Jahrgang 2022 Nummer 39

Ludwig der Bayer: Sieger der letzten Ritterschlacht1 1322

Wittelsbacher kämpft bei Mühldorf gegen Ludwig den Schönen um deutsche Königskrone

Ludwig IV. triumphiert in der Schlacht von Mühldorf 1322. Kolorierter Holzstich nach einer Zeichnung von Adolf Erhardt um 1860. (Repros: Mittermaier)
Friedrich der Schöne war ein Vetter Ludwigs, dessen Mutter Mathilde eine Habsburgerin war.
Drei Jahre lang war Friedrich der Schöne in der Burg Trausnitz – hier eine Lithographie von 1868 – gefangen.

Für den bayerischen Herzog ging es um die Königskrone – für den Mönch Martin dagegenumHaus und Hof. Ob der Ordensbruder tatsächlich, wie behauptet, die Gabe des zweiten Gesichts besaß oder nicht doch nur von schlichter Spielleidenschaft getrieben war, lässt sich heute leider nicht mehr klären.

Im Frühjahr 1322 soll Martin mit einem Münchner Bürger um seinen Bauernhof gewettet haben, dass der Habsburger Friedrich der Schöne spätestens am kommenden Michaelstag – gemeint war der 29. September – in Gefangenschaft sein würde. Als besagter Tag kam, war in München nichts von einer Inhaftierung Friedrichs bekannt, worauf sich Martins Widersacher zum Sieger erklärte und seinen Gewinn – weil der Mönch sich weigerte, die Niederlage einzugestehen – per Gerichtsbeschluss in Besitz nahm. Martin schwor dagegen verzweifelt Stein und Bein, dass seine Prophezeiung derWahrheit entspräche – und sollte am Ende doch noch Recht behalten.

Friedrich hatte am 28. September bei der wahlweise als Schlacht bei Ampfing oder Schlacht von Mühldorf in die Geschichte eingegangene Auseinandersetzung mit seinem Vetter Ludwig den Bayern den Kürzeren gezogen. Bis die Nachricht vom Schauplatz bis nach München drang, dauerte es offenbar ein paar Tage, weshalb der wetteifrige Mönch zunächst als Verlierer galt. Am Ende bekam er aber nicht nur seinen Hof zurück, sondern auch den Einsatz seines Gegners in Form von 100 Mark.

Für mehr als 1000 Zeitgenossen gingen die Streitigkeiten zwischen Ludwig und Friedrich an jenem 28. September 1322 – heuer vor genau 700 Jahren – dagegen alles andere als glimpflich aus: Sie lagen, von Pfeilen, Lanzen, Schwertern und anderen Waffen wahlweise durchbohrt, zerteilt oder erschlagen tot auf einer Flur in der heutigen Gemeinde Erharting im Landkreis Mühldorf am Inn. Die blutige Auseinandersetzung gilt heute als die letzte große Ritterschlacht, in der noch keine Feuerwaffen zum Einsatz kamen. Sie bedeutete darüber hinaus das Ende eines seit Jahren schwelenden Konflikts, der sich an der Wahl zum römisch-deutschen König 1314 entzündet hatte.

Nach dem Tod König Heinrichs VII. 1313 hatten sich zwei Kandidaten – der Wittelsbacher Ludwig IV. und der Habsburger Friedrich der Schöne – umdie Krone beworben. In einer gemeinsamen Wahl gegeneinander anzutreten, lehnten beide jedoch ab, was zur paradoxen Situation führte, dass sowohl Friedrich wie auch Ludwig von ihren jeweiligen Parteigängern unter den stimmberechtigten Kurfürsten zum König erklärt und anschließend auch gekrönt wurden. In der Folge versuchten beide Herrscher dem jeweils anderen die Macht streitig zu machen, was nach jahrelangem Zwist ohne Lösung schließlich auf dem Schlachtfeld mündete – und das, obwohl die beiden Streithähne nicht nur Cousins – allerdings nur zweiten Grades waren, sondern zeitweise auch noch gemeinsam am Wiener Hof erzogen worden waren. Diese familiären Verbindungen hielten die beiden jungen Männer aber nicht davon ab, gegeneinander in den Krieg zu ziehen – und die Schlacht von Mühldorf war keineswegs das erste blutige Aufeinandertreffen der beiden Adelssprosse.

Ein Jahr vor der unheilvollen Königswahl waren die Vettern in einer als Schlacht von Gammelsdorf bezeichneten Auseinandersetzung in der Nähe von Moosburg aufeinander losgegangen. Auslöser für dieses Scharmützel war ein Streit, der zwischen Ludwig und seinem älteren Bruder Rudolph ausgebrochen war, in dem es um die Vormundschaft über drei minderjährige niederbayerische Vettern und die damit verbundene Regentschaft über das Herzogtum Niederbayern ging. Zunächst hatte sich Ludwig zum Vormund und Regenten der Buben erklärt, worauf auch Rudolph, der mit Ludwig seit Jahren um die Herrschaft in den eigenen, oberbayerischen Landen rangelte, Ansprüche anmeldete.

