Kurfürstlicher Leibschiffer segelt mit Cook um die Welt
Heinrich Zimmermann wurde Augenzeuge von James Cooks Tod auf Hawaii


Über Heinrich Zimmermanns Herkunft und Jugend ist nicht viel bekannt und auch über die Motive, warum er das nicht nur entbehrungsreiche, sondern auch lebensgefährliche Wagnis einer Weltumseglung auf sich genommen hat, verrät der Autor nur in einem Nebensatz.
Demnach verließ er im Alter von 29 Jahren seine Heimat, um auf Wanderschaft zu gehen. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich mit handwerklichen Tätigkeiten: In Genf kommt der gelernte Gürtelmacher zunächst bei einem Rotgießer (= Bronzegießer) unter, später arbeitet er bei einem Vergolder und auf seiner nächsten Station in Lyon bei einem Glockengießer. Von dort zieht es den wanderlustigen Pfälzer schließlich nach Paris, wo er bei einem Schwertfeger Waffen montiert. Was ihn dann ausgerechnet nach London verschlug, wo er sich in einer Zuckersiederei seine Brötchen verdient, bleibt unklar.
Sein »angeborener, frischer Pfälzermut«, habe ihn schließlich dazu animiert, auszuprobieren, »wie es auf der See hergehe«, so die knappe Erklärung, warum er dann plötzlich auf einem Schiff anheuerte. Dass er, offenbar ohne jede Erfahrung in der Seefahrt, als Matrose für eine geplante Weltumsegelung engagiert wurde, klingt zwar merkwürdig, aber Heinrich Zimmermann brachte immerhin etliche Jahre handwerkliche Erfahrung mit, was bei den vielfältigen Tätigkeiten, die an Bord eines Segelschiffes anfielen, sicher auch nicht von Nachteil war. Möglicherweise standen auch einfach nicht genügend erfahrenere Kandidaten zur Auswahl, denn das Leben als Matrose war nicht nur schlecht bezahlt, sondern im wahrsten Sinn des Wortes alles andere als Zuckerschlecken.
Zum Glück für Zimmermann und die restliche Crew war James Cook ein Kapitän, der sich zumindest um die Gesundheit seiner Männer sorgte, wobei der 1728 geborene Seefahrer auch als einer der ersten den Zusammenhang zwischen schlechter Ernährung und Mangelkrankheiten erkannt hatte. Während seiner ersten Reise 1768 bis 1771, auf der er Australien entdeckt hatte, waren noch etliche von Cooks Männern an den Folgen von Skorbut gestorben, einer Krankheit, die auf langanhaltenden Vitamin-C-Mangel zurückzuführen ist. Dass vor allem Seeleute daran litten, lag an der einseitigen Ernährung, die hauptsächlich aus Zwieback und getrocknetem Fleisch bzw. Fisch bestand. Beides ließ sich zwar bei richtiger Handhabung lange lagern, lieferte aber nicht die für einen gesunden Organismus nötigen Nährstoffe. James Cook hatte deshalb auf seiner zweiten Fahrt 1772 bis 1775 Sauerkraut mit auf den Speiseplan genommen, das ebenfalls haltbar war und genügend Vitamin C enthielt, um Skorbut zu verhindern. Der fermentierte Weißkohl sagte den Gaumen der vorwiegend britischen Matrosen so gar nicht zu, worauf Cook zu einer List griff. Er erklärte, dass das Gemüse eh nur für die Offiziere gedacht sei – worauf die Mannschaft protestierte und auf Gleichberechtigung bestand – und dann natürlich nicht mehr umhin kam, das Kraut auch tatsächlich zu verspeisen. Als gebürtigem Pfälzer war das Sauerkraut für Heinrich Zimmermann natürlich alles andere als exotisch, wobei er über Ernährung und Unterkunft, praktisch nichts verlauten lässt, obwohl der monatelange Aufenthalt auf einem schwankenden Schiff mit sehr begrenztem Raum für eine Landratte sicher mehr als gewöhnungsbedürftig war.
Während Offiziere und andere Reisebegleiter wie Maler und Wissenschaftler zumindest eine Kajüte für sich hatten, musste sich die Mannschaft damals mit eng aneinander gequetschten Hängematten im Zwischendeck zufriedengeben. Dass es dabei keinerlei Privatsphäre gab, war im Fall von Heinrich Zimmermann nicht nur stressig, sondern auch gefährlich, denn den Matrosen war bei Strafe verboten, sich Notizen zu machen. Hintergrund dieses Erlasses war die Angst der britischen Admiralität, dass Wissen über Seerouten und Entdeckungen in die Hände fremder Nationen geraten könnte. Heinrich Zimmermann gelang es dennoch, ein Schreibtäfelchen an Bord zu schmuggeln, auf dem er einige markante Daten festhielt.
Nach seiner Rückkehr haderte er zwar, »ob es nicht ein Verbrechen sei, die Bemerkungen, die ich mir auf unserer Seereise gesammelt habe, bekannt zu machen?« Er kam dann allerdings zum Schluss, dass er ja nicht sein Gedächtnis verkauft habe und wenn ihm nach der Reise das eine oder andere in Erinnerung komme, »warum dürfte ich das nicht auf meine Art erzählen, dürfte es vielen erzählen, dürfte es aufschreiben und drucken lassen?«
Zimmermanns Schilderung beginnt mit der Abfahrt im Sommer 1776. Mit zwei Schiffen, der Resolution unter Kapitän Cook mit 112 Mann Besatzung und der Discovery mit 72 Mann, darunter Zimmermann, die von Kapitän Clerke befehligt wurde, seien sie von Plymouth aus in See gestochen, so der Pfälzer. Ziel der Reise war die Suche nach einer Nordwestpassage, einer Route nördlich des amerikanischen Kontinents, auf der man vom Pazifischen in den Atlantischen Ozean gelangen könnte.
Seit der Entdeckung eines Seewegs um Südamerika zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch den Portugiesen Ferdinand Magellan, hatten Geographen und Seefahrer spekuliert, ob es nicht möglicherweise auch über das Nordpolarmeer eine