Jahrgang 2003 Nummer 2

Leben und Werk des Engelbert Kaiser

Er zählt zu den »vergessenen« Künstlern unserer Region

Engelbert Kaiser 1935-1937

Engelbert Kaiser 1935-1937
Engelbert Kaiser im Winter 1940/41

Engelbert Kaiser im Winter 1940/41
Das Musikleben einer Region, hier des Chiemgaus, gedeiht und wächst durch das Engagement, das Können und die saure Mühe zahlreicher »Kleinmeister«. All diese Chorleiter und Lehrer – oft in einer Person-, Tanzmusiker, Ziachspieler und Geiger hegten die musikalische (und gesellschaftliche) Kultur in unseren dörflichen und kleinstädtischen Milieus. Oft genug retteten sie dabei auch in den düsteren und schweren Zeiten des Krieges (und des Nachkrieges) ein Stück Humanität und brachten in bildungsferne Gemüter etwas vom matten Glanz der Kunst. Der Lohn dafür ist (fast immer) rasches Vergessen ihrer Leistungen.

An einen dieser Musiker soll hier erinnert werden. Es ist Engelbert Kaiser. Sein unruhiges aber konsequent zielgerichtetes Leben ist nicht durchgängig »prototypisch« für andere seiner Kollegen auf Orgelbänken und Emporen der ländlichen Gotteshäuser. Gerade deswegen scheint es aufzeichnenswert.

Biografisches

Engelbert Kaiser wurde am 12. Dezember 1902 in Lauter, Gemeinde Surberg geboren. Sein Vater war Schmied. Er wuchs aber in Hart bei Chieming auf, das er als seine Heimat betrachtete.

Die Familie war vielseitig musisch interessiert und tätig und versuchte den Sohn- nach Maßgabe der damaligen Möglichkeiten intensiv zu fördern. So erzählte Engelbert Kaiser oft, dass er noch als Kind mit seinen Eltern ein Kammerkonzert mit Max Reger (1873 bis 1916) besuchen durfte, das der Komponist im damaligen »Rococo-Saal« am Stadtplatz in Traunstein gab. Max Reger soll was öfter vorkam sturzbetrunken gewesen sein, aber dennoch perfekt gespielt haben.

Eine schwere Erkrankung hemmte die Berufsausbildung zum Schmied. An den Folgen – einem verkürzten Bein – laborierte Engelbert Kaiser sein Leben lang. Sein schwieriger, oft mürrisch-eingezogener Charakter erklärt sich auch aus dieser Behinderung. So wurde er Maler und spezialisierte sich auf das »Maserieren«. Das heißt: Er imitierte bei Möbeln die Holzmaserung. Auch als Lüftlmaler übte er sich. Im Raum Traunwalchen und Kammer findet man noch einige seiner jetzt übermalten und »restaurierten« Wandmalereien. Er wohnte und arbeitete damals in Traunwalchen mit seiner Frau Anna geborene Stadler, die er 1941 geheiratet hatte.

Dort engagierte er sich vielfältig bei den kulturellen Aktivitäten der Kommune, nicht nur im Bereich der Kirchenmusik, die er 25 Jahre leitet. Der Schreiber dieser Zeilen erinnert sich noch recht deutlich, dass er ca. 1948 die Aufführung eines Weihnachtsstückes unter Kaisers Leitung und Mitwirkung (als Sprecher) miterleben konnte. Er war äußerst gepackt und ergriffen! Seit 1952 ließ sich Engelbert Kaiser zum – wie es damals hieß – »Raiffeisenrechner« umschulen. Nach dem Abschluss der Fachschule der Genossenschaftsbanken in Hohenkammer (bei Allershausen) übernahm er die Leitung der Raiffeisenkasse Haslach.

