Jahrgang 2011 Nummer 12

Pfarrer Korntheur war die treibende Kraft beim Kirchenneubau

Bereits im zweiten Jahr seiner Amtsführung konnte in Chieming Richtfest gefeiert werden



Der Innenraum der Chieminger Pfarrkirche nach dem Neubau.

Der Innenraum der Chieminger Pfarrkirche nach dem Neubau.
Conrad Korntheur, Pfarrer von Chieming von 1880 bis 1911.

Conrad Korntheur, Pfarrer von Chieming von 1880 bis 1911.
Alte Chieminger Pfarrkirche

Schon seit 1850 wurden Überlegungen angestellt, wie in der alten Kirche von Chieming, die zu klein geworden war, weitere Plätze gewonnen werden könnten. So ist in der Festschrift zur Kirchenweihe 1885 zu lesen, »dass innere Einrichtung des Gotteshauses so herabgekommen und verwahrloset war, dass man nicht ohne Wehmut seinen Fuß über die Schwelle der Kirche setzen konnte«. Es war unter anderem geplant, ein weiteres nördliches Seitenschiff oder im Altarraum, statt der heutigen beiden Sakristeien, kleine Seitenschiffe anzubauen. Doch fanden anscheinend diese Pläne nicht die Zustimmung der Kirchenverwaltung. Erst als die erforderlichen Mittel von 46 500 Mark ausgewiesen werden konnten, ging man 1882 daran, das alte Kirchenschiff durch einen völligen Neubau zu ersetzen. Die Festschrift berichtet: »Für die neue Kirche hatte man den romanischen Baustyl gewählt, wofür noch heute der Glockenthurm ein deutliches Zeugniß ablegt«. Im März 1882 wurde mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen. Dabei kamen drei Römersteine zum Vorschein, die sich heute im Turmgeschoß befinden.

Römersteine

Den Erhalt der Römersteine verdankt man wohl dem Umstand, dass man aus Kostengründen 'jeden Stein' verwendete und so unbeabsichtigter Weise für den Erhalt dieser wertvollen Römersteine beitrug.

Den Kirchenturm und die rückwärtige Westwand ließ Baumeister Michael Gaisberger stehen und bezog ihn in den späteren Neubau mit ein. Statische Überlegungen dürften für diese Vorgehensweise ausschlaggebend gewesen sein. Denn auch in anderen Kirchen, die Gaisberger umbaute, ließ er jeweils den Turm und die dazugehörige Westfassade stehen.

Bei den Abbrucharbeiten fielen auch Teile des Anstrichs von der Westwand herunter und ließen Teile eines Freskos vom Jüngsten Gericht zum Vorschein kommen. Wenige Ausschnitte wurden restauriert und sind noch heute in der Chieminger Kirche gut erhalten geblieben.

Nothkirche

Während des Kirchenneubaus – von März 1882 bis November 1883 – wurden die Messfeiern in einer 'Nothkirche' abgehalten. Diese Nothkirche stand auf dem Grundstück zwischen Egerer Straße, Seitzstraße und Oberwirt und hatte einen Betraum von 15,7 mal 10 Metern.

In den Traunsteiner Nachrichten vom 27. September 1884 findet man folgende Zeilen zum vollendeten Kirchenbau in Chieming: »Regt es sich doch allenthalben in bayer. Landen, wenn es gilt, dem Herrn ein Haus zu bauen. Könnte und dürfte da der reich gesegnete Chiemgau zurückstehen? Daß dieses nicht der Fall ist, beweisen die seit zwei Dezennien zum größten Theile mit vorzüglichem Kunstgeschmacke restaurierten Kirchen. Einen ganz würdigen, ehrenvollen Platz behauptet in diesem Kranze die im heurigen Jahre vollendete, neugebaute Pfarrkirche in Chieming, Bezirks Traunstein.«

Neue Chieminger Pfarrkirche

Und weiter: »Eine reich ausgestattete, romanische Kirche ist über der alten, geschmacklos verzopften, völlig herabgekommenen Kirche erstanden. Beim ersten Eindrucke, den man bei deren Besichtigung gewinnt, drängt sich die Überzeugung auf, daß keine gewöhnliche Hand, dass eine Meisterhand hier gearbeitet. Prüft das nur halbwegs geübte Auge den stattlichen Bau, so erblickt man einen renommirten Baumeister. Wer kennt ihn nicht, den alten 79-Jährigen, noch mit jugendlicher Frische arbeitenden Meister Gaisberger aus Wasserburg.«

Innenraum nach dem Neubau

Zur Innenraumgestaltung nehmen wir einen weiteren Beitrag aus den Traunsteiner Nachrichten: »Wir haben ein bei reicher Mannigfaltigkeit einheitlich geordnetes, harmonisches Ganze vor uns. Man muß stets im Auge behalten, daß ein romanischer Bau doppelt wirkt, wenn der kunstfertige Pinsel den flachen Wänden eine entsprechende Bekleidung gibt. Sättigen auch hier die Farben, die Komposition, das Kolorit ist so gegeben, daß beim Auge keine Erschöpfung, sondern volles Leben eintritt. Die Teppichmalerei an den Wänden ist so gehalten in frischen, lebendigen Mustern. Die Bordirrung enthält gut ausgewählte, theilweise noch alte Dessins.« … »Die Altäre, so einfach, so korrekt in ihrer Anlage konstruirt und dabei in so reichen Tönen gehalten, gingen aus Elsner‘s Atelier hervor, das keine Altarschreiner besitzt.«

Festschrift

Die Festschrift von den Feierlichkeiten zur »Kirchweihe in Chieming am 21. Juni 1885« berichtet sehr ausführlich von dieser erhebenden Zeremonie. Sie lässt kein noch so kleines Detail unter den Tisch fallen und macht es zudem möglich, ein detailliertes Bild von Pfarrer Korntheur zu zeichnen.

Zunächst ist er wohl derjenige, der die langwierigen Planungen zum Kirchenneubau zu Ende bringt, denn nicht einmal zwei Jahre nach seiner Amtseinführung ist im August 1882 die Hebefeier.

Pfarrer Korntheur gelang es offensichtlich erstaunlich schnell, den »Draht« zu den Chiemingern zu finden, denn die Eigenleistungen der Pfarrgemeinde für den Kirchenneubau sind beachtlich: »Die Pfarrgemeinde lieferte ferner das Bau- und Gerüstholz unentgeltlich und verpflichtete sich für die ganze Zeit des Baues zur Leistung von Hand- und Spanndiensten« und weiter »im Geldwerth veranschlagt auf 14 260 Mark« (Festschrift).

Bei der Grundsteinlegung hält Pfarrer Korntheur »in kräftigen, warmen Worten eine Anrede an die Versammelten« – ein Pfarrer, der für jede Gelegenheit die passenden Worte parat hat.

Doch nicht nur die religiösen Angelegenheiten waren für Korntheur in seiner Gemeinde von Bedeutung. Als am 24. November 1901 im Saal des Gasthofes Unterwirt ein Darlehensverein gegründet wurde, wählte man ihn zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates.

Wie aus der Gründungsurkunde dieses Darlehensvereins zu entnehmen ist, war Korntheur mittlerweile zum Dekan aufgestiegen und erhielt später sogar den Titel des Geistlichen Rates.

Sepp Linner



12/2011