Österreich feiert 850 Jahre Mariazell
Auch Papst Benedikt kommt im September in den Wallfahrtsort

Die Wallfahrtsbasilika von Mariazell

Der Mönch Magnus gilt als der Gründer von Mariazell.

Das Gnadenbild aus Lindenholz stammt aus dem 12. Jahrhundert.
Bei seiner Pastoralreise nach Österreich im September wird Papst Benedikt auch den Wallfahrtsort Mariazell in der Steiermark besuchen. Am Samstag, den 8. September, feiert er auf dem Vorplatz der Basilika mit Wallfahrern aus ganz Mitteleuropa eine heilige Messe, am Nachmittag findet eine Vesper mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in der Wallfahrtskirche statt. Mariazell blickt in diesem Jahr auf 850 Jahre seiner Wallfahrtsgeschichte zurück. Nach der Überlieferung wurde es im Jahre 1157 von dem Benediktinermönch Magnus gegründet. Der Abt des Benediktinerklosters St. Lambrecht hatte Magnus als Missionar in das Mariazeller Land geschickt und im erlaubt, eine aus Lindenholz geschnitzte Marienstatue mitzunehmen. Magnus stellte die Statue nach seiner Ankunft auf einen Baumstumpf und begann, eine »Zelle« zu errichten, die ihm als Unterkunft und als Kapelle dienen sollte. So erhielt der Ort den Namen Mariazell. Seit damals betreuen die Benediktiner aus St. Lambrecht die Wallfahrer und gewähren ihnen klösterliche Gastfreundschaft.
Bald nach der Gründung wird von ersten Gebetserhörungen berichtet und Mariazell entwickelte sich zu einem beliebten Wallfahrtsort für Hilfesuchende aus nah und fern. Erster prominenter Pilger soll der von Gicht geplagte Markgraf Heinrich von Mähren gewesen sein, dem der böhmische König Wenzel (Vaclav) den Tip gegeben hatte, Mariazell aufzusuchen. Beim Gebet vor dem Gnadenbild wurde der Graf von seinen Schmerzen geheilt. Aus Dankbarkeit ließ er eine neue Kapelle bauen. Die Errichtung der ursprünglich gotischen Kirche, von der heute noch der große Turm steht, ist dem ungarischen König Ludwig I. zu verdanken, der den Sieg in einer Schlacht auf die Fürbitte der heiligen Jungfrau Maria zurückführte.
Durch den mährischen Markgrafen und den ungarischen König wurde Mariazell auch in deren Heimatländern schnell bekannt. So findet man unter den Wallfahrern nach Mariazell schon von alters her Tschechen, Ungarn und Slowaken. Die Habsburger erkannten die Integrationskraft der Wallfahrt und stellten ihr aus zwölf Nationalitäten bestehendes Reich unter die Schirmherrschaft der »Magna Mater Austriae – der Großen Mutter Österreichs«. Mariazell erreichte den Rang eines Reichsheiligtums. Jeder österreichische Herrscher – mit Ausnahme des aufgeklärten Joseph II. rechnte es sich zur Ehre an, in seiner Regierungszeit mehrere Wallfahrten nach Mariazell zu unternehmen.
In der Zeit des Nationalitätenstreits im 19. Jahrhundert war Mariazell einer der ganz wenigen Orte der k.u.k. Monarchie, an dem Angehörige der verschiedensten Nationen friedlich zusammen kamen. Diese völkerverbindende Kraft hat Mariazell bis heute bewahrt. So machten im Jahre 1990 nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 25 000 Menschen aus den ehemals sozialistischen Ländern eine große Dank- und Freiheitswallfahrt nach Mariazell. Auch beim Mitteleuropäischen Katholikentag 2004 waren zahlreiche Teilnehmer aus dem einstigen Ostblock vertreten.
