Maler zwischen Renaissance und Barock
Restaurierung der Haslacher Tafelbilder – Gregor Hueber und die Zeit des Manierismus

Das Holzepitaph des Traunsteiner Bürgers und Handelsmanns Hans Schächner in der Pfarrkirche von Haslach. 1611 von Gregor Hueber im Stil des Manierismus gemalt.

Ausschnitt von der Frontwand der Traunsteiner Bierbrauerzunfttruhe, Gregor Hueber, 1611, Stadt- und Spielzeugmuseum Traunstein.

Taufsteindeckel in der Taufkapelle der Klosterkirche Frauenchiemsee mit den sieben Sakramenten. 1602 von Gregor Hueber im Auftrag der Äbtissin Sabina Prayndorfer gemalt.
Die erfreuliche Tatsache, dass auf Initiative der derzeitigen Haslacher Kirchenverwaltung und Stadtpfarrer Sebastian Heindl nun zwei hochwertige Holzepitaphe aus dem 17. Jahrhundert einer fachgerechten Restaurierung zugeführt werden und nach fast vierzigjähriger »Verbannung« wieder in die Pfarrkirche zurückkehren sollen, gibt Anlass sich mit deren Auftraggebern und Herstellern näher zu befassen.
Holzepitaphe, wie sie deren zwei die Pfarrei Haslach besitzt, gehören längst zu den seltengewordenen Exemplaren eines frühneuzeitlichen Erinnerungskultes an einen Verstorbenen und deren Familienmitglieder, welcher nicht selten auch noch von kirchlichem Langzeitstipendien sog. »Ewigmessen« begleitet wurde.
Fast immer wurden sie an Standorten angebracht, zu denen der Verstorbene vorher eine besondere Beziehung aufrecht hielt.
Etwa in einer Kirche oder Kapelle zu deren Erhalt und Ausstattung durch Stiftungen beigetragen wurde, in der Nähe bestimmter Altäre und Heiltümer, oder über der Begräbnisstätte, denn viele Mäzene sicherten sich einen exponierten Grabplatz im Chorraum oder Schiff eines Gotteshauses.
Im Fall der beiden Haslacher Epitaphe kann man davon ausgehen, dass einst alle diese aufgeführten Faktoren zusammentrafen.
Solche Denkmale des eigenen Lebens und Wirkens, ließ der Auftraggeber noch zu seinen Lebzeiten anfertigen. In den selteneren Fällen verließ man sich auf das Wohlwollen, der moralischen Verpflichtung oder den guten Geschmack der Hinterbliebenen. Was man zu seinem »ewigen christlichen Gedechtnus« noch bei Lebenszeiten aufrichten konnte, das nahm man selbst in die Hand und ließ sich dies auch etwas kosten. Wünschte man ein Epitaphium aus rotem oder weißen Marmorstein, so blieb der Weg zu den Kunstzentren Salzburg, Burghausen, Landshut oder Wasserburg nicht erspart, den Traunstein konnte bis zum Eintritt in die Hochbarockphase keinen qualitätvollen Steinmetz oder Bildhauer vorweisen. »Begnügte« man sich mit einem (wahrscheinlich preisgünstigeren) Holzepitaph, so fand man, zumindest in Traunstein, in den ortsansässigen Kistlern und Malern bewährte Kräfte vor und konnte sich nebenher noch mit der Nota schmücken, ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Denn seit der späten Renaissance bis hinein in die erste Blüte des Barocks waren diese Memorials in Holz durchaus eine moderne Alternative zum bewährten Steindenkmal.
Dass man sie heute so selten antrifft (im Chiemgau kann man sie an den Fingern einer Hand abzählen) liegt nicht daran, dass man hierzulande dem Trend nicht gefolgt wäre, sondern vielmehr, dass sich der Zahn der Zeit leichter tat ihnen beizukommen und nochmehr die Gleichgültigkeit einer wertopfernden Gesellschaft, und das über Jahrhunderte hinweg.
So gesehen ist die denkmalpflegerische Initiative der Stadtpfarrei Haslach nicht genug hervorzuheben.
Das Epitaph des Hans Schächner in Haslach
Das ältere der beiden Tafelbilder ist auf das Jahr 1611 datiert. In diesem Jahr hat der Traunsteiner Ratsbürger, Gastwirt und Handelsmann Hans Schächner (verschiedentlich auch Schachner geschrieben) für sich, seine 4 verstorbenen Ehefrauen und deren Kinder die Gedenktafel anfertigen und mit folgendem Text versehen lassen.
Gott zu Lob und ehr hat d(er) fürsichtige und Weiß H(err) Hans Schächner Purg(er) des Indern Rat(es) zu Thraunstain Ime saine 4 gestorbenen Hausfrauen und deren paidertheils erzeugten kindtern dises Eppitaffum hieher Gedan und Malln lassen. Im 1611 Jar. Gott verleiche Allen gestorbenen die Ewig Rueh und am Jüngsten dag eine frelliche Auferstehung. Amen.
