Leben und Werk von Johann Georg von Dillis
Der geniale Zeichner ist im Lenbachhaus zu entdecken

Kirchweihschießen, 1792. Schwarze Kreide, aquarelliert, Feder auf Papier, 164 mal 204 mm, Zeichnungsnachlass des Historischen Vereins von Oberbayern Dauerleihgabe im Lenbachhaus.

Baum mit ruhendem Waldarbeiter, 1790er Jahre, Pinsel in Grau und Braun über schwarzer Kreide, wenig Feder auf Papier 254 mal 204 mm, Zeichnungsnachlass des Historischen Vereins von Oberbayern, Dauerleihgabe im Lenbachhaus.
Priester war er und Mitglied des Illuminatenordens. Das Zeichnen aber lag ihm mehr als die Theologie und das Freimaurertum. Kurfürst Max III. Joseph, der in der Gegend von Schwindkirchen (im heutigen Landkreis Mühldorf am Inn) jagte und zwangsläufig mit seinem Revierförster Wolfgang Dillis und dessen Frau Elisa-
beth zu tun hatte, gefiel das Söhnchen Johann Georg der Försterleute »ob der Gmain« bei Giebing so gut, dass er ihm den Besuch des Wilhelmsgymnasium in der kgl. Residenzstadt München ermöglichte und ihn nach Rom mit einem Stipendium zur künstlerischen Ausbildung schicken wollte, wär er, Max III. Joseph, nicht unversehens 1777 gestorben. Dennoch: das Talent des Giebinger Förstersbuben zum Malen und Zeichnen setzte sich durch, wurde bei Franz Ignaz Oefele und Johann Jakob Dorner d. Ä. an Münchens Zeichnungsakademie vervollkommnet und sollte Johann Georg Dillis zum Lebensinhalt werden. Dem großen Künstler, zur sogenannten Münchener Schule zählend, widmet die Städtische Galerie im Münchner Lenbachhaus eine große Ausstellung: »Die Kunst des Privaten« nannte sie Dillis-Forscherin und Kuratorin Barbara Hardtwig. Bis zum 30. November 2003 zeigt sie, was sie im überbordenden Nachlass des Historischen Vereins von Oberbayern, der ihr zur wissenschaftlichen Durchforstung anvertraut wurde, vorfand. Nein, nicht alle 8000 Blätter und 40 Skizzenbücher, die Dillis hinterließ. Eine gute Auswahl aus dem reichen Bestand, der seit 1996 dem Lenbachhaus gehört, tut’s auch schon, um Laien staunen und Fachleute sich wundern zu lassen: Dillis schenkt ihnen beiden beglückende Schau-Stunden in mehreren Räumen des Lenbachhauses. Allein seine 250 Wolkenstudien hätten alle Säle gefüllt. Es reicht aber einer, um die Kunst, das Flüchtige festzuhalten, an Dillis neu oder gar erstmals erleben zu lassen. »Wenn ich ein Landschaftsmaler wäre, ich malte ein ganzes Jahr weiter nichts als Lüfte und besonders Sonnenuntergänge. Welch ein Zauber, welche unendliche Melodien von Licht und Dunkel, und Wolkenformen und heiterm Blau! Und was man davon malen kann, dauert nur wenige Momente; die glücklichste Phantasie und Empfindung gehört dazu, es aufzubewahren.« Schrieb im Jahre 1787 Wilhelm Heinse in seinem Roman »Ardinghello«. Passt genau zu den Wolkenbildern von Dillis Gnaden: einen Zauber, Melodien von Licht und Dunkel, heiteres Blau ... Dass Dillis ab 1812 bis zu seinem Lebensende viel und gerne mit weißer Kreide auf blauem Grund zeichnete, verdankt er, so Barbara Hardtwigs Vermutung, einer Anregung, die er um 1805 in Rom empfangen haben könnte. Manche Wolkenstudien halten nicht nur das Tagesdatum, sondern sogar die Uhrzeit fest. »Schwebende Wolken, Segler der Lüfte« – Schillers »Maria Stuart« fällt einem ein, wenn man durch den »Wolken-Saal« schwebt und sich wegtragen lässt in die Ferne ...
