Messen, wie die Zeit vergeht
Ohne Uhren läuft gar nichts – Mönche entwickelten Europas erste Zeitmesser
Es gibt heute wohl kaum etwas Selbstverständlicheres als die Uhr. Beinahe überall lässt sich ablesen, welche Stunde es geschlagen hat: am Arm, an der Wand, am Küchenherd, am Kirchturm, an der Bahnhofsuhr. Ohne Unterlass kreisen die Zeiger um ein Zifferblatt oder wechseln in Sekundenschnelle die Zahlen in einem kleinen Sichtfenster und sagen uns, wie spät es ist.
Ohne Uhren wären wir hilflos. Blieben sie plötzlich alle stehen, gäbe es eine heillose Unordnung: der Bahn- und Luftverkehr käme durcheinander, der Schiffsverkehr wäre gestört, die Arbeitsabläufe in den Fabriken und Dienstleistungsbetrieben, niemand käme mehr pünktlich.
Die Menschen der Vorzeit hatten es da einfacher: sie nahmen die Natur zur Hilfe – sie richteten sich nach der Sonne. Sie ist die älteste Uhr und diente seit Menschengedenken zur Orientierung. Daher haben sich auch noch die Zeitangaben »Sonnenaufgang«, Sonnenhöchststand zur »Mittagszeit« und bei »Sonnenuntergang« erhalten. Wir wissen dabei sofort, welche Zeit ungefähr diese Begriffe darstellen.
Doch was geschah, wenn sich die Sonne hinter Wolken verbarg? Oder nachts? Da blieb natürlich auch diese Uhr »stehen«! So bauten schon die alten Babylonier eine Uhr, bei der die Erde das Zifferblatt war: ein Stab warf je nach Sonnenstand Schatten auf das eingeteilte Zifferblatt – wenn die Sonne schien.
Zeitmessung mit Wasser und Sand
Es folgten andere »Zeitmesser«: Wasseruhren, nach denen man die Stunden bestimmen konnte. Ein Gefäß wurde mit Wasser gefüllt und dieses floss durch einen schmalen Spalt in ein anderes Gefäß. War der erste Topf leer, war so und so viel Zeit »verflossen«. Nur brauchten die Reichen damals genügend Diener, die ihnen ihre »Uhr« immer wieder mit Wasser füllten und so für deren »Gang« sorgten. Nur wenige Leute konnten sich diesen Luxus leisten.
Die Entwicklung ging weiter. Man benutzte bald nicht mehr Wasser, sondern Sand – Vorläufer unserer heutigen Eieruhr – mit Maßeinteilungen. Die Leute banden sich diese Messinstrumente damals an ihr rechtes Knie. Ob man die Sanduhr schon im Altertum gekannt hat, lässt sich nicht nachweisen. Auf jeden Fall war sie im Mittelalter (um 760) schon im Frankenreich in Gebrauch, aber bis etwa zum Jahr 1300 nicht sehr verbreitet.
Mönche wählten zunächst die Heilige Schrift als Uhr. Ein Buch als »Uhrersatz«? werden wir fragen. Wenn es auch nie genau stimmte, so ist es doch wahr. Am Tag wurde mit dem Sonnenstand verglichen, wie viel Zeit man zum Lesen eines bestimmten Abschnittes brauchte. Nachts wechselten sich die Brüder im Lesen ab und konnte so die anderen nach bestimmten Zeiten zum Gebet wecken, wenn eben das betreffende Kapitel und damit die nötige Zeit verstrichen war.
Mönche waren in Europa die Ersten, die damit begannen, den Tag nach einem genauen System einzuteilen. Nach Vorbildern altrömischer und arabischer Zeitmesser entwickelten sie das Astrolabium, ein astronomisches Instrument zur lagemäßigen Bestimmung von Gestirnen und die Räderuhr. Die Vorstellung, dass Gott die Welt nach einem System eingerichtet hatte, spielte nun eine wichtige Rolle. Die Uhr galt als das Symbol der göttlichen Ordnung und Weltharmonie.
Von der Stahlfeder zur Quarz-Uhr
Zu der Zeit kamen auch in Abschnitte eingeteilte Kerzen auf. In einer bestimmten Zeiteinheit verbrannte ein bestimmter Kerzenabschnitt. Man war so von Sonne, Wasser und Sand unabhängig. Später erschienen auch die ersten Uhren mit Zifferblatt und zunächst einem Zeiger, aber mit gewaltigen Aufzieh-Gewichten.
Um 1500 endlich dachte Peter Henlein darüber nach, wie er wohl die Gewichte verkleinern und eine Uhr für die Tasche herstellen könnte. Fielen aber die Gewichte weg, war auch die Kraft genommen und die Uhr blieb stehen. Es musste eine Art »Antriebsmotor« gefunden werden.
Die Stahlfeder war sein Antriebswerk. Sie wirkte wie ein Gewicht, weil sie sich – aufgezogen – mit der Kraft immer wieder aufrollen will. Diese Kraft wurde auf Rädchen übertragen, die einen Zeiger in Bewegung setzen. Aber ein Rieseninstrument war die erste Taschenuhr doch, außerdem kostete sie rund 1000 Mark, damals ein horrender Preis. Mit der Zeit wurde die Henlein-Uhr verbessert und immer kleiner.