Im linken unteren Teil des Epitaphes ist der Stifter als noch lebende Person (unbekreuzigt) mit 2 verstorbenen Söhnen abgebildet. Auf der rechten Seite, ebenfalls zur Bildmitte gewandt, die ihm vorausgegangenen Ehefrauen und fünf Töchter, von denen eine zum Zeitpunkt der Epitaphherstellung noch am Leben war. Die Frauen tragen die bürgerliche Kleidung jener Zeit mit Halskrausen und Kopfschleier und sind in betender Haltung mit Rosenkränzen in den Händen dargestellt. Über ihren Häup-tern erscheinen deren Vor- und Geburtsnamen und die Wappen ihrer Abstammungsfamilien.
Daraus lässt sich rekonstruieren, dass der Handelsmann in erster Ehe mit einer Barbara Hofkirchner, in zweiter mit einer Magdalena Pergerin, in dritter mit der Witwe des Inzeller Hofmarksrichters Wolf Reiter, also mit Anna Englsperger und im vierten Ehestand mit Katharina Altherr, dem weiblichen Spross einer alteingessenen Traunsteiner Bürgersfamilie verheiratet war. Diese war vor dem ehelichen Zusammenstand mit Schächner mit dem Gastwirt Mairhauser von Ranhering/Alz verheiratet und brachte als Witwe einen Sohn namens Georg und die auf dem Stifterbild neben ihr stehende Tochter Maria mit in die Schächnerische Ehe.
Diese Maria Mairhauser trat später in den weiblichen Konvent des Münchener Angerklosters ein. Das weiß man aus Nachlassprotokollen des Traunsteiner Stadtarchivs, als nach dem Tod Schächners die Äbtissin des noblen Damenstiftes 250 Gulden aus dessen Erbmasse für das Kloster einforderte. Aus diesem Streit mit den Erben im Jahr 1625 lässt sich das Todesjahr Schächners festlegen. Er lebte also nach der Herstellung des Epitaphs noch volle 14 Jahre.
Hans Schächner gehörte zu seinen Lebzeiten mit Sicherheit der bürgerlichen Oberschicht Traunsteins an, führte an der Sonnenseite des Stadtplatzes eine Weinwirtschaft mit allerlei anderen Handelswaren und besaß noch ein weiteres Haus an der oberen Querzeile (Schaumburgerstr.).
Bei einer Pferdezählung im Jahr 1608 tritt er als Halter von zwei Pferden auf, dem Ausweis eines besonderen Wohlstandes. Sein öffentliches Ansehen bewog ihn verschiedene Ehrenämter anzutreten, so als Kontrolleur der Fleischpreise (Fleischsetzer), als Ratsherr und ab dem Jahr 1606 in regelmäßigen Abständen als Amtsbürgermeister. Da er des öffteren als Urkundensiegler auftritt, liegt der Schluss nahe, dass er in Rechtsangelegenheiten gut beschlagen war.
Seinen Status entsprechend führte Schächner auch ein Hauswappen. Ein auf rotem Schild aufgeschlagenes Buch mit einer Narrenkappe davor, bekrönt von einem Mohren in der Helmzier. Diese Wappenkonstellation könnte ein Vorfahr als Anspielung auf seine Lebensphilosophie, die Dinge die einem so mitspielen nicht allzu ernst zu nehmen, gewählt haben.
Schächner hingegen erscheint auf dem Stifterbild als ein sehr ernstblickender Familienpatriarch. Dazu hatte er allen Grund, denn wie die ganze ins Bild gerückte Familiengeschichte kund tut, hatte er Zeit seines Ehelebens Schicksalsschläge am laufenden Band hinzunehmen. Dazu gehörte, dass nach dem Tod seines leiblichen Sohnes auch noch der in letzter Ehe mit der Altherrin erheiratete Stiefsohn Georg Mairhauser (auf dem Bild mit dem Rindskopfwappen gekennzeichnet) vor ihm ins Grab sank und damit seine Nachkommenschaft im Mannesstand endete. Schließlich bestahl ihn, wie wir aus Prozessakten wissen, auch noch seine Haushälterin, die ihm der Sattler Hybsch wegheiratete, um einen wertvollen Golddukaten aus dem Familienbesitz seiner Vorfahren, den sie ihrem Bräutigam als Liebesgabe reichte, und den Schächner nicht mehr zurückbekam, denn der Sattler »hätt nit gewisst, das es ein gestohlen guet seye« und das Erbstück veräußert.
