Jahrgang 2014 Nummer 49

Nikolaus war Bischof von Myra in Lykien

Wundersame Legenden machten den Heiligen in Bayern beliebt

Am Vorabend seines Namensfests besucht der Nikolaus die Kinder. Er kommt meist in Begleitung eines Krampus.

Wundersame, eindrucksvolle Legenden haben zu weitester Verbreitung des Gedenkens an Sankt Nikolaus geführt, der am 6. Dezember seinen Ehrentag hat. Nikolaus war Bischof von Myra in Lykien in Kleinasien und hat wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts gewirkt.

Geschichtliche Fakten sind nicht überliefert. Erste Spuren der Verehrung des Heiligen weisen auf das 6. Jahrhundert in Myra und Konstantinopel hin. Über die griechische und russische Kirche erreicht der Kult dann im 9. Jahrhundert Rom. 1087 wurden die Gebeine von Myra nach Bari in Unteritalien gebracht. Im 10. und 11. Jahrhundert wanderte der Kult dann vom Süden über die Alpen und kam so nach Bayern und in den Westen und Norden Europas. Über Landstraßen und Wasserwege kam der gütige Bischof zu Fuß und per Schiff auf langen Reisen in Städte und Siedlungen – in übertragenem Sinne Kapellen und Kirchen mit schöner Ausstattung wurden ihm errichtet und auf seinen Namen getauft. Der Volkskundler und Historiker, Professor Winfried Hofmann schätzt, dass weit über 2000 Kirchen dem Volksheiligen vom 11. bis 16. Jahrhundert geweiht wurden.

Im Jahr 1096 ließ Graf Otto III. von Scheyern aus dem Hause Wittelsbach in Indersdorf im Dachauer Land zur Verehrung einer Nikolausreliquie eine Kapelle bauen. Sein Sohn Pfalzgraf Otto IV. stiftete an diesem Ort später ein Augustinerkloster und stellte es unter den Schutz Mariens. Der »Chur Bayrisch Geistliche Calender« von 1754 erzählt eine wundersame Geschichte über Otto III., die auf älteren Quellen beruht: »bey der Grab Besuchung des heil. Nicolai begeben, eines heiligen Fingers halber, den er durch die Kirchen Diener allda von dem Leib St. Nicolai bekommen, in ein guldene Bixen gelegt, in seinen Mantel eingewickelt, darinnen aber nachmahls nichts vom Finger, weil der Heilige solchen nicht anlassen wollte, sonder nur wohlriechendes Oel gefunden. Dahero der fromme Fürst nach seiner Anheimbkunfft fast in allen seinen Schlössern und Herrschafften zu Ehren S. Nicolai, Kirchen und Capellen erbauen lassen wie noch zu Wittlspach, Dachau und anderwärts zu sehen«. Auch später ließen Wittelsbacher Herrscher zahlreiche Kirchen und Kapellen dem Heiligen erbauen.

Das Grafengeschlecht von Dießen-Andechs, das im Verlauf des 12. Jahrhunderts auch in Meranien herrschte und in den Reichsfürstenstand aufgestiegen war, stellte sich unter den Schutz des heiligen Nikolaus und hatte in seiner Burg in Andechs eine Nikolauskapelle errichtet. Die Wallfahrts- und Benediktinerklosterkirche von Andechs auf dem Heiligen Berg, die von den Wittelsbachern im 15. Jahrhundert errichtet wurde, ist Nikolaus neben Elisabeth und Maria gewidmet. Am zweigeschoßigen Hochaltar beim Mariengnadenbild befindet sich eine Seitenfigur des heiligen Nikolaus im Bischofsornat, die der »Vater der bayerischenRokokoplastik« Johann Baptist Straub geschaffen hat.

Zu den bekanntesten Legenden über das Wunderwirken des Heiligen Nikolaus zählt die Errettung von Schiffern aus Sturmesnot, wodurch der heilige Bischof zum Patron der Schiffer, Flößer und Reisenden wurde – so auch auf den bayerischen Flüssen und den an ihren Ufern liegenden Orten wie Rosenheim und Mühldorf am Inn. Auf dem in Kupfer getriebenen und versilberten Schild von 1762 der »Bruderschaft der Schiffsleute und Salzfertiger« von Passau ist Nikolaus als ihr Patron im Relief dargestellt. Die farbig gefasste Lade der Bruderschaft von Wasserburg am Inn – datiert 1772 – zeigt auf der Vorderwand das Bild des Heiligen.

Eine andere Legende bewirkte, dass Nikolaus zum Patron der Schüler und Kinder wurde. Von einem Wirt ermordete Schüler erweckte Nikolaus wieder zum Leben. So wurde Nikolaus zu einer lichten und leuchtenden Idealfigur im Bischofsornat, die man mit Nikolaus-Festen, -Spielen und -Liedern in den Klosterschulen verehrte und als Schutzpatron in vielen Anliegen und Nöten angerufen hat. »Sankt Nikolaus ein Schutzpatron der Kinder ist auf Erden. Wenn unser Schiff durchs Leben fährt, dein Beistand mögst gewähren«, heißt es in einem an ihn gerichteten Lied.


ACH

 

49/2014