Noch Anfang des 19. Jahrhunderts waren Uhren fast nur in Kirchen und Klöstern, Adelshäusern oder Wohnungen wohlhabender Bürger zu finden. Handwerker oder Bauern hatten keine Uhren. Bei der Viehzucht und Feldarbeit wurde der Tagesrhythmus vom Stand der Sonne und von den Jahreszeiten bestimmt. Die Handwerksgesellen lebten meist im Haus des Meisters, der sie weckte und den Arbeitsbeginn bestimmte.
Erst mit dem Beginn des technischen Zeitalters, in dem die Menschen in einer Fabrik weit ab von ihrer Wohnstätte, in großen Massen zu arbeiten anfingen, wurde die genaue Zeitbestimmung wichtig. Die Maschinen diktierten nun das Leben, Pünktlichkeit und Gleichmäßigkeit des Arbeitsablaufes verlangten nach genauer Zeitbestimmung. Das war die Geburtsstunde der Uhr als Gebrauchsgegenstand.
Atomuhren funken die genaue Zeit
Nachdem die mechanische Uhr lange Zeit unbeschränkt den Markt beherrschte, hat die Quarztechnik die Uhrenindustrie in den siebziger Jahren revolutioniert. Doch bereits ist wieder ein »Geschmackswechsel« im Gang: weg von der Digitalanzeige neu zur analogen mit Schrittmotor und Zeigern versehenen Quarzuhr, und dank Nostalgiewelle das Comeback der mechanischen Uhr, die – umweltfreundlich – keine Batterien braucht.
Mit der »Funkuhr« schließlich ist es möglich, im Kontakt mit einer Atomuhr über Zeitzeichensender stets die exakte Zeit zu erhalten. Sie stellt sich vollautomatisch auf das per Funk übertragene Zeitsignal der genauesten Uhr der Welt ein. Es ist dies die Cäsium-Zeitbasis der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB). Die Cäsium-Atome schwingen so genau, dass erst in einer Million Jahren eine Gangabweichung von einer Sekunde zur anderen zu erwarten ist.
Die Sache funktioniert so: ein spezieller Langwellensender in Mainflingen (24 km südöstlich von Frankfurt am Main), der mit der Atomuhr der PTB Braunschweig in Verbindung steht, sendet Zeit-Telegramme, das heißt Sekundenmarken unterschiedlicher Länge, die von den »Funkuhren« ausgewertet werden, die danach die Zeitanzeige steuern. Ein weiterer Vorzug der Funkuhr: sie stellt sich vollautomatisch von Winter- auf Sommerzeit um und umgekehrt.
TS
4/2003
Ohne Uhren wären wir hilflos. Blieben sie plötzlich alle stehen, gäbe es eine heillose Unordnung: der Bahn- und Luftverkehr käme durcheinander, der Schiffsverkehr wäre gestört, die Arbeitsabläufe in den Fabriken und Dienstleistungsbetrieben, niemand käme mehr pünktlich.
Die Menschen der Vorzeit hatten es da einfacher: sie nahmen die Natur zur Hilfe – sie richteten sich nach der Sonne. Sie ist die älteste Uhr und diente seit Menschengedenken zur Orientierung. Daher haben sich auch noch die Zeitangaben »Sonnenaufgang«, Sonnenhöchststand zur »Mittagszeit« und bei »Sonnenuntergang« erhalten. Wir wissen dabei sofort, welche Zeit ungefähr diese Begriffe darstellen.
Doch was geschah, wenn sich die Sonne hinter Wolken verbarg? Oder nachts? Da blieb natürlich auch diese Uhr »stehen«! So bauten schon die alten Babylonier eine Uhr, bei der die Erde das Zifferblatt war: ein Stab warf je nach Sonnenstand Schatten auf das eingeteilte Zifferblatt – wenn die Sonne schien.
Zeitmessung mit Wasser und Sand
Es folgten andere »Zeitmesser«: Wasseruhren, nach denen man die Stunden bestimmen konnte. Ein Gefäß wurde mit Wasser gefüllt und dieses floss durch einen schmalen Spalt in ein anderes Gefäß. War der erste Topf leer, war so und so viel Zeit »verflossen«. Nur brauchten die Reichen damals genügend Diener, die ihnen ihre »Uhr« immer wieder mit Wasser füllten und so für deren »Gang« sorgten. Nur wenige Leute konnten sich diesen Luxus leisten.
Die Entwicklung ging weiter. Man benutzte bald nicht mehr Wasser, sondern Sand – Vorläufer unserer heutigen Eieruhr – mit Maßeinteilungen. Die Leute banden sich diese Messinstrumente damals an ihr rechtes Knie. Ob man die Sanduhr schon im Altertum gekannt hat, lässt sich nicht nachweisen. Auf jeden Fall war sie im Mittelalter (um 760) schon im Frankenreich in Gebrauch, aber bis etwa zum Jahr 1300 nicht sehr verbreitet.