Ludwig versuchte seine Position in Niederbayern zu festigen, indem er sich die Unterstützung seines österreichischen Cousins Friedrich sicherte. Das ging allerdings den niederbayerischen Städten Landshut und Regensburg gegen den Strich, die nun ihrerseits eine Allianz mit Rudolph bildeten. Als Ludwig erkannte, dass er mit seiner Taktik ins Hintertreffen geraten könnte, brach er mit Friedrich. Doch auch damit war der Konflikt nicht vorbei, denn die Mütter der minderjährigen Herzöge von Niederbayern verbündeten sich nun ihrerseits wieder mit Friedrich und übertrugen ihm die Vormundschaft samt Regierung. Am Ende war die Situation so verworren, dass das Schwert die Lösung bringen sollte, wobei Ludwig schon in Gammelsdorf im November 1313 als Sieger vom Platz ging.

Ein Jahr später standen sich Ludwig und Friedrich dann erneut gegenüber – diesmal allerdings nicht auf einem zugigen Feld in der oberbayerischen Pampas, sondern auf dem diplomatischen Parkett. Der römisch-deutsche König Heinrich VII. war im Sommer 1313 gestorben und sowohl Ludwig als auch Friedrich meldeten Anspruch auf dessen Nachfolge an. Beide wollten jedoch nicht in einer gemeinsamen Wahl gegeneinander antreten, was zu dem Kuriosum führte, dass Friedrich von den ihm gewogenen Kurfürsten am 19. Oktober und Ludwig einen Tag später wiederum von seinen Parteigängern zum römischdeutschen Herrscher gewählt wurde – womit es dann tatsächlich zwei Könige gab.

Nach der jeweiligen Krönung wandten sich dann beide an den Papst mit der Bitte um Unterstützung ihrer Person – was faktisch die Entmachtung des jeweils anderen bedeutet hätte. Der Pontifex wollte sich jedoch nicht in den Konflikt hineinziehen lassen und verweigerte beiden die von Seiten des Heiligen Stuhls notwendige Legitimation. Damit blieb es beim – von Rom nicht abgesegneten – doppelten Königstum, wobei jede der Seiten versuchte, die Vorherrschaft über die andere zu erlangen, was schließlich 1322 in die Mühldorfer Schlacht mündete.

Kurios: Genau ein Jahr zuvor, im September 1321, waren sich die beiden Gegner schon einmal mit ihren Heeren ebenfalls bei Mühldorf gegenübergestanden, doch damals war es nicht zum Kampf gekommen. Grund dafür waren Gerüchte über ein geplantes Attentat auf Ludwig, worauf dessen Militärs den Wittelsbacher überzeugten, lieber den Rückzug anzutreten, um das Leben des Wittelsbachers nicht unnötig zu riskieren. Imfolgenden Jahr sollte die entgangene Entscheidung dann nachgeholt werden, und zwar am gleichen Ort wie im Jahr zuvor.

Was sich in jenen Septembertagen 1322 in der bayerischen Provinz abgespielt hat, ist heute aufgrund der schwierigen Quellenlage nicht mehr in allen Einzelheiten nachzuvollziehen. Das beginnt schon bei der Verortung der Schlacht selbst: Bis vor wenigen Jahrzehnten war nicht einmal klar, auf welchem Fleckchen Erde sich die bayerisch-böhmischen auf der einen Seite und die österreichisch-ungarischen Truppen auf der anderen die Köpfe einschlugen. Erst die in jüngster Vergangenheit von einem Hobbyarchäologen zutage geförderten Funde auf einer Flur in der heutigen Gemeinde Erharting nördlich von Mühldorf – Pfeil- und Lanzenspitzen, Dolche, Hufeisen und Knochen – lieferten im wahrsten Sinn des Wortes stichhaltige Beweise, dass sich hier der Kampfort von 1322 befinden dürfte.

Die zeitgenössischen Berichte über den Verlauf der Schlacht sind nur bedingt aussagekräftig, denn sie wurden nicht von am Kampfgeschehen beteiligten Augenzeugen erstellt, sondern entstanden erst Monate, zumTeil sogar Jahre später mit Informationen, deren Quellen nicht wirklich nachvollziehbar sind. Den mehr oder minder parteiischen Verfassern – meist Schreiber in Klöstern oder im Umfeld von Fürstenhöfen – war darüber hinaus auch nicht an einer möglichst neutralen Schilderung gelegen, sondern ihre Absicht war es, ihrer Gesinnung gemäß entweder die eine oder andere Seite der streitenden Parteien in ein möglichst gutes Licht zu stellen.