So sah Schächner nach dem Auf und Ab seines Erdendaseins den weiterführenden Sinn seines Lebens darin, sich auf das Jenseitige zu konzentrieren. Sein Glaube an »ain frelliche Aufferstehung am Jüngsten Dag« gab ihm Hoffnung allen seinen verlustig gegangenen Lieben einstens doch noch wieder begegnen zu können. Nicht auf Erden, sondern an jenem imaginären Seelen-Ort, den man gemeinhin Himmel nennt. Diese Botschaft lag seinen Ansinnen wohl zugrunde, als er 1611 einen Maler beauftragte, nicht nur seine Familientragödie, sondern auch seine Glaubenshoffnung darzustellen.
Der Maler den Schächner aufsucht, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, wohnte wenige Schritte von seinem Haus am Stadtplatz entfernt. Er war »Inwohner auf den obern zwaien Thoren«. Hatte also Wohnung und Werkstatt in einem der beiden Türme am westlichen Stadtausgang (Oberes Tor oder Brothausturm). Sein Name war Gregor Hueber. Er war Werkstattnachfolger des Meister Martin, von dem man eben nur seinen Vornamen kennt, dessen Malergerechtsame Hueber erwerben konnte, als er nach dessen Tod die Tochter Christina heiratete. Das geschah im Jahr 1591. Drei Jahre später erhielt er von der Stadt das Bürgerrecht. Das war der typische Verlauf zur Erlangung der Zunftrechte und zur Etablierung in der urbanen Gesellschaft, die ihn als einzigen Maler in der Stadt alsbald mit Aufträgen eindeckte. Von der »Sunuhr« (= Sonnenuhr) an der St. Oswald Kirche, von der Verzierung der Sakristeischränke, bis hin zum Anstreichen der städtischen Kanonen (Feldstückl) reichte in der Folgezeit die Palette von Arbeiten, welche dem konkurenzlosen Maler in der Stadt zuflossen.
Jedoch die attraktivsten Aufträge kamen von außen, vornehmlich von der Inselabtei Frauenchiemsee. Sowohl für die Äbtissin Sabina Prayndorfer (1582-1609) als auch für deren Nachfolgerin Maria Magdalena Haidenbucher (1609-1650) war Hueber der Hausmaler des Klosters schlechthin, wenngleich man weiß, dass zur gleichen Zeit auch noch andere Namhafte dieser Zunft zum Zuge kamen und damit einen Wirrwarr von Zuschreibungen verursachten, der bis Dato nicht restlos aufzulösen ist.
Vor allem die Aussage der Haidenbucherin, kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 1609, in ihrem schon legendär gewordenen Tagebuch, in dem sie den Autor des großflächigen Rosenkranzbildes für das Fürstenzimmer der Abtei bekannt gibt »die hat unsa emalt maister Gregori Hueber, diser zeit maler zu Traunstein« gibt dem prüfenden Auge einige Rätsel auf. Dies mag auch noch für einige andere Arbeiten gelten, die dem Traunsteiner Maler im Inselkloster zugedacht werden.
Namhafte Kunsthistoriker erkennen allerdings zu Recht in den 36 Äbtissinnenbildnissen, die im Zeitraum von 1607 bis 1608 für Frauenchiemsee entstanden und von der Prayndorferin in Auftrag gegeben wurden, die Autorschaft Gregor Huebers. Sie entsprechen ganz und gar seinem etwas flächigen Malstil.
Ein Werk allerdings ist dort über allen Zweifeln erhaben, der Taufsteindeckel in Pyramidenform im Rückbereich des Inselmünsters. Die acht spitzförmig zulaufenden Flächen hat Gregor Hueber 1602 mit den 7 Sakramenten bemalt und eine Dreifaltigkeitszene hinzugefügt. Hier ist die Huebersche Malweise eindeutig, ist völlig identisch mit dem Haslacher Stifterbild des Hans Schächner. Hier spürt man förmlich seine Anwesenheit ohne auf eine schriftliche Quelle zurückgreifen zu müssen. Huebers Vorliebe für eine üppige Farbigkeit seiner Bilder ist bezeichnend. Er malt thementreu, lässt dabei aber jeglichen Schwung vermissen, zu dem viele seiner Zeitgenossen in barocker Vorahnung bereits ansetzen. Seine Versuche durch Architekturteile Raumtiefe zu vermitteln, gelingen ihm ganz selten. Genauso oft liefert er bei figürlichen Darstellungen »Einheitspersonen« ab, von wenig beseelten individuellem Ausdruck. Gregor Hueber war kein Maler von einer virtuosen Pinselführung, sondern ein guter Schilderer von Ereignissen.
