Jahrgang 2014 Nummer 5

Per Pferd und Jakobsstab Bayern bis ins Detail vermessen

Philipp Apian präsentierte vor 450 Jahren seine Landtafel

Karte mit Wappen bayerischer Städte aus einem Druck von 1651, in dem die große Landtafel in einem Buch in 24 Abschnitte zerlegt ist.
Philipp Apian neben seinem Globus. Ausschnitt vom Flügelalter im Ingolstädter Münster.
Eine Skizze aus einem Buch von Vater Apian zeigt die Verwendung des Jakobstabs für Messungen.
Philipp Apian, Holzschnitt um 1596.
Diese Zeichnung von Traunstein aus dem Nachlass Philipp Apians entstand bei der Arbeit zur Landtafel.

Er war das, was man heute ein Multitalent nennen würde: Mathematiker, Mediziner, Drucker, Geograph, Globetrotter. Und er hat für Bayern die erste maßstabsgetreue Landkarte der Welt gezeichnet, wobei seine Karte so exakt war, dass selbst Napoleon sie über 200 Jahre später noch bei seinen Feldzügen verwendete. Vor genau 450 Jahren hat Philipp Apian dieses Meisterwerk präsentiert, das er im Auftrag von Herzog Albrecht V. von Bayern fertigte.

Eine Ausstellung in der Bayerischen Staatsbibliothek erinnert bis 16. Februar 2014 an Apians Pioniertat und bietet eine Gesamtschau der kartografischen und vermessungshistorischen Entwicklung Bayerns. Zu bestaunen ist dabei nicht nur eine Reproduktion der fünf mal fünf Meter großen »Landtafel« Apians – das Original existiert nicht mehr, sondern erstmals auch ein 3D-Globus, den die Bayerische Staatsbibliothek gemeinsam mit dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (Berlin) entwickelt hat. Die Ausstellungsbesucher können damit selbstständig den historischen Globus von Philipp Apian erkunden, den er ebenfalls für Herzog Albrecht baute.

Philipp Apian kam 1531 als viertes von 14 Kindern eines Hochschulprofessors und einer Landshuter Ratsherrentochter in Ingolstadt zur Welt. Vater Peter Apian stammte aus dem sächsischen Leisnig in der Nähe von Grimma und hieß eigentlich Bienewitz, was übersetzt Bienendorf heißt. Der angehende Wissenschaftler Peter fand den Namen »Bienendorf« nicht passend für einen Gelehrten und gab sich, wie etliche Zeitgenossen übrigens auch, einen neuen Namen. Aus Peter Bienewitz wurde so Petrus oder Peter »Apian« von lateinisch »apis« = Biene. Sein Studium hatte Apian senior in Leipzig begonnen und in Wien fortgesetzt. 1527 bekam Peter Apian eine Professur an der Universität in Ingolstadt und eröffnete dazu noch einen Druckerbetrieb, wo er eigene und fremde Werke zu Papier brachte. So stammt zum Beispiel die heute älteste Landkarte von Ungarn, die »Tabula Hungariae« von 1528 aus den Druckerpressen Apians.

Peter Apian muss als Lehrer hoch geschätzt worden sein, denn 1537 wird ihm die Ehre zuteil, niemand anderen als den bayerischen Thronfolger Prinz Albrecht, damals neun Jahre alt, zu unterrichten. Und weil es sich auch für einen hochwohlgeborenen Jüngling besser in Gesellschaft lernt, darf der kleine Philipp Apian zusammen mit dem Pagen des Prinzen an den Lektionen teilnehmen.

Mit elf Jahren ist die Lehrzeit beim Vater für Philipp beendet und er beginnt ein Studium an der Universität in Ingolstadt. Wer sich jetzt wundert: Ein derart junges Einstiegsalter an Hochschulen war damals eher die Regel als die Ausnahme; Martin Luthers ältester Sohn Johannes war sogar schon mit sieben Jahren Student. Philipp Apian blieb sieben Jahre an der Hochschule seines Geburtsorts, dann packte ihn das Fernweh und er setzte als 18-Jähriger seine Studien in Burgund, Paris und Bourges fort. Dass er zusätzlich zur Mathematik auch noch Medizin studierte, erscheint ungewöhnlich, erklärt sich aber aus der Struktur der damaligen Universitäten. Alle Studenten hatten dort erst einmal einige Jahre an allgemeinen Fächern zu durchlaufen wie Rhetorik, Grammatik und Logik, anschließend folgten Arithmetik, Mathematik, Astronomie und Musik, die man mit einem Magister abschloss und erst im letzten Abschnitt kamen dann die drei eigentlichen universitären Fächer Theologie, Recht, Medizin und Philosophie an die Reihe. 1552 kehrte Philipp nach Ingolstadt zurück, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Peter Apian war kurz nach seinem 57. Geburtstag verstorben und sein Sohn übernahm nicht nur den Druckerbetrieb, sondern auch dessen Professorenstelle. 1554 sollte er dann den Auftrag seines Lebens bekommen: Sein alter Schulkamerad, jetzt Herzog Albrecht V. von Bayern, wollte sein gesamtes Reich vermessen lassen. Sieben Jahre lang reist Apian dafür Sommer für Sommer durch alle Teile Bayerns, misst und kartographiert, um dann anschließend innerhalb von zwei Jahren seine raumgroße »Landtafel« zu zeichnen.