Die Blütezeit Mariazells setzte mit dem Ende der Gegenreformation ein. Der Zustrom der Wallfahrer nahm immer mehr zu. Diesem Ansturm war die bestehende Kirche nicht gewachsen, deshalb gab der Abt von St. Lambrecht eine Erweiterung in Auftrag, und zwar an den Stiftsbaumeister Domenico Sciassia. Die barocke Erweiterung begann 1644 und nahm fast fünf Jahrzehnte in Anspruch. Damals entstanden die beiden Seitentürme, das ursprünglich dreischiffige Langhaus erhielt je fünf Seitenkapellen mit Emporen, die großen Fenster brachten mehr Licht in den Raum. An die Stelle des gotischen Chores kam ein Querschiff sowie ein neuer, von einer Kuppel in Ellipsenform überwölbter Altarraum. Die Außenfassade erhielt zwei barocke Seitentürme, doch blieb der gotische Mittelturm stehen, so dass die heutige dreitürmige Fassade entstand. Seitwärts vom Hauptprotal sind Markgraf Heinrich und König Ludwig, die Väter der Mariazeller Wallfahrt, als lebensgroße Bleifiguren verewigt.
Das Innere der Basilika beherrscht die imposante Architektur des Hochaltars von Johann Bernhard Fischer von Erlach. In der überlebensgroßen Kreuzigungsgruppe wollte er das Zentralgeheimnis des christlichen Glaubens ausdrücken, die Erlösung des Menschengeschlechts durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Gott steigt aus den goldenen himmlischen Sphären hernieder in die silberne irdische Realität und reicht seinem gekreuzigten Sohn die Hand, um ihn aus dem Tod in die Herrlichkeit zu führen.
Bemerkenswert ist auch der Tabernakel in Form einer Erdkugel, umschlungen von einer Schlange als Symbol des Bösen. »Für den Gläubigen bedeutet das ein machtvolles Zeichen, es drückt aus, dass im Herzen der durch böse Mächte gefährdeten Welt die erlösende Liebe Christi wohnt«, erläutert der Superior des Wallfahrtsortes bei der Kirchenführung.
Die Gnadenkapelle mit der Mariazeller Gottesmutter steht im Zentrum der Basilika, dem Ende des gotischen Kirchenschiffs. Der prachtvolle Altar wurde von Joseph E. Fischer, dem Sohn des Baumeisters Fischer von Erlach, entworfen und von Augsburger Meistern ausgeführt. Hier steht das Mariazeller Gnadenbild, eine sehr schlicht wirkende Holzfigur. Von wenigen Tagen abgesehen ist sie nach alter Sitte mit den sogenannten Liebfrauenkleidern aus kostbarem Brokat geschmückt.
Wer die Schatzkammer besichtigen will, muss sich auf die südliche Empore über der Sakristei begeben. Hier befindet sich das Muttergottesbild, das der Ungarnkönig Ludwig I. gestiftet hat und ein kostbares Muttergottesrelief aus Elfenbein, beide aus dem 14. Jahrhundert. Alle ausgestellten Stücke wie Messgewänder, Messgarnituren und Kristallleuchter sind Geschenke von dankbaren Wallfahrern, die in Mariazell Hilfe in ihren Nöten erfahren haben.
In seiner langen Geschichte wechselten in Mariazell Zeiten der Blüte mit Zeiten der Bedrohung. In den Jahren 1420 und 1532 richteten die Einfälle der Türken erhebliche Schäden an. Im Jahre 1683 wurde das Gnadenbild aus Angst vor einem weiteren Türkenangriff in das Kloster St. Lambrecht in Sicherheit gebracht. Mehrmals wurde der Ort von verheerenden Bränden heimgesucht. Die größte Brandkatastrophe ereignete sich 1827 am Allerseelentag. Der ganze Ort wurde fast vollständig eingeäschert, die Kirche erlitt große Schäden. Das Dach und die Turmhelme fielen dem Brand zu Opfer, sogar die Glocken schmolzen in der Hitze dahin. Zum Glück hielten sich die Schäden im Inneren der Kirche in Grenzen. Im Jahre 1679 erreichte die Pest Mariazell und raffte über 150 Personen dahin.