Im Mittelteil der Haslacher Schächnerepitaphs setzt Hueber die damals sehr beliebte Szene von der »Auferweckung des Lazarus« ein. Dabei hält er sich streng an die biblische Überlieferung. Im Vordergrund Christus, ein Apostel, der dem Auferweckten das Leichentuch über dem Kopf abnimmt und Martha, die vom Wunder ergriffen am rechten Bildrand kniet. Dahinter eine staunende, dichtgedrängte Menschenmenge.
In der Anlage dieser Szene greift Hueber den Zeitgeschmack seiner Stil-epoche, des Manierismus auf. In dieser sich aus der mittelitalienischen Renaissance entwickelnden Stilform, gleichsam einer Zwischenstufe hin zum Frühbarock, waren derartige Massenszenen sehr beliebt.
Gregor Hueber erweißt sich also mit der Urheberschaft des Lazarusbildes als ein durchaus »moderner« Maler, der dem Stilempfinden seiner Zeit entsprechend komponierte.
Interessant wäre auch noch die Frage, welcher Kistler das Epitaph herstellte. Zweifellos war es ein ortsansässiger Kunsthandwerker, der mit der Fertigung von sakralen Einrichtungsgegenständen, sprich Altarbauten, vertraut war, den die gesamte Anlage entspricht ganz der Grundform der Renaissancealtars. Es ist eine gediegene, aber stilvolle Handwerksleistung, mit einer beiderseits von Voluten eingeschweiften Stifterpredella im Basisteil. Darüber folgt ein von zwei Pilastern mit Beschlagwerkkapitälen flankierter Mittelteil mit dem Lazarusbild an Stelle eines Schreines, bekrönt von einem trigonalen Giebelaufsatz mit einem schlichten Kreuz als Abschluss.
Rein nach dem Gefühl, müsste man hierbei in erster Linie an die damals in Traunstein führende Werkstatt des Tischlers Georg Prandstätter denken, dessen Nachfolger die Ornamentschneidekunst zu hoher Perfektion führten und später als die ersten Barockaltäre entstehen sollten, sich glänzend behaupten konnten.
Das Epitaph befand sich ursprünglich an der rechten Chorwand der Haslacher Michaelskapelle (heute Friedhofskapelle). Die besondere Beziehung des Stifters zu dieser Kapelle, lässt sich auch an den Schriftfragmenten an einer Kreuzrippe des spätgotischen Gewölbes ablesen.
»Hans Schächner burg(er) des Indern Rahts zu Traunstain ... uns seine Hausfrau ... (Feb)ruari (1) 616 ... Renoviert ...«
(restlicher Text nicht mehr leserlich)
Auch diese Inschrift dürfte einem Schriftvergleich zufolge, von Gregor Hueber stammen. Weitere Auf-Putz-Malereien von ihm kann man in der Filialkirche von Bernhaupten sehen, deren Wert aber eher in der Urtümlichkeit, denn ihrer künstlerischen Qualität liegt.
Ein besonders kurioses Werk aus seiner Hand ist die Zunfttruhe der Traunsteiner Bierbrauer (Aufschlag Drichl) im Stadt- und Spielzeugmuseum. In einer eher ins kindlich-naive abgleitenden Szenerie erfaßt er auf der Truhenfrontseite den Vorgang einer Braunbierprobe im frühen 17. Jahrhundert (1611). In Anwesenheit des Braumeisters und des herzoglichen Bräuverwalters schießt das Bier aus dem geöffneten Faß. Die Anwesenden Brauleute ringen die Hände, ob des Schlamassels. Wieder wird die große Erzählfreude des Malers deutlich.
Weitere Werke Gregor Huebers finden sich leider nicht mehr. Aus Einträgen in den Kirchenrechnung und dem Beständen des Stadtarchives weiß man, dass er 1609 zwei Fastentücher für die Pfarrkirche Haslach malt, die als verschollen gelten. Ebenso unbekannt ist der Verbleib des 3 1/8 Ellen großen Altarbildes mit dem Pfingstwunder, für die ehemalige Hl. Geistkirche in der östlichen Vorstadt. (1611).
Generell kann man sagen, dass die Huebersche Malerwerkstatt am oberen Tor ein florierender Familienbetrieb war, in dem jeder Hand anlegte. In einem Fall wurde sogar »die alte Schwigerin« also seine Schwiegermutter für das Anreiben der Farben von der Stadt separat entlohnt. Bei einem anderen städtischen Auftrag heißt es, »seinem Sun Michl 1/4 daller drinkhgeld göben,« womit Gregor Huebers Sohn Michael gemeint ist, der später für kurze Zeit die Werkstatt weiterführte, dann aber etwa um das Jahr 1630, nach Erbstreitigkeiten mit seinen Geschwistern nach Waging abwanderte. Einem Eintrag in den Kirchenrechungen der Pfarrei Otting zufolge, schuf er dort die frühbarocken Fresken der Nebenkirche St. Anna zu Tettelham. Michael Hueber aber genoss allem Anschein nach nicht die große Nachfrage, die zeitlebens seinem Vater zuteil wurde.