In die Ferne zog es den Münchner Künstler und seit 1792 zunächst als Inspektor der kurfürstlichen Bildergalerie am Hofgarten, später als Galeriedirektor und von 1808 bis 1814 auch als Professor für Landschaftsmalerei an der Akademie der Bildenden Künste München besoldeten Staatsdiener Johann Georg von Dillis immer wieder. Und ganz oft als Begleiter adeliger Sprösslinge.
Mit seinen jüngeren Brüdern wohnt Dillis 1786 – er ist 27 Jahre alt – bei der Familie von Aretin im Trivaschlösschen nahe der Theatinerkirche. Seine erste Auslandsreise führt ihn zwei Jahre später in die Schweiz und an den Oberrhein. Er begleitet den Sohn des Grafen Preysing. In Strassburg zeichnet er den 2-jährigen Pfalzgrafen Ludwig, den späteren König Ludwig I. 1789 ist er in Landshut, wiederum, bei einer adeligen Familie, nämlich der des Herzogs Wilhelm in Bayern aus dem Hause Pfalz-Birkenfeld. Er zeichnet dessen 3-jährigen Buben und Ansichten aus dem neu angelegten Englischen Garten um die Burg Trausnitz. Wohin Dillis in den kommenden Jahren auch reist – nach Prag, Wien, zur Leipziger Messe, nach Salzburg, erstmals 1795 nach Rom, weiter nach Neapel und Pompeji, erneut in die Schweiz, nach Paris, Südfrankreich, Verona, Sizilien, 1830 und 1832 mit König Ludwig I. nach Ischia – immer ist er Begleiter von Grafen, Fürsten, dem Kronprinzen oder – wie etwa 1816 – des Freundes und Domherrn Balthasar Speth. Der spendiert dem Spezi Johann Georg die ganze Italientour und schreibt einen schönen Satz in sein Notizheft, nämlich dass Dillis »Tag und Nacht reisefertig war, wenn es nach Italien ging«. An Balthasar Speths dreibändiger Monographie zur Kunst in Italien war Dillis maßgeblich beteiligt.
Aber er muss auch dienstlich viel herumfahren. In Verona, Venedig, Bologna, Florenz und Rom muss er 1808/09 Kunstwerke ankaufen, 1812 den Transport antiker Skulpturen nach München beaufsichtigen, 1815 nach Paris reisen, um Gemälde zu aquirieren und für die Rückführung der von Napoleon annektierten Kunstwerke sorgen. Auf dem Rückweg von Paris lernt er in Heidelberg den Kunstgelehrten und -kollektionisten Sulpiz Boisserée kennen. Mit ihm verbindet Dillis eine enge Freundschaft. In seinen Tagebüchern schreibt Boisserée einiges Witzige und Anekdotenhafte über Johann Georg Dillis, etwa, dass der Papa erst mit 24 Jahren das Lesen lernte und er selber, Dillis, bei »einem alten Weib in die Schule« ging, draußen auf dem Land in »Gebbing« (Giebing) – »liegt 2 Stund von Haag welches auf der Straße nach Wien« (heute an der B 12!).
Gelehrte und eine Reihe bedeutender Kunstschaffender und -theoretiker gehörten zum Bekanntenkreis des Johann Georg von Dillis, in deren Nähe er sich, der bei Hofe Hochangesehene, immer am wohlsten fühlte. Der König von Italien, Eugène de Beauharnais, dessen Gemahlin Auguste Amalie Dillis 1806 in Mailand im Zeichnen unterwies, hatte nur ein müdes Lächeln für den Künstler. Dillis reagiert in einem Brief an Bruder Ignaz: »All die Etikett stinken mich an!« Privat hatte der Geadelte wenig Glück. Zu einer Ehe kam es nicht. Nach Bruder Ignazens Tod 1808 zieht Dillis mit der Schwägerin Anna Maria, einer geborenen von Aichberger und deren Kindern Franz und Anna zusammen. Als Bruder Eustach fünfzehn Jahre später in der Moosach bei Freising, wo er Forstmeister war, ertrank, nahm Dillis den Neffen Georg zu sich nach München.
