Piekfeine Porträts in Pastell
In Münchens Alter Pinakothek ist eine spezielle Art der barocken Malerei zu entdecken




Pasta. Wer einmal »italienisch« speiste, weiß Bescheid: pasta asciutta, pasta al forno, pasta al limone. Hmm! In der bildenden Kunst ist Pasta nichts zum Essen, sondern etwas zum Malen. Da geht es um den Farbteig, aus dem Pastellkreiden geformt werden. Bei der Pastellmalerei werden die trockenen Farben flächendeckend aufgetragen. Das Bild muss unter Flachglas liegen. »Die Verglasung schützt die Oberfläche vor Berührung und Staub, der, liegt er auf der Oberfläche, nicht mehr zu entfernen ist«, weiß Ulrike Fischer. Sie warnt davor, in Pastell gefertigte Porträts, die einen Zierrahmen besitzen, um- oder auszurahmen. Also: eine heikle Angelegenheit, mit der sich gerade eine äußerst sehenswerte Ausstellung in der Alten Pinakothek beschäftigt. Sie trägt einen französischen Titel: »Vive le Pastel!« und erwähnt einige Namen als »Größen« der Pastellmalerei: zuerst Joseph Vivien (in Lyon 1657 geboren, in Bonn 1734 gestorben), dann Maurice Quentin de La Tour (1704 bis 1788), Rosalba Carriera als Begründerin der französischen Pastellmalerei, den Schweizer Joseph Lander, der 1790 in München starb und Jean-Étienne Liotard aus Genf.
Herrn Vivien nannte man den »van Dyck der Pastellmalerei«. Einige seiner Pastellgemälde sind in der Ausstellung zu sehen. Ein Selbstbildnis, das mit der Warze auf der linken Wange und der Pelzmütze auf dem Kopf, gelangte 1799 von Mannheim nach München. Es ist ein Pastellbild auf blauem Papier auf braunrot grundierter Leinwand im Spannrahmen und entstand 1730. Ein anderes Selbstbildnis schaut, wie es gehängt ist, eines seiner berühmtesten Werke direkt an: das piekfeine Pastell des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel von Bayern (1662 bis 1726). Um 1700 entstanden, ist es ungewöhnlich groß: 132,5 mal 106 cm. Für die Ausstellung hat man es aus der Kurfürstlichen Galerie Schleißheim geholt.
Zugegeben: einprägsamer ist ein »lebendiges Ölbild«, das Herrn Vivien vor genau 300 Jahren gelang. Es zeigt den ältesten Sohn Max Emanuels, Karl Albrecht als 27- Jährigen, als er die Herzogin Maria Amalia von Österreich zur Frau nahm. Als Pastell-Künstler genoss Vivien den Ruf, noch lebendiger und wirklichkeitstreuer zu arbeiten denn als Ölmaler.
Viele Besucher, ob männlich oder weiblich, bleiben außergewöhnlich lange vor einer sanften PastellArbeit stehen: »Das Frühstück«, entstanden um 1752, geschaffen von Jean Étienne Liotard. Es gehört der Sammlung HypoVereinsbank und hängt seit 1974 als Leihgabe in der Alten Pinakothek, so dass es vielleicht längst der eine oder andere Besucher wahrgenommen und bewundert hat. Es misst 67,3 mal 54 cm und ist auf Pergament gemalt. Wohlgemerkt mit Pastellfarben. Die Expertin Elisabeth Hipp verrät, dass es sich keiner klassischen Gattung eindeutig zuordnen lässt. Auch wenn die junge Dame, der hier Schokolade serviert wird, Züge eines Porträts besitzt, dürfte es doch nicht als eine Auftragsarbeit anzusehen sein und eine ganz bestimmte Person abbilden. Egal, dieses Bild ist so faszinierend, dass man sich auch ohne eine Zuordnung schwer von ihm trennen kann.
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Geöffnet: Dienstag und Mittwoch von 10 bis 20.30 Uhr, Donnerstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. – Bis 23. Oktober 2022.
Hans Gärtner
40/2022