Wann dieser fleißige Kunsthandwerker, Gregor Hueber der als der Maler des Haslacher Schächnerepitaphs zu gelten hat, starb ist nicht verbürgt. Er dürfte sich ohne besonderen Nachhall zwischen 1613 und 1616 von Pinsel und Pallette und von dieser Welt für immer verabschiedet haben. Die Huebersche Werkstatt wurde ab 1630 nicht mehr weitergeführt.
Albert Rosenegger
3/2007
Holzepitaphe, wie sie deren zwei die Pfarrei Haslach besitzt, gehören längst zu den seltengewordenen Exemplaren eines frühneuzeitlichen Erinnerungskultes an einen Verstorbenen und deren Familienmitglieder, welcher nicht selten auch noch von kirchlichem Langzeitstipendien sog. »Ewigmessen« begleitet wurde.
Fast immer wurden sie an Standorten angebracht, zu denen der Verstorbene vorher eine besondere Beziehung aufrecht hielt.
Etwa in einer Kirche oder Kapelle zu deren Erhalt und Ausstattung durch Stiftungen beigetragen wurde, in der Nähe bestimmter Altäre und Heiltümer, oder über der Begräbnisstätte, denn viele Mäzene sicherten sich einen exponierten Grabplatz im Chorraum oder Schiff eines Gotteshauses.
Im Fall der beiden Haslacher Epitaphe kann man davon ausgehen, dass einst alle diese aufgeführten Faktoren zusammentrafen.
Solche Denkmale des eigenen Lebens und Wirkens, ließ der Auftraggeber noch zu seinen Lebzeiten anfertigen. In den selteneren Fällen verließ man sich auf das Wohlwollen, der moralischen Verpflichtung oder den guten Geschmack der Hinterbliebenen. Was man zu seinem »ewigen christlichen Gedechtnus« noch bei Lebenszeiten aufrichten konnte, das nahm man selbst in die Hand und ließ sich dies auch etwas kosten. Wünschte man ein Epitaphium aus rotem oder weißen Marmorstein, so blieb der Weg zu den Kunstzentren Salzburg, Burghausen, Landshut oder Wasserburg nicht erspart, den Traunstein konnte bis zum Eintritt in die Hochbarockphase keinen qualitätvollen Steinmetz oder Bildhauer vorweisen. »Begnügte« man sich mit einem (wahrscheinlich preisgünstigeren) Holzepitaph, so fand man, zumindest in Traunstein, in den ortsansässigen Kistlern und Malern bewährte Kräfte vor und konnte sich nebenher noch mit der Nota schmücken, ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Denn seit der späten Renaissance bis hinein in die erste Blüte des Barocks waren diese Memorials in Holz durchaus eine moderne Alternative zum bewährten Steindenkmal.
Dass man sie heute so selten antrifft (im Chiemgau kann man sie an den Fingern einer Hand abzählen) liegt nicht daran, dass man hierzulande dem Trend nicht gefolgt wäre, sondern vielmehr, dass sich der Zahn der Zeit leichter tat ihnen beizukommen und nochmehr die Gleichgültigkeit einer wertopfernden Gesellschaft, und das über Jahrhunderte hinweg.
So gesehen ist die denkmalpflegerische Initiative der Stadtpfarrei Haslach nicht genug hervorzuheben.
Das Epitaph des Hans Schächner in Haslach
Das ältere der beiden Tafelbilder ist auf das Jahr 1611 datiert. In diesem Jahr hat der Traunsteiner Ratsbürger, Gastwirt und Handelsmann Hans Schächner (verschiedentlich auch Schachner geschrieben) für sich, seine 4 verstorbenen Ehefrauen und deren Kinder die Gedenktafel anfertigen und mit folgendem Text versehen lassen.
Gott zu Lob und ehr hat d(er) fürsichtige und Weiß H(err) Hans Schächner Purg(er) des Indern Rat(es) zu Thraunstain Ime saine 4 gestorbenen Hausfrauen und deren paidertheils erzeugten kindtern dises Eppitaffum hieher Gedan und Malln lassen. Im 1611 Jar. Gott verleiche Allen gestorbenen die Ewig Rueh und am Jüngsten dag eine frelliche Auferstehung. Amen.
Im linken unteren Teil des Epitaphes ist der Stifter als noch lebende Person (unbekreuzigt) mit 2 verstorbenen Söhnen abgebildet. Auf der rechten Seite, ebenfalls zur Bildmitte gewandt, die ihm vorausgegangenen Ehefrauen und fünf Töchter, von denen eine zum Zeitpunkt der Epitaphherstellung noch am Leben war. Die Frauen tragen die bürgerliche Kleidung jener Zeit mit Halskrausen und Kopfschleier und sind in betender Haltung mit Rosenkränzen in den Händen dargestellt. Über ihren Häup-tern erscheinen deren Vor- und Geburtsnamen und die Wappen ihrer Abstammungsfamilien.