Seine Verdienste um die Zeichenkunst sind nicht weniger als die um den bayerischen Staat und dessen Kunstwesen. Dillis – so stellt ihn Barbara Hardtwig im Lenbachhaus und im wunderbaren Katalog vor – trat in erster Linie als Landschaftszeichner und Porträtist hervor. Wolken, Wälder, Wahnsinnstypen waren seine bevorzugten Motive. Weniger die adeligen Damen und Herrn und der Hof als immer wieder einfache Bauern, Tagelöhner, Arbeiter, Fischer, Kinder nimmt er sich als Zeichner vor. Er durchmisst die Auen und Wälder in und um München, findet in der enorm fleißigen Zeichenarbeit den Ausgleich zum Beamtenstress, fährt hinaus an den Tegernsee und malt ihn für König Max I, Joseph, ordnet die Galerien in Nürnberg, Bamberg, Würzburg und Aschaffenburg neu, nicht ohne bei seinem Freund Adam von Aretin, inzwischen Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt am Main, vorbeizuschauen, setzt sich hin und verfasst Verzeichnisse, legt 1826 den Grundstein zum Bau der Alten Pinakothek, kauft die altdeutschen Gemälde der berühmten Sammlung der Brüder Boisserée in Stuttgart für die Münchner Galerie auf, lässt sich nicht abbringen, den herbst mit dem Domherrn Balthasar Speth in Oberitalien zu verbringen; der König stellt ihm einen Reisewagen kostenlos zur Verfügung.
Das Ehrenkreuz des Ludwigsordens zum 50-jährigen Dienstjubiläum 1840 hat Dillis verdient, gewiss auch ein wenig stolz gemacht. Am 28. September 1841 stirbt er in seinem geliebten München »infolge gänzlicher Entkräftung«. Die im Lenbachhaus gezeigte Werk-Auswahl rückt diesen rastlosen Könner, der wie beiläufig sich auf die Führung von Pinsel, Kreide, Rötelstift und Tuschefeder wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen verstand und wo er ging und stand skizzierte, aquarellierte, Farben mischte, Papiere mit sich herumschleppte, datierte, in Mappen ablegte, all den Blicken nahe, die sich bisher mit einer eher beiläufigen Wahrnehmung des immensen Nachlasses begnügten. Und der wär noch reichhaltiger, wäre Dillis nicht beispielsweise auf seiner ersten Italienreise (mit Lord Palmerston war er zuvor noch in Salzburg gewesen) in Livorno ein ganzer Koffer mit Zeichnungen abhanden gekommen. Die Dillis-Forschung will wissen, dass noch der Greis sich dieses schmerzlichen Verlustes mit größtem Bedauern erinnerte.
Die Ausstellung »Johann Georg von Dillis – Die Kunst des Privaten« ist bis 30. November 2003 in der Münchner Städt. Galerie im Lenbachhaus jeweils dienstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet an der Museumskasse 30 Euro. Er enthält neben einführenden und instruktiven Texten die Abbildung jedes Exponats. – 2004 übernehmen die Hamburger Kunsthallen die Lenbachhaus-Dillis-Schau.
HG
39/2003
beth zu tun hatte, gefiel das Söhnchen Johann Georg der Försterleute »ob der Gmain« bei Giebing so gut, dass er ihm den Besuch des Wilhelmsgymnasium in der kgl. Residenzstadt München ermöglichte und ihn nach Rom mit einem Stipendium zur künstlerischen Ausbildung schicken wollte, wär er, Max III. Joseph, nicht unversehens 1777 gestorben. Dennoch: das Talent des Giebinger Förstersbuben zum Malen und Zeichnen setzte sich durch, wurde bei Franz Ignaz Oefele und Johann Jakob Dorner d. Ä. an Münchens Zeichnungsakademie vervollkommnet und sollte Johann Georg Dillis zum Lebensinhalt werden. Dem großen Künstler, zur sogenannten Münchener Schule zählend, widmet die Städtische Galerie im Münchner Lenbachhaus eine große Ausstellung: »Die Kunst des Privaten« nannte sie Dillis-Forscherin und Kuratorin Barbara Hardtwig. Bis zum 30. November 2003 zeigt sie, was sie im überbordenden Nachlass des Historischen Vereins von Oberbayern, der ihr zur wissenschaftlichen Durchforstung anvertraut wurde, vorfand. Nein, nicht alle 8000 Blätter und 40 Skizzenbücher, die Dillis hinterließ. Eine gute Auswahl aus dem reichen Bestand, der seit 1996 dem Lenbachhaus