Neue Liebe zu Klosterarbeiten
Kleine und große Meisterwerke, die vor mehr als zweihundert Jahren hinter Klostermauern entstanden
Lange Zeit waren sie in Vergessenheit geraten, gering geachtet und verkannt. Heute entdeckt man wieder ihre Schönheit und begeistert sich für Klosterarbeiten, diese kostbaren Erzeugnisse barocken Kunsthandwerks, die seit Jahrhunderten ein nicht unwesentlicher Bestandteil des religiösen Brauchtums sind. Man findet sie in vielen privaten Sammlungen, bei Antiquitätenhändlern und auf Ausstellungen. Und viele Menschen freuen sich an den kleinen und großen Meisterwerken, die vor mehr als zweihundert Jahren hinter Klostermauern entstanden...
Ausdruck barocker Frömmigkeit
Klosterarbeiten begegnen uns in einer Fülle von Formen als kostbare Gold- und Silberdrahtarbeiten, gestickte und gemalte Andachtsbilder, Spitzenbilder und Paramenten (Messgewänder, Rauchmäntel) für den kirchlichen Dienst sowie Primizkrönchen und Professkränzchen. Diese Arbeiten sind das Ergebnis heute höchst diffiziler Arbeitstechniken, zu denen neben einer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit auch eine Engelsgeduld und ganz viel Zeit erforderlich sind.
Die Ursprünge für diese auch »Schöne Arbeiten« genannten Kunstwerke reichen bis ins Mittelalter zurück, als besonders in Frauenklöstern die mystische Hingabe als Form einer totalen Hingabe an Gott gelebt wurde. Während die Mönche ihre Aufgabenfelder in Seelsorge, Predigt und Studien sahen, pflegten die Nonnen neben Chorgebet und geistlicher Lesung die Handarbeit in der Klausur. Zu ihrem Aufgabenbereich zählte auch die Anfertigung von reich verzierten Messgewändern, die in Einzelstücken noch erhalten sind und heute leider nur noch selten Verwendung finden.
Ein großes Betätigungsfeld fanden die Frauenklöster mit ihren kunsthandwerklichen Arbeiten im Reliquienkult des 16. Jahrhunderts, der nach dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) sehr gefördert wurde. In einer bislang unbekannten Euphorie der Heiligenverehrung wurden in feierlichen Translationen Skelette aus den Katakomben in Rom in die heimatlichen Klöster und Kirchen in Österreich, Bayern und der Schweiz überführt. Die Reliqienskelette, von denen es im Alpenraum noch etwa 2000 gibt, wurden meist liegend auf den Altären den Gläubigen zur Verehrung präsentiert, in kostbare Gewänder gehüllt, über und über mit Goldund Silberarbeiten, Perlen und geschliffenen Steinen bedeckt. Die überreich geschmückten Skelette findet man noch heute vereinzelt in prunkvoll ausgestatteten Glasschreinen, wenn uns heute auch ein Zugang zu der barocken Frömmigkeitsform fehlt.
Christkindlfiguren und Fatschenkindl
In den Klausuren der Nonnenklöster entstanden in der Barockzeit neben kirchlichen Arbeiten auch große Kostbarkeiten zur persönlichen Andacht. So bekamen die Nonnen beim Eintritt in das Kloster von ihren Familienangehörigen meist eine »Trösterlein« oder »Himmlischer Bräutigam« genannte Jesuskindfigur zur persönlichen Verehrung und auch als Hilfe, um über alle Schwierigkeiten des Klosterlebens hinweg zu kommen.
Eine sehr beliebte Form der Klosterarbeiten waren die »Fatschenkindl« (von lateinisch fascia = Bündel). Dies waren eng mit Bändern umwickelte wächserne Christkindlfiguren, die, auf einem Kissen liegend, mit vielerlei Zierrat geschmückt und meist in einem Glaskasten zur Verehrung ausgestellt wurden. Von den vielen Fatschenkindl aus dem 17. Jahrhundert sind nur noch wenige erhalten.
Eine besonders liebenswerte Gestalt fanden Klosterarbeiten in Christkindlfiguren, die in der Barockund Rokokozeit in Kirchen und Klöstern verehrt wurden. Die meist stehenden Figuren wurden von den Nonnen mit herrlichen Kleidern aus kostbarem Ornat aus Brokat, Samt, Perlen und kunstvoller Silber- und Goldstickerei bekleidet. Besonders bekannt sind das Münchner Augustinerkindl sowie das Christkindl vom Kloster Reutberg bei Bad Tölz. Beide Christkindl werden in einer Krippe liegend noch heute von vielen Gläubigen verehrt.