Daraus lässt sich rekonstruieren, dass der Handelsmann in erster Ehe mit einer Barbara Hofkirchner, in zweiter mit einer Magdalena Pergerin, in dritter mit der Witwe des Inzeller Hofmarksrichters Wolf Reiter, also mit Anna Englsperger und im vierten Ehestand mit Katharina Altherr, dem weiblichen Spross einer alteingessenen Traunsteiner Bürgersfamilie verheiratet war. Diese war vor dem ehelichen Zusammenstand mit Schächner mit dem Gastwirt Mairhauser von Ranhering/Alz verheiratet und brachte als Witwe einen Sohn namens Georg und die auf dem Stifterbild neben ihr stehende Tochter Maria mit in die Schächnerische Ehe.
Diese Maria Mairhauser trat später in den weiblichen Konvent des Münchener Angerklosters ein. Das weiß man aus Nachlassprotokollen des Traunsteiner Stadtarchivs, als nach dem Tod Schächners die Äbtissin des noblen Damenstiftes 250 Gulden aus dessen Erbmasse für das Kloster einforderte. Aus diesem Streit mit den Erben im Jahr 1625 lässt sich das Todesjahr Schächners festlegen. Er lebte also nach der Herstellung des Epitaphs noch volle 14 Jahre.
Hans Schächner gehörte zu seinen Lebzeiten mit Sicherheit der bürgerlichen Oberschicht Traunsteins an, führte an der Sonnenseite des Stadtplatzes eine Weinwirtschaft mit allerlei anderen Handelswaren und besaß noch ein weiteres Haus an der oberen Querzeile (Schaumburgerstr.).
Bei einer Pferdezählung im Jahr 1608 tritt er als Halter von zwei Pferden auf, dem Ausweis eines besonderen Wohlstandes. Sein öffentliches Ansehen bewog ihn verschiedene Ehrenämter anzutreten, so als Kontrolleur der Fleischpreise (Fleischsetzer), als Ratsherr und ab dem Jahr 1606 in regelmäßigen Abständen als Amtsbürgermeister. Da er des öffteren als Urkundensiegler auftritt, liegt der Schluss nahe, dass er in Rechtsangelegenheiten gut beschlagen war.
Seinen Status entsprechend führte Schächner auch ein Hauswappen. Ein auf rotem Schild aufgeschlagenes Buch mit einer Narrenkappe davor, bekrönt von einem Mohren in der Helmzier. Diese Wappenkonstellation könnte ein Vorfahr als Anspielung auf seine Lebensphilosophie, die Dinge die einem so mitspielen nicht allzu ernst zu nehmen, gewählt haben.
Schächner hingegen erscheint auf dem Stifterbild als ein sehr ernstblickender Familienpatriarch. Dazu hatte er allen Grund, denn wie die ganze ins Bild gerückte Familiengeschichte kund tut, hatte er Zeit seines Ehelebens Schicksalsschläge am laufenden Band hinzunehmen. Dazu gehörte, dass nach dem Tod seines leiblichen Sohnes auch noch der in letzter Ehe mit der Altherrin erheiratete Stiefsohn Georg Mairhauser (auf dem Bild mit dem Rindskopfwappen gekennzeichnet) vor ihm ins Grab sank und damit seine Nachkommenschaft im Mannesstand endete. Schließlich bestahl ihn, wie wir aus Prozessakten wissen, auch noch seine Haushälterin, die ihm der Sattler Hybsch wegheiratete, um einen wertvollen Golddukaten aus dem Familienbesitz seiner Vorfahren, den sie ihrem Bräutigam als Liebesgabe reichte, und den Schächner nicht mehr zurückbekam, denn der Sattler »hätt nit gewisst, das es ein gestohlen guet seye« und das Erbstück veräußert.
So sah Schächner nach dem Auf und Ab seines Erdendaseins den weiterführenden Sinn seines Lebens darin, sich auf das Jenseitige zu konzentrieren. Sein Glaube an »ain frelliche Aufferstehung am Jüngsten Dag« gab ihm Hoffnung allen seinen verlustig gegangenen Lieben einstens doch noch wieder begegnen zu können. Nicht auf Erden, sondern an jenem imaginären Seelen-Ort, den man gemeinhin Himmel nennt. Diese Botschaft lag seinen Ansinnen wohl zugrunde, als er 1611 einen Maler beauftragte, nicht nur seine Familientragödie, sondern auch seine Glaubenshoffnung darzustellen.