Mönche wählten zunächst die Heilige Schrift als Uhr. Ein Buch als »Uhrersatz«? werden wir fragen. Wenn es auch nie genau stimmte, so ist es doch wahr. Am Tag wurde mit dem Sonnenstand verglichen, wie viel Zeit man zum Lesen eines bestimmten Abschnittes brauchte. Nachts wechselten sich die Brüder im Lesen ab und konnte so die anderen nach bestimmten Zeiten zum Gebet wecken, wenn eben das betreffende Kapitel und damit die nötige Zeit verstrichen war.
Mönche waren in Europa die Ersten, die damit begannen, den Tag nach einem genauen System einzuteilen. Nach Vorbildern altrömischer und arabischer Zeitmesser entwickelten sie das Astrolabium, ein astronomisches Instrument zur lagemäßigen Bestimmung von Gestirnen und die Räderuhr. Die Vorstellung, dass Gott die Welt nach einem System eingerichtet hatte, spielte nun eine wichtige Rolle. Die Uhr galt als das Symbol der göttlichen Ordnung und Weltharmonie.
Von der Stahlfeder zur Quarz-Uhr
Zu der Zeit kamen auch in Abschnitte eingeteilte Kerzen auf. In einer bestimmten Zeiteinheit verbrannte ein bestimmter Kerzenabschnitt. Man war so von Sonne, Wasser und Sand unabhängig. Später erschienen auch die ersten Uhren mit Zifferblatt und zunächst einem Zeiger, aber mit gewaltigen Aufzieh-Gewichten.
Um 1500 endlich dachte Peter Henlein darüber nach, wie er wohl die Gewichte verkleinern und eine Uhr für die Tasche herstellen könnte. Fielen aber die Gewichte weg, war auch die Kraft genommen und die Uhr blieb stehen. Es musste eine Art »Antriebsmotor« gefunden werden.
Die Stahlfeder war sein Antriebswerk. Sie wirkte wie ein Gewicht, weil sie sich – aufgezogen – mit der Kraft immer wieder aufrollen will. Diese Kraft wurde auf Rädchen übertragen, die einen Zeiger in Bewegung setzen. Aber ein Rieseninstrument war die erste Taschenuhr doch, außerdem kostete sie rund 1000 Mark, damals ein horrender Preis. Mit der Zeit wurde die Henlein-Uhr verbessert und immer kleiner.
Noch Anfang des 19. Jahrhunderts waren Uhren fast nur in Kirchen und Klöstern, Adelshäusern oder Wohnungen wohlhabender Bürger zu finden. Handwerker oder Bauern hatten keine Uhren. Bei der Viehzucht und Feldarbeit wurde der Tagesrhythmus vom Stand der Sonne und von den Jahreszeiten bestimmt. Die Handwerksgesellen lebten meist im Haus des Meisters, der sie weckte und den Arbeitsbeginn bestimmte.
Erst mit dem Beginn des technischen Zeitalters, in dem die Menschen in einer Fabrik weit ab von ihrer Wohnstätte, in großen Massen zu arbeiten anfingen, wurde die genaue Zeitbestimmung wichtig. Die Maschinen diktierten nun das Leben, Pünktlichkeit und Gleichmäßigkeit des Arbeitsablaufes verlangten nach genauer Zeitbestimmung. Das war die Geburtsstunde der Uhr als Gebrauchsgegenstand.
Atomuhren funken die genaue Zeit
Nachdem die mechanische Uhr lange Zeit unbeschränkt den Markt beherrschte, hat die Quarztechnik die Uhrenindustrie in den siebziger Jahren revolutioniert. Doch bereits ist wieder ein »Geschmackswechsel« im Gang: weg von der Digitalanzeige neu zur analogen mit Schrittmotor und Zeigern versehenen Quarzuhr, und dank Nostalgiewelle das Comeback der mechanischen Uhr, die – umweltfreundlich – keine Batterien braucht.
Mit der »Funkuhr« schließlich ist es möglich, im Kontakt mit einer Atomuhr über Zeitzeichensender stets die exakte Zeit zu erhalten. Sie stellt sich vollautomatisch auf das per Funk übertragene Zeitsignal der genauesten Uhr der Welt ein. Es ist dies die Cäsium-Zeitbasis der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB). Die Cäsium-Atome schwingen so genau, dass erst in einer Million Jahren eine Gangabweichung von einer Sekunde zur anderen zu erwarten ist.
Die Sache funktioniert so: ein spezieller Langwellensender in Mainflingen (24 km südöstlich von Frankfurt am Main), der mit der Atomuhr der PTB Braunschweig in Verbindung steht, sendet Zeit-Telegramme, das heißt Sekundenmarken unterschiedlicher Länge, die von den »Funkuhren« ausgewertet werden, die danach die Zeitanzeige steuern. Ein weiterer Vorzug der Funkuhr: sie stellt sich vollautomatisch von Winter- auf Sommerzeit um und umgekehrt.
TS
4/2003