In der Barock- und Rokokozeit entstanden in den Klöstern auch Gnadenbilder des Jesuskindes. Besonders berühmt ist das Loreto-Kindl aus dem Kapuzinerinnenkloster in Salzburg. Kaiserin Elisabeth beschenkte das »Lauretanische Gnadenprinzesschen « mit wertvollen Gewändern, die von Nonnen hergestellt wurden. Ein besonders kostbares Loreto-Kindl befindet sich auch in der beliebten oberbayerischen Wallfahrtskirche Birkenstein bei Miesbach.
Neues Interesse erwacht
In der Zeit der Aufklärung und Säkularisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts gingen viele der einstmals so hoch verehrten Klosterarbeiten verloren. Man hatte kein Verständnis mehr für diese Frömmigkeitsformen. So wurden viele Arbeiten verschleudert und zerstört oder auch aus den Kirchen entfernt. Mancher Sammler erwarb damals ein Reliquiar oder Andachtsbild und rettete es dadurch über die Zeit. Bedauerlicherweise fielen noch erhaltene Klosterarbeiten auch dem Bildersturm nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum Opfer. So wurden die erhalten gebliebenen Arbeiten zu wahren Kostbarkeiten, die vielfach nur noch in Ausstellungen zu sehen sind.
In den letzten Jahren ist allerorten ein neues Interesse an den lange verpönten Klosterarbeiten festzustellen. Die noch vorhandenen Stücke werden, soweit möglich, repariert, einzelne Teile werden neu ersetzt. Nur gut, dass es noch Restauratoren und künstlerisch begabte Männer und Frauen gibt, die die alten Techniken kennen und auch beherrschen und so verstaubte Reliquiare in Kirchen im einstigen barocken Glanz erstrahlen lassen können.
Auf Auktionen erzielen auch etwas defekte Klosterarbeiten heute Höchstpreise. Man scheut keine Kosten und freut sich wieder an den kleinen und großen Kunstwerken. Und mit ihnen vertieft sich mancher in die vergangene Welt des Klosterlebens.
Immer mehr Menschen entdecken in der aktiven Beschäftigung mit den Klosterarbeiten einen Ausgleich zur Unruhe und Hektik und finden damit einen Weg zu persönlicher Besinnung und Harmonie. Fast jede Volkshochschule hat heute daher Kurse über Klosterarbeiten im Programm. Und diese werden eifrig besucht. Es ist schon ein interessantes Phänomen: Klosterarbeiten aus einer vergangenen religiös geprägten Welt üben eine neue Anziehungskraft auf Menschen im Hightech- und Computer-Zeitalter
aus.
Dr. Albert Bichler
11/2011
Ausdruck barocker Frömmigkeit
Klosterarbeiten begegnen uns in einer Fülle von Formen als kostbare Gold- und Silberdrahtarbeiten, gestickte und gemalte Andachtsbilder, Spitzenbilder und Paramenten (Messgewänder, Rauchmäntel) für den kirchlichen Dienst sowie Primizkrönchen und Professkränzchen. Diese Arbeiten sind das Ergebnis heute höchst diffiziler Arbeitstechniken, zu denen neben einer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit auch eine Engelsgeduld und ganz viel Zeit erforderlich sind.
Die Ursprünge für diese auch »Schöne Arbeiten« genannten Kunstwerke reichen bis ins Mittelalter zurück, als besonders in Frauenklöstern die mystische Hingabe als Form einer totalen Hingabe an Gott gelebt wurde. Während die Mönche ihre Aufgabenfelder in Seelsorge, Predigt und Studien sahen, pflegten die Nonnen neben Chorgebet und geistlicher Lesung die Handarbeit in der Klausur. Zu ihrem Aufgabenbereich zählte auch die Anfertigung von reich verzierten Messgewändern, die in Einzelstücken noch erhalten sind und heute leider nur noch selten Verwendung finden.
Ein großes Betätigungsfeld fanden die Frauenklöster mit ihren kunsthandwerklichen Arbeiten im Reliquienkult des 16. Jahrhunderts, der nach dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) sehr gefördert wurde. In einer bislang unbekannten Euphorie der Heiligenverehrung wurden in feierlichen Translationen Skelette aus den Katakomben in Rom in die heimatlichen Klöster und Kirchen in Österreich, Bayern und der Schweiz überführt. Die Reliqienskelette, von denen es im Alpenraum noch etwa 2000 gibt, wurden meist liegend auf den Altären den Gläubigen zur Verehrung präsentiert, in kostbare Gewänder gehüllt, über und über mit Goldund Silberarbeiten, Perlen und geschliffenen Steinen bedeckt. Die überreich geschmückten Skelette findet man noch heute vereinzelt in prunkvoll ausgestatteten Glasschreinen, wenn uns heute auch ein Zugang zu der barocken Frömmigkeitsform fehlt.