Im Jahre 1907 wurde die Kirche von Mariazell zur Basilika erhoben. Ihre Stadterhebung 1948 verdankte die damalige Marktgemeinde sicher nicht ihrer Größe mit weniger als 2000 Einwohnern, sondern ihrer Bedeutung als Wallfahrtsort. Nach 1949 kam es in der Kirche zu umfangreichen Sanierungsmaßnahmen, um die Bausubstanz zu retten. Ein großes Ereignis war 1983 der Besuch von Papst Johannes Paul II. in Mariazell. Heute liegt die Zahl der jährlichen Wallfahrer aus aller Welt bei mehr als einer Million.
Julius Bittmann
28/2007
Bald nach der Gründung wird von ersten Gebetserhörungen berichtet und Mariazell entwickelte sich zu einem beliebten Wallfahrtsort für Hilfesuchende aus nah und fern. Erster prominenter Pilger soll der von Gicht geplagte Markgraf Heinrich von Mähren gewesen sein, dem der böhmische König Wenzel (Vaclav) den Tip gegeben hatte, Mariazell aufzusuchen. Beim Gebet vor dem Gnadenbild wurde der Graf von seinen Schmerzen geheilt. Aus Dankbarkeit ließ er eine neue Kapelle bauen. Die Errichtung der ursprünglich gotischen Kirche, von der heute noch der große Turm steht, ist dem ungarischen König Ludwig I. zu verdanken, der den Sieg in einer Schlacht auf die Fürbitte der heiligen Jungfrau Maria zurückführte.
Durch den mährischen Markgrafen und den ungarischen König wurde Mariazell auch in deren Heimatländern schnell bekannt. So findet man unter den Wallfahrern nach Mariazell schon von alters her Tschechen, Ungarn und Slowaken. Die Habsburger erkannten die Integrationskraft der Wallfahrt und stellten ihr aus zwölf Nationalitäten bestehendes Reich unter die Schirmherrschaft der »Magna Mater Austriae – der Großen Mutter Österreichs«. Mariazell erreichte den Rang eines Reichsheiligtums. Jeder österreichische Herrscher – mit Ausnahme des aufgeklärten Joseph II. rechnte es sich zur Ehre an, in seiner Regierungszeit mehrere Wallfahrten nach Mariazell zu unternehmen.
In der Zeit des Nationalitätenstreits im 19. Jahrhundert war Mariazell einer der ganz wenigen Orte der k.u.k. Monarchie, an dem Angehörige der verschiedensten Nationen friedlich zusammen kamen. Diese völkerverbindende Kraft hat Mariazell bis heute bewahrt. So machten im Jahre 1990 nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 25 000 Menschen aus den ehemals sozialistischen Ländern eine große Dank- und Freiheitswallfahrt nach Mariazell. Auch beim Mitteleuropäischen Katholikentag 2004 waren zahlreiche Teilnehmer aus dem einstigen Ostblock vertreten.
Die Blütezeit Mariazells setzte mit dem Ende der Gegenreformation ein. Der Zustrom der Wallfahrer nahm immer mehr zu. Diesem Ansturm war die bestehende Kirche nicht gewachsen, deshalb gab der Abt von St. Lambrecht eine Erweiterung in Auftrag, und zwar an den Stiftsbaumeister Domenico Sciassia. Die barocke Erweiterung begann 1644 und nahm fast fünf Jahrzehnte in Anspruch. Damals entstanden die beiden Seitentürme, das ursprünglich dreischiffige Langhaus erhielt je fünf Seitenkapellen mit Emporen, die großen Fenster brachten mehr Licht in den Raum. An die Stelle des gotischen Chores kam ein Querschiff sowie ein neuer, von einer Kuppel in Ellipsenform überwölbter Altarraum. Die Außenfassade erhielt zwei barocke Seitentürme, doch blieb der gotische Mittelturm stehen, so dass die heutige dreitürmige Fassade entstand. Seitwärts vom Hauptprotal sind Markgraf Heinrich und König Ludwig, die Väter der Mariazeller Wallfahrt, als lebensgroße Bleifiguren verewigt.