Der Maler den Schächner aufsucht, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, wohnte wenige Schritte von seinem Haus am Stadtplatz entfernt. Er war »Inwohner auf den obern zwaien Thoren«. Hatte also Wohnung und Werkstatt in einem der beiden Türme am westlichen Stadtausgang (Oberes Tor oder Brothausturm). Sein Name war Gregor Hueber. Er war Werkstattnachfolger des Meister Martin, von dem man eben nur seinen Vornamen kennt, dessen Malergerechtsame Hueber erwerben konnte, als er nach dessen Tod die Tochter Christina heiratete. Das geschah im Jahr 1591. Drei Jahre später erhielt er von der Stadt das Bürgerrecht. Das war der typische Verlauf zur Erlangung der Zunftrechte und zur Etablierung in der urbanen Gesellschaft, die ihn als einzigen Maler in der Stadt alsbald mit Aufträgen eindeckte. Von der »Sunuhr« (= Sonnenuhr) an der St. Oswald Kirche, von der Verzierung der Sakristeischränke, bis hin zum Anstreichen der städtischen Kanonen (Feldstückl) reichte in der Folgezeit die Palette von Arbeiten, welche dem konkurenzlosen Maler in der Stadt zuflossen.
Jedoch die attraktivsten Aufträge kamen von außen, vornehmlich von der Inselabtei Frauenchiemsee. Sowohl für die Äbtissin Sabina Prayndorfer (1582-1609) als auch für deren Nachfolgerin Maria Magdalena Haidenbucher (1609-1650) war Hueber der Hausmaler des Klosters schlechthin, wenngleich man weiß, dass zur gleichen Zeit auch noch andere Namhafte dieser Zunft zum Zuge kamen und damit einen Wirrwarr von Zuschreibungen verursachten, der bis Dato nicht restlos aufzulösen ist.
Vor allem die Aussage der Haidenbucherin, kurz nach ihrem Amtsantritt im Jahr 1609, in ihrem schon legendär gewordenen Tagebuch, in dem sie den Autor des großflächigen Rosenkranzbildes für das Fürstenzimmer der Abtei bekannt gibt »die hat unsa emalt maister Gregori Hueber, diser zeit maler zu Traunstein« gibt dem prüfenden Auge einige Rätsel auf. Dies mag auch noch für einige andere Arbeiten gelten, die dem Traunsteiner Maler im Inselkloster zugedacht werden.
Namhafte Kunsthistoriker erkennen allerdings zu Recht in den 36 Äbtissinnenbildnissen, die im Zeitraum von 1607 bis 1608 für Frauenchiemsee entstanden und von der Prayndorferin in Auftrag gegeben wurden, die Autorschaft Gregor Huebers. Sie entsprechen ganz und gar seinem etwas flächigen Malstil.
Ein Werk allerdings ist dort über allen Zweifeln erhaben, der Taufsteindeckel in Pyramidenform im Rückbereich des Inselmünsters. Die acht spitzförmig zulaufenden Flächen hat Gregor Hueber 1602 mit den 7 Sakramenten bemalt und eine Dreifaltigkeitszene hinzugefügt. Hier ist die Huebersche Malweise eindeutig, ist völlig identisch mit dem Haslacher Stifterbild des Hans Schächner. Hier spürt man förmlich seine Anwesenheit ohne auf eine schriftliche Quelle zurückgreifen zu müssen. Huebers Vorliebe für eine üppige Farbigkeit seiner Bilder ist bezeichnend. Er malt thementreu, lässt dabei aber jeglichen Schwung vermissen, zu dem viele seiner Zeitgenossen in barocker Vorahnung bereits ansetzen. Seine Versuche durch Architekturteile Raumtiefe zu vermitteln, gelingen ihm ganz selten. Genauso oft liefert er bei figürlichen Darstellungen »Einheitspersonen« ab, von wenig beseelten individuellem Ausdruck. Gregor Hueber war kein Maler von einer virtuosen Pinselführung, sondern ein guter Schilderer von Ereignissen.
Im Mittelteil der Haslacher Schächnerepitaphs setzt Hueber die damals sehr beliebte Szene von der »Auferweckung des Lazarus« ein. Dabei hält er sich streng an die biblische Überlieferung. Im Vordergrund Christus, ein Apostel, der dem Auferweckten das Leichentuch über dem Kopf abnimmt und Martha, die vom Wunder ergriffen am rechten Bildrand kniet. Dahinter eine staunende, dichtgedrängte Menschenmenge.
In der Anlage dieser Szene greift Hueber den Zeitgeschmack seiner Stil-epoche, des Manierismus auf. In dieser sich aus der mittelitalienischen Renaissance entwickelnden Stilform, gleichsam einer Zwischenstufe hin zum Frühbarock, waren derartige Massenszenen sehr beliebt.