Christkindlfiguren und Fatschenkindl
In den Klausuren der Nonnenklöster entstanden in der Barockzeit neben kirchlichen Arbeiten auch große Kostbarkeiten zur persönlichen Andacht. So bekamen die Nonnen beim Eintritt in das Kloster von ihren Familienangehörigen meist eine »Trösterlein« oder »Himmlischer Bräutigam« genannte Jesuskindfigur zur persönlichen Verehrung und auch als Hilfe, um über alle Schwierigkeiten des Klosterlebens hinweg zu kommen.
Eine sehr beliebte Form der Klosterarbeiten waren die »Fatschenkindl« (von lateinisch fascia = Bündel). Dies waren eng mit Bändern umwickelte wächserne Christkindlfiguren, die, auf einem Kissen liegend, mit vielerlei Zierrat geschmückt und meist in einem Glaskasten zur Verehrung ausgestellt wurden. Von den vielen Fatschenkindl aus dem 17. Jahrhundert sind nur noch wenige erhalten.
Eine besonders liebenswerte Gestalt fanden Klosterarbeiten in Christkindlfiguren, die in der Barockund Rokokozeit in Kirchen und Klöstern verehrt wurden. Die meist stehenden Figuren wurden von den Nonnen mit herrlichen Kleidern aus kostbarem Ornat aus Brokat, Samt, Perlen und kunstvoller Silber- und Goldstickerei bekleidet. Besonders bekannt sind das Münchner Augustinerkindl sowie das Christkindl vom Kloster Reutberg bei Bad Tölz. Beide Christkindl werden in einer Krippe liegend noch heute von vielen Gläubigen verehrt.
In der Barock- und Rokokozeit entstanden in den Klöstern auch Gnadenbilder des Jesuskindes. Besonders berühmt ist das Loreto-Kindl aus dem Kapuzinerinnenkloster in Salzburg. Kaiserin Elisabeth beschenkte das »Lauretanische Gnadenprinzesschen « mit wertvollen Gewändern, die von Nonnen hergestellt wurden. Ein besonders kostbares Loreto-Kindl befindet sich auch in der beliebten oberbayerischen Wallfahrtskirche Birkenstein bei Miesbach.
Neues Interesse erwacht
In der Zeit der Aufklärung und Säkularisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts gingen viele der einstmals so hoch verehrten Klosterarbeiten verloren. Man hatte kein Verständnis mehr für diese Frömmigkeitsformen. So wurden viele Arbeiten verschleudert und zerstört oder auch aus den Kirchen entfernt. Mancher Sammler erwarb damals ein Reliquiar oder Andachtsbild und rettete es dadurch über die Zeit. Bedauerlicherweise fielen noch erhaltene Klosterarbeiten auch dem Bildersturm nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum Opfer. So wurden die erhalten gebliebenen Arbeiten zu wahren Kostbarkeiten, die vielfach nur noch in Ausstellungen zu sehen sind.
In den letzten Jahren ist allerorten ein neues Interesse an den lange verpönten Klosterarbeiten festzustellen. Die noch vorhandenen Stücke werden, soweit möglich, repariert, einzelne Teile werden neu ersetzt. Nur gut, dass es noch Restauratoren und künstlerisch begabte Männer und Frauen gibt, die die alten Techniken kennen und auch beherrschen und so verstaubte Reliquiare in Kirchen im einstigen barocken Glanz erstrahlen lassen können.
Auf Auktionen erzielen auch etwas defekte Klosterarbeiten heute Höchstpreise. Man scheut keine Kosten und freut sich wieder an den kleinen und großen Kunstwerken. Und mit ihnen vertieft sich mancher in die vergangene Welt des Klosterlebens.
Immer mehr Menschen entdecken in der aktiven Beschäftigung mit den Klosterarbeiten einen Ausgleich zur Unruhe und Hektik und finden damit einen Weg zu persönlicher Besinnung und Harmonie. Fast jede Volkshochschule hat heute daher Kurse über Klosterarbeiten im Programm. Und diese werden eifrig besucht. Es ist schon ein interessantes Phänomen: Klosterarbeiten aus einer vergangenen religiös geprägten Welt üben eine neue Anziehungskraft auf Menschen im Hightech- und Computer-Zeitalter
aus.
Dr. Albert Bichler
11/2011