Unter Höhenangst dürfte der junge Wissenschaftler auf jeden Fall nicht gelitten haben, denn für seine Messungen muss er nicht nur die bayerischen Berge erklimmen, sondern auch auf Kirch- und Burgtürme klettern. Als Messinstrument dient ihm dabei vor allem der sogenannte Jakobsstab, mit dem er die Höhe von Gebäuden ermitteln kann. Diesen Wert braucht er, um danach, ebenfalls mit dem Jakobsstab, eine bestimmte Entfernung mit Ausgangspunkt an eben jenem Gebäude zu bestimmen.

Der Jakobsstab bestand aus einem handlichen, mit einer Skala versehenen Basisstab, der am unteren Jochbein am Auge angesetzt wurde. Mit Hilfe eines verschiebbaren Querstabes konnte der Horizont ermittelt und anschließend mit mathematischen Formeln die angepeilte Entfernung vom eigenen Standort aus berechnet werden. Den Namen hat das Messgerät vom Pilgerstab, der ähnlich aussieht.

Bei den Messungen wird Philipp von seinem Bruder Timotheus unterstützt, den dabei aber ein schreckliches Schicksal ereilen sollte: Auf einer der Touren stürzt er vom Pferd und zieht sich dabei tödliche Verletzungen zu. Doch Philipp Apian kann auch ein erfreuliches Ereignis in seinem Tagebuch notieren: Er lernt unterwegs seine spätere Ehefrau kennen, die Rosenheimer Kastnerstochter Sabina Scheuchenstuel. Wahrscheinlich hätte Apian dann auch sein Leben in Ingolstadt im Kreise der Familie als in Würden ergrauter Gelehrter beendet, hätte nicht der Lauf der Politik ihn vollkommen aus der Bahn geworfen.

In den 1560er Jahren setzte in Bayern eine Welle der Gegenreformation ein, die alle vom Katholizismus abgefallenen Schäfchen wieder zum »richtigen« Glauben zurückführen sollte. Und das, wenn nötig, mit Gewalt. Philipp Apian sah sich als überzeugter Protestant nun zunehmend in die Enge gedrängt. Als sich die Professoren an der Universität 1568 per Eid zum Katholizismus bekennen sollten, verweigerte sich Apian, verlor deshalb seine Stelle und musste Ingolstadt verlassen.

Der knapp 40-jährige Mathematiker hatte aber Glück im Unglück: Auf der Suche nach einer neuen Anstellung erhielt er einen Lehrstuhl in Tübingen, an dem er dann gut zehn Jahre in Ruhe lehren und seine Forschungen vorantreiben konnte. Doch auch unter den Protestanten gab es Kämpfe um die »wahre« Ausrichtung des Glaubens. 1583 sollte Apian erneut einen Schwur ablegen, diesmal auf die sogenannte Konkordienformel. Da er jedoch Anhänger der Calvinisten war, deren dogmatische Ausrichtung mit den protestantischen Glaubenssätzen nicht übereinstimmte, wurde er erneut aus dem Amt gejagt.

Die restlichen fünf Jahre seines Lebens sollte Philipp Apian aber in Tübingen bleiben und als Privatier weiter an seinen topographischen Werken arbeiten. Immerhin hatte ihm der bayerische Herzog als Anerkennung für seine ausgezeichnete Arbeit bei der Landtafel eine Rente von 150 Gulden auf Lebenszeit gewährt. Diese Unterstützung sowie das Vermögen seiner Frau ermöglichten der Familie einen bescheidenen Lebensunterhalt. Der große Gelehrte, der mit seinen Landkarten buchstäblich einen Meilenstein in der Geschichte hinterließ, starb 1589 im Alter von 58 Jahren. Er hinterließ seine Frau und die 19-jährige Tochter Sabina.

Die Ausstellung in der Münchner Staatsbibliothek ist bis 16. Februar 2014 geöffnet: Montag - Freitag: 10 bis 18 Uhr, Samstag/Sonntag: 13 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, außerdem werden an bestimmten Donnerstagen Führungen veranstaltet. Die Termine dazu findet man auf der Internet-Seite bsb-muenchen.de unter der Rubrik »Veranstaltungen/Ausstellungen«.


Susanne Mittermaier

 

5/2014