Gregor Hueber erweißt sich also mit der Urheberschaft des Lazarusbildes als ein durchaus »moderner« Maler, der dem Stilempfinden seiner Zeit entsprechend komponierte.
Interessant wäre auch noch die Frage, welcher Kistler das Epitaph herstellte. Zweifellos war es ein ortsansässiger Kunsthandwerker, der mit der Fertigung von sakralen Einrichtungsgegenständen, sprich Altarbauten, vertraut war, den die gesamte Anlage entspricht ganz der Grundform der Renaissancealtars. Es ist eine gediegene, aber stilvolle Handwerksleistung, mit einer beiderseits von Voluten eingeschweiften Stifterpredella im Basisteil. Darüber folgt ein von zwei Pilastern mit Beschlagwerkkapitälen flankierter Mittelteil mit dem Lazarusbild an Stelle eines Schreines, bekrönt von einem trigonalen Giebelaufsatz mit einem schlichten Kreuz als Abschluss.
Rein nach dem Gefühl, müsste man hierbei in erster Linie an die damals in Traunstein führende Werkstatt des Tischlers Georg Prandstätter denken, dessen Nachfolger die Ornamentschneidekunst zu hoher Perfektion führten und später als die ersten Barockaltäre entstehen sollten, sich glänzend behaupten konnten.
Das Epitaph befand sich ursprünglich an der rechten Chorwand der Haslacher Michaelskapelle (heute Friedhofskapelle). Die besondere Beziehung des Stifters zu dieser Kapelle, lässt sich auch an den Schriftfragmenten an einer Kreuzrippe des spätgotischen Gewölbes ablesen.
»Hans Schächner burg(er) des Indern Rahts zu Traunstain ... uns seine Hausfrau ... (Feb)ruari (1) 616 ... Renoviert ...«
(restlicher Text nicht mehr leserlich)
Auch diese Inschrift dürfte einem Schriftvergleich zufolge, von Gregor Hueber stammen. Weitere Auf-Putz-Malereien von ihm kann man in der Filialkirche von Bernhaupten sehen, deren Wert aber eher in der Urtümlichkeit, denn ihrer künstlerischen Qualität liegt.
Ein besonders kurioses Werk aus seiner Hand ist die Zunfttruhe der Traunsteiner Bierbrauer (Aufschlag Drichl) im Stadt- und Spielzeugmuseum. In einer eher ins kindlich-naive abgleitenden Szenerie erfaßt er auf der Truhenfrontseite den Vorgang einer Braunbierprobe im frühen 17. Jahrhundert (1611). In Anwesenheit des Braumeisters und des herzoglichen Bräuverwalters schießt das Bier aus dem geöffneten Faß. Die Anwesenden Brauleute ringen die Hände, ob des Schlamassels. Wieder wird die große Erzählfreude des Malers deutlich.
Weitere Werke Gregor Huebers finden sich leider nicht mehr. Aus Einträgen in den Kirchenrechnung und dem Beständen des Stadtarchives weiß man, dass er 1609 zwei Fastentücher für die Pfarrkirche Haslach malt, die als verschollen gelten. Ebenso unbekannt ist der Verbleib des 3 1/8 Ellen großen Altarbildes mit dem Pfingstwunder, für die ehemalige Hl. Geistkirche in der östlichen Vorstadt. (1611).
Generell kann man sagen, dass die Huebersche Malerwerkstatt am oberen Tor ein florierender Familienbetrieb war, in dem jeder Hand anlegte. In einem Fall wurde sogar »die alte Schwigerin« also seine Schwiegermutter für das Anreiben der Farben von der Stadt separat entlohnt. Bei einem anderen städtischen Auftrag heißt es, »seinem Sun Michl 1/4 daller drinkhgeld göben,« womit Gregor Huebers Sohn Michael gemeint ist, der später für kurze Zeit die Werkstatt weiterführte, dann aber etwa um das Jahr 1630, nach Erbstreitigkeiten mit seinen Geschwistern nach Waging abwanderte. Einem Eintrag in den Kirchenrechungen der Pfarrei Otting zufolge, schuf er dort die frühbarocken Fresken der Nebenkirche St. Anna zu Tettelham. Michael Hueber aber genoss allem Anschein nach nicht die große Nachfrage, die zeitlebens seinem Vater zuteil wurde.
Wann dieser fleißige Kunsthandwerker, Gregor Hueber der als der Maler des Haslacher Schächnerepitaphs zu gelten hat, starb ist nicht verbürgt. Er dürfte sich ohne besonderen Nachhall zwischen 1613 und 1616 von Pinsel und Pallette und von dieser Welt für immer verabschiedet haben. Die Huebersche Werkstatt wurde ab 1630 nicht mehr weitergeführt.
Albert Rosenegger
3/2007