Entsprechend schwierig gestaltet sich für heutige Historiker die Frage, was in den überlieferten Berichten tatsächlich Fakten und was nur gut erfundene Fiktion entspricht. So lässt sich beispielsweise auch die Truppenstärke der beiden Seiten nur ungefähr ermitteln.

Der böhmische Chronist Peter von Zittau spricht in seinem um 1325 verfassten Bericht über die Schlacht von 1800 »Helmen« – gemeint sind damit schwer bewaffnete Reiter – auf bayerisch-böhmischer Seite und 1400 auf österreichisch-ungarischer Seite, dazu kamen rund 5000 Mann Fußvolk auf Habsburger und etwa 4000 auf Wittelsbacher Seite. Die zusätzlichen 1200 Reiter, mit denen Herzog Leopold seinen Bruder unterstützen sollte, kamen dagegen nicht zum Einsatz, denn der aus Schwaben heranrückende Habsburger gelangte mit seinen Männern nicht rechtzeitig zum Kampfort. Grund dafürwar, dass die Schlacht offenbar früher losging, als erwartet, was merkwürdigerweise von Friedrich inszeniertworden sein soll – ein Schritt, der logisch nicht nachzuvollziehen ist, da er die Truppen seines Bruders ja dringend benötigt hätte. Möglicherweise hat der Habsburger aber auch die Schlagkraft der 5000 Ungarn überschätzt, die sich nämlich alles andere als ein Bein ausrissen in den Kämpfen und bei der erst besten Gelegenheit die Flucht vom Schlachtfeld suchten, was nach damaliger Gepflogenheit als Zeichen der Niederlage galt.

Wie bei mittelalterlichen Metzeleien üblich, dauerte die Angelegenheit insgesamt nur wenige Stunden: Am Morgen des 28. September zum Angriff geblasen, befand sich Verlierer Friedrich schon am Nachmittag des gleichen Tags in den Händen seiner Feinde. Dass Ritterschlachten nicht wie moderne Kriege zur Materialschlacht gerieten, lag an der damaligen Kampftechnik: Anders als später mit Gewehren, Kanonen oder gar Raketen oder Drohnen musste die Entscheidung im Mittelalter über den Kampf von Mann zu Mann gesucht werden. Dementsprechend stürzten beide Seiten, egal ob zu Pferd oder zu Fuß aufeinander los bis sich alles im wüsten Durcheinander befand, Mensch gegen Mensch, Mensch gegen Tier und Tier gegen Mensch, wobei vor allem die Vierbeiner gefährliche Gegner waren, denn von Lärm und Chaos wildgewordene Gäuler nahmen in ihrer Panik keine Rücksicht darauf, ob sie bei ihrer Flucht Freund oder Feind unter die Hufe bekamen und auch am Boden liegende Soldaten konnten für andere Kämpfer zu tückischen Stolperfallen werden.

Rund 1000 Mann – von etwa 10 000 Soldaten – lagen am Ende tot auf der Wiese bei Mühldorf. Wie viele davon in Diensten Ludwigs gestanden waren, der neben seinen eigenen Truppen Verstärkung aus Luxemburg, Böhmen sowie Nürnberg hatte und wie viele Opfer die Gegenseite zu beklagen hatte, ist nicht bekannt. Die häufigste Todesursache in mittelalterlichen Kriegen war übrigens Verbluten, gefolgt von Verletzungen, die durch spitze oder stumpfe Waffen verursacht wurden, wobei das Arsenal von Pfeilen über Lanzen, Schwertern, Dolchen bis hin zu Schleuderwaffen und Knüppeln reichte.

Friedrich der Schöne überstand die Schlacht zwar unbeschadet, geriet aber in die Hände seines Erzfeinds und wurde drei Jahre lang in der oberpfälzischen Burg Trausnitz im Tal inhaftiert mit der Absicht, für seine Freilassung Lösegeld zu kassieren – das dann aber doch nicht gezahlt wurde. Schuld daran war Papst Johannes XXII., den Ludwig nach der Schlacht um die Legitimation seines Königstitels gebeten hatte. Der Pontifex forderte den Wittelsbacher jedoch stattdessen auf, die Krone niederzulegen, weil die Wahl 1314 aus Sicht des Heiligen Stuhls ungültig war. Als Ludwig sich weigerte, wurde er exkommuniziert.

1325 einigten sich Ludwig und Friedrich schließlich auf eine Versöhnung in Form einer gemeinsamen Herrschaft. Friedrich wurde allerdings schon zwei Jahre später endgültig von Ludwig entmachtet, als dieser sich 1327 in Rom zum Kaiser krönen ließ – vom römischen Volk und nicht vom Papst, der damals in Avignon residierte. Der erste römisch-deutsche Kaiser aus Bayern regierte anschließend noch zwei Jahrzehnte und starb 1347 auf der Jagd bei Fürstenfeldbruck.

 

Susanne Mittermaier

 

39/2022