gehört, tut’s auch schon, um Laien staunen und Fachleute sich wundern zu lassen: Dillis schenkt ihnen beiden beglückende Schau-Stunden in mehreren Räumen des Lenbachhauses. Allein seine 250 Wolkenstudien hätten alle Säle gefüllt. Es reicht aber einer, um die Kunst, das Flüchtige festzuhalten, an Dillis neu oder gar erstmals erleben zu lassen. »Wenn ich ein Landschaftsmaler wäre, ich malte ein ganzes Jahr weiter nichts als Lüfte und besonders Sonnenuntergänge. Welch ein Zauber, welche unendliche Melodien von Licht und Dunkel, und Wolkenformen und heiterm Blau! Und was man davon malen kann, dauert nur wenige Momente; die glücklichste Phantasie und Empfindung gehört dazu, es aufzubewahren.« Schrieb im Jahre 1787 Wilhelm Heinse in seinem Roman »Ardinghello«. Passt genau zu den Wolkenbildern von Dillis Gnaden: einen Zauber, Melodien von Licht und Dunkel, heiteres Blau ... Dass Dillis ab 1812 bis zu seinem Lebensende viel und gerne mit weißer Kreide auf blauem Grund zeichnete, verdankt er, so Barbara Hardtwigs Vermutung, einer Anregung, die er um 1805 in Rom empfangen haben könnte. Manche Wolkenstudien halten nicht nur das Tagesdatum, sondern sogar die Uhrzeit fest. »Schwebende Wolken, Segler der Lüfte« – Schillers »Maria Stuart« fällt einem ein, wenn man durch den »Wolken-Saal« schwebt und sich wegtragen lässt in die Ferne ...
In die Ferne zog es den Münchner Künstler und seit 1792 zunächst als Inspektor der kurfürstlichen Bildergalerie am Hofgarten, später als Galeriedirektor und von 1808 bis 1814 auch als Professor für Landschaftsmalerei an der Akademie der Bildenden Künste München besoldeten Staatsdiener Johann Georg von Dillis immer wieder. Und ganz oft als Begleiter adeliger Sprösslinge.
Mit seinen jüngeren Brüdern wohnt Dillis 1786 – er ist 27 Jahre alt – bei der Familie von Aretin im Trivaschlösschen nahe der Theatinerkirche. Seine erste Auslandsreise führt ihn zwei Jahre später in die Schweiz und an den Oberrhein. Er begleitet den Sohn des Grafen Preysing. In Strassburg zeichnet er den 2-jährigen Pfalzgrafen Ludwig, den späteren König Ludwig I. 1789 ist er in Landshut, wiederum, bei einer adeligen Familie, nämlich der des Herzogs Wilhelm in Bayern aus dem Hause Pfalz-Birkenfeld. Er zeichnet dessen 3-jährigen Buben und Ansichten aus dem neu angelegten Englischen Garten um die Burg Trausnitz. Wohin Dillis in den kommenden Jahren auch reist – nach Prag, Wien, zur Leipziger Messe, nach Salzburg, erstmals 1795 nach Rom, weiter nach Neapel und Pompeji, erneut in die Schweiz, nach Paris, Südfrankreich, Verona, Sizilien, 1830 und 1832 mit König Ludwig I. nach Ischia – immer ist er Begleiter von Grafen, Fürsten, dem Kronprinzen oder – wie etwa 1816 – des Freundes und Domherrn Balthasar Speth. Der spendiert dem Spezi Johann Georg die ganze Italientour und schreibt einen schönen Satz in sein Notizheft, nämlich dass Dillis »Tag und Nacht reisefertig war, wenn es nach Italien ging«. An Balthasar Speths dreibändiger Monographie zur Kunst in Italien war Dillis maßgeblich beteiligt.
Aber er muss auch dienstlich viel herumfahren. In Verona, Venedig, Bologna, Florenz und Rom muss er 1808/09 Kunstwerke ankaufen, 1812 den Transport antiker Skulpturen nach München beaufsichtigen, 1815 nach Paris reisen, um Gemälde zu aquirieren und für die Rückführung der von Napoleon annektierten Kunstwerke sorgen. Auf dem Rückweg von Paris lernt er in Heidelberg den Kunstgelehrten und -kollektionisten Sulpiz Boisserée kennen. Mit ihm verbindet Dillis eine enge Freundschaft. In seinen Tagebüchern schreibt Boisserée einiges Witzige und Anekdotenhafte über Johann Georg Dillis, etwa, dass der Papa erst mit 24 Jahren das Lesen lernte und er selber, Dillis, bei »einem alten Weib in die Schule« ging, draußen auf dem Land in »Gebbing« (Giebing) – »liegt 2 Stund von Haag welches auf der Straße nach Wien« (heute an der B 12!).
