diese Schätze nun gehoben und der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Der Kirchenkreis Bayreuth hat hierfür eigens die auf drei Jahre angelegte Stelle eines Markgrafenkirchen-Beauftragten geschaffen, die der ehemalige Dekan Hans Peetz übernommen hat.

»Wir haben hier ein Kulturgut europäischen Ranges«, sagt Peetz. Bei kirchlichem Barock denke man automatisch an Oberbayern und an die Wieskirche – da könnten die Markgrafenkirchen aber durchaus mithalten. Alleine in und um Bayreuth gebe es 50 Kirchen aus der Zeit des Markgrafentums. Ziel sei es nun, diese zu inventarisieren, kunstgeschichtlich und architektonisch zu erfassen sowie touristisch zu erschließen. Das bedeute auch, dass sie geöffnet werden müssen.

Die frühere Nürnberger Kulturreferentin Fohrbeck ist die treibende Kraft hinter dem Projekt. Ihr sei es ein Anliegen, die Menschen auf diese Schätze aufmerksam zu machen, sagt die 74-Jährige. Nach und nach gewann sie Bayreuths Regionalbischöfin Dorothea Greiner und weitere Mitstreiter für ihre Idee.

Eineinhalb Jahre lang habe sie die Kirchen in den Landkreisen Bayreuth und Kulmbach »abgegrast«, erzählt Fohrbeck. Jeden Sonntag vor oder nach den Gottesdiensten – ansonsten sind die meisten evangelischen Kirchen zugesperrt – hat sie die Gebäude dokumentiert und fotografiert. Daraus entstand ein Markgrafenkirchen-Führer.

Es sei der protestantische Barockund Rokoko-Stil, der diese Kirchen so besonders mache. Hier spiegele sich die Hofkultur. Teilweise seien in den Kirchen dieselben Künstler tätig gewesen wie im Opernhaus, im Neuen Schloss oder in der Eremitage in Bayreuth. »Das ist ein sehr hohes Niveau.« Diese höfische Kunst gehe einher mit bäuerlicher und volkstümlicher Malerei. »Das verbindet sich sehr harmonisch und ist nicht so überladen wie der katholische Barock.«

Typische Stil-Elemente der Markgrafenkirchen sind unter anderem: dreiseitig umlaufende Doppel-Emporen, der vor dem Altar stehende Taufstein sowie der Kanzelaltar, über dem oft auch die Orgel platziert ist. Die Verkündung der Schrift in Wort und Musik bildet so eine Einheit mit den Sakramenten der Taufe und des Abendmahls.

Für den Adel gibt es eigene Logen, und in der Regel haben sich die Bauherren auf oder über dem Altar mit ihren Wappen und Initialen verewigt. Dabei sei es weniger um Selbstverherrlichung gegangen, sagt Fohrbeck. Vielmehr steckten die Markgrafen so in Zeiten ständiger Auseinandersetzungen mit den Katholiken ihr Revier ab. Zudem hätten sie sich noch als Herrscher von Gottes Gnaden verstanden.

Die Epoche der Markgrafen im heutigen Ober- und Mittelfranken reicht vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert. Sie bauten neue Kirchen nach ihren Vorstellungen oder widmeten aus vorreformatorischer Zeit stammende Kirchen in protestantische Gotteshäuser um. Ihren Höhepunkt erlebte das Markgrafentum zur Zeit Wilhelmines von Bayreuth. Die Bauherrin habe bei der Planung einiger Kirchen, etwa in den im heutigen Landkreis Kulmbach gelegenen Orten Trebgast und Neudrossenfeld, aktiv mitgewirkt, berichtet Fohrbeck.

Um diese kulturellen Kleinode für Besucher zugängig zu machen, müssten die Kirchen – wie bei den Katholiken – ständig geöffnet sein, betonen Fohrbeck und Peetz unisono. »Da sind sicherlich noch Schwellen zu überwinden«, sagt Peetz. Da gehe es um Fragen wie: »Wer sperrt die Kirche auf und zu? Wer ist Ansprechpartner? Wie können die Kirchen vor Vandalismus gesichert werden?«

Etwa 730 von 1650 evangelischen Kirchengebäuden in Bayern sind nach Auskunft der Landeskirche (ELKB) bereits an dem Projekt »Unsere Kirche ist offen« beteiligt. Schilder kennzeichnen sie, Besucher können sie zu festen Zeiten aufsuchen. Die Erfahrungen seien überwiegend positiv, sagt Sprecher Johannes Minkus. Es gebe erstaunlich wenig Probleme mit Vandalismus. Die Bereitschaft von Kirchengemeinden, ihre Gotteshäuser zu öffnen, steige: Zurzeit kämen etwa zwei Anträge pro Woche hinzu, sagt Minkus. »Zumeist aus Oberfranken.«

 

Ute Wessels

 

21/2017