Als gründlich-sorgfältiger, keineswegs überbezahlter Chef gewann er rasch Ansehen und Vertrauen. Sein Nachfolger, der von ihm ausgebildet wurde, rühmt ihn noch heute, dass man das »Dienen« und nicht bloß das Verdienen von ihm gelernt habe. Zugleich übernahm Kaiser – wie selbstverständlich – den Haslacher Kirchenchor, in dem seine Gattin und etwas später sein Sohn mitwirkten. Für die liturgischen Bedürfnisse komponiert er – wie schon in den Traunwalchener Jahren – zahlreiche Werke, die sorgfältig auf die örtlichen Bedingungen und Anforderungen abgestimmt sind. Nach dem Tod seiner Frau Anna ging Engelbert Kaiser eine (überstürzte) zweite Ehe ein. Er zieht mit seiner Frau nach Landshut. Dort starb er 1976, in Landshut findet er auch seine letzte Ruhestätte.

Das musikalische Werk

Die meisten Kompositionen von Engelbert Kaiser dienten sakralen Aufgaben. Sein Sohn Engelbert Kaiser jun. hat ein vorläufiges Werkverzeichnis erstellt, ein recht mühsames Unterfangen. Manche weitere Werke haben als verschollen zu gelten. Aus der Zeit des Wirkens in Traunwalchen sind dort sechs Messen und drei Requiemvertonungen aufgelistet, dazu ein »Panque linqua«. Die »Kleine Christnacht-Messe« op.6, auch als »Christkindlmesse« bezeichnet, hat rasche Verbreitung gefunden. In Halfing und in Rott am Inn wird sie zur Festzeit regelmäßig aufgeführt.

Anspruchsvoll ist die »Grals-Messe« op.3 (vom Jahr 1926), die Motive aus dem »Parsifal« von Richard Wagner variiert. Aus den Haslacher Jahren stammen mehrere Mess-Kompositionen a capella, speziell für Rorate-Ämter (Engelämter). Als nicht – sakrales Werk ist die Komposition »Am Bergsee« (vom 18.03.1948) zu erwähnen. Über die Uraufführung in Bad Reichenhall berichtet der Sohn:

»Ein sehnlicher Wunsch meines Vaters war es ja immer, seinen »Bergsee« einmal von einem »richtigen Orchester« gespielt zu hören; er schien ihm allerdings unerfüllbar. Die Besuche der »Themenabende« des Reichenhaller Kurorchesters (»Nordischer, Russischer Abend«...), die wir uns trotz enger Finanzen Anfang der 60er Jahre regelmäßig gönnten, brachten mich in der Unbekümmertheit meiner gut zwanzig Lenze damals auf einen verwegenen Gedanken: ich nahm die (natürlich handgeschriebene) Partitur des »Bergsees« mit, drang nach dem Konzert beherzt bis zu den Künstlern vor und bot sie dem damaligen Orchesterchef Dr. Barth an. Der erklärte sich tatsächlich bereit, sie im Stehen »durchzulesen« und meinte dann: »Ja, das können wir schon spielen.«

So geschah es dann an einem angenehm-lauen Sommernachmittag am 11. August 1965 im Musikpavillon des Kurparks zur großen Freude und Rührung meines Vaters, sogar mit Vorstellung des Komponisten.

Ferner gab es vom Komponisten eine Unzahl leichter Unterhaltungsmusik. Die Verdienstsituation war in den 50er und 60er Jahren so, dass Engelbert Kaiser oft zu musikalischen Abendunterhaltungen, Hochzeiten, Faschingsbällen etc. geladen wurde. Das Zubrot konnte er als Familienvater gut gebrauchen. Auch diese Partituren und Bearbeitungen sind verschollen.

Neben der Lüftlmalerei, auf die schon hingewiesen wurde und die nur noch als Rudimente der ursprünglichen Konzeption erhalten sind, schuf der vielseitige Künstler auch Ölgemälde. Motive und Sujets der technisch geglückten Bilder waren -zeittypisch- von konventioneller Art: Chiemsee-Landschaften und unsentimentale Idyllen. Ein Waldstück in erdig-verhangenem Stil ist dem Berichterstatter aus den Kinderzeiten noch in guter Erinnerung. Der Haslacher Kirchenchor hielt Kaisers Andenken noch lange in Ehren, nicht nur in der Zeit, als Engelbert Kaiser jun. als Nachfolger die Leitung übernahm. Aber sonst ist er – wie erwähnt – vergessen. Schade, solche Charakterköpfe mit solidem Können und vielfältiger Einsatzfreude fehlen uns heute.

CB



2/2003