Gelehrte und eine Reihe bedeutender Kunstschaffender und -theoretiker gehörten zum Bekanntenkreis des Johann Georg von Dillis, in deren Nähe er sich, der bei Hofe Hochangesehene, immer am wohlsten fühlte. Der König von Italien, Eugène de Beauharnais, dessen Gemahlin Auguste Amalie Dillis 1806 in Mailand im Zeichnen unterwies, hatte nur ein müdes Lächeln für den Künstler. Dillis reagiert in einem Brief an Bruder Ignaz: »All die Etikett stinken mich an!« Privat hatte der Geadelte wenig Glück. Zu einer Ehe kam es nicht. Nach Bruder Ignazens Tod 1808 zieht Dillis mit der Schwägerin Anna Maria, einer geborenen von Aichberger und deren Kindern Franz und Anna zusammen. Als Bruder Eustach fünfzehn Jahre später in der Moosach bei Freising, wo er Forstmeister war, ertrank, nahm Dillis den Neffen Georg zu sich nach München.
Seine Verdienste um die Zeichenkunst sind nicht weniger als die um den bayerischen Staat und dessen Kunstwesen. Dillis – so stellt ihn Barbara Hardtwig im Lenbachhaus und im wunderbaren Katalog vor – trat in erster Linie als Landschaftszeichner und Porträtist hervor. Wolken, Wälder, Wahnsinnstypen waren seine bevorzugten Motive. Weniger die adeligen Damen und Herrn und der Hof als immer wieder einfache Bauern, Tagelöhner, Arbeiter, Fischer, Kinder nimmt er sich als Zeichner vor. Er durchmisst die Auen und Wälder in und um München, findet in der enorm fleißigen Zeichenarbeit den Ausgleich zum Beamtenstress, fährt hinaus an den Tegernsee und malt ihn für König Max I, Joseph, ordnet die Galerien in Nürnberg, Bamberg, Würzburg und Aschaffenburg neu, nicht ohne bei seinem Freund Adam von Aretin, inzwischen Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt am Main, vorbeizuschauen, setzt sich hin und verfasst Verzeichnisse, legt 1826 den Grundstein zum Bau der Alten Pinakothek, kauft die altdeutschen Gemälde der berühmten Sammlung der Brüder Boisserée in Stuttgart für die Münchner Galerie auf, lässt sich nicht abbringen, den herbst mit dem Domherrn Balthasar Speth in Oberitalien zu verbringen; der König stellt ihm einen Reisewagen kostenlos zur Verfügung.
Das Ehrenkreuz des Ludwigsordens zum 50-jährigen Dienstjubiläum 1840 hat Dillis verdient, gewiss auch ein wenig stolz gemacht. Am 28. September 1841 stirbt er in seinem geliebten München »infolge gänzlicher Entkräftung«. Die im Lenbachhaus gezeigte Werk-Auswahl rückt diesen rastlosen Könner, der wie beiläufig sich auf die Führung von Pinsel, Kreide, Rötelstift und Tuschefeder wie kaum ein anderer seiner Zeitgenossen verstand und wo er ging und stand skizzierte, aquarellierte, Farben mischte, Papiere mit sich herumschleppte, datierte, in Mappen ablegte, all den Blicken nahe, die sich bisher mit einer eher beiläufigen Wahrnehmung des immensen Nachlasses begnügten. Und der wär noch reichhaltiger, wäre Dillis nicht beispielsweise auf seiner ersten Italienreise (mit Lord Palmerston war er zuvor noch in Salzburg gewesen) in Livorno ein ganzer Koffer mit Zeichnungen abhanden gekommen. Die Dillis-Forschung will wissen, dass noch der Greis sich dieses schmerzlichen Verlustes mit größtem Bedauern erinnerte.
Die Ausstellung »Johann Georg von Dillis – Die Kunst des Privaten« ist bis 30. November 2003 in der Münchner Städt. Galerie im Lenbachhaus jeweils dienstags bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet an der Museumskasse 30 Euro. Er enthält neben einführenden und instruktiven Texten die Abbildung jedes Exponats. – 2004 übernehmen die Hamburger Kunsthallen die Lenbachhaus-Dillis-Schau.
HG
39/2003