Das Innere der Basilika beherrscht die imposante Architektur des Hochaltars von Johann Bernhard Fischer von Erlach. In der überlebensgroßen Kreuzigungsgruppe wollte er das Zentralgeheimnis des christlichen Glaubens ausdrücken, die Erlösung des Menschengeschlechts durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Gott steigt aus den goldenen himmlischen Sphären hernieder in die silberne irdische Realität und reicht seinem gekreuzigten Sohn die Hand, um ihn aus dem Tod in die Herrlichkeit zu führen.
Bemerkenswert ist auch der Tabernakel in Form einer Erdkugel, umschlungen von einer Schlange als Symbol des Bösen. »Für den Gläubigen bedeutet das ein machtvolles Zeichen, es drückt aus, dass im Herzen der durch böse Mächte gefährdeten Welt die erlösende Liebe Christi wohnt«, erläutert der Superior des Wallfahrtsortes bei der Kirchenführung.
Die Gnadenkapelle mit der Mariazeller Gottesmutter steht im Zentrum der Basilika, dem Ende des gotischen Kirchenschiffs. Der prachtvolle Altar wurde von Joseph E. Fischer, dem Sohn des Baumeisters Fischer von Erlach, entworfen und von Augsburger Meistern ausgeführt. Hier steht das Mariazeller Gnadenbild, eine sehr schlicht wirkende Holzfigur. Von wenigen Tagen abgesehen ist sie nach alter Sitte mit den sogenannten Liebfrauenkleidern aus kostbarem Brokat geschmückt.
Wer die Schatzkammer besichtigen will, muss sich auf die südliche Empore über der Sakristei begeben. Hier befindet sich das Muttergottesbild, das der Ungarnkönig Ludwig I. gestiftet hat und ein kostbares Muttergottesrelief aus Elfenbein, beide aus dem 14. Jahrhundert. Alle ausgestellten Stücke wie Messgewänder, Messgarnituren und Kristallleuchter sind Geschenke von dankbaren Wallfahrern, die in Mariazell Hilfe in ihren Nöten erfahren haben.
In seiner langen Geschichte wechselten in Mariazell Zeiten der Blüte mit Zeiten der Bedrohung. In den Jahren 1420 und 1532 richteten die Einfälle der Türken erhebliche Schäden an. Im Jahre 1683 wurde das Gnadenbild aus Angst vor einem weiteren Türkenangriff in das Kloster St. Lambrecht in Sicherheit gebracht. Mehrmals wurde der Ort von verheerenden Bränden heimgesucht. Die größte Brandkatastrophe ereignete sich 1827 am Allerseelentag. Der ganze Ort wurde fast vollständig eingeäschert, die Kirche erlitt große Schäden. Das Dach und die Turmhelme fielen dem Brand zu Opfer, sogar die Glocken schmolzen in der Hitze dahin. Zum Glück hielten sich die Schäden im Inneren der Kirche in Grenzen. Im Jahre 1679 erreichte die Pest Mariazell und raffte über 150 Personen dahin.
Im Jahre 1907 wurde die Kirche von Mariazell zur Basilika erhoben. Ihre Stadterhebung 1948 verdankte die damalige Marktgemeinde sicher nicht ihrer Größe mit weniger als 2000 Einwohnern, sondern ihrer Bedeutung als Wallfahrtsort. Nach 1949 kam es in der Kirche zu umfangreichen Sanierungsmaßnahmen, um die Bausubstanz zu retten. Ein großes Ereignis war 1983 der Besuch von Papst Johannes Paul II. in Mariazell. Heute liegt die Zahl der jährlichen Wallfahrer aus aller Welt bei mehr als einer Million.
Julius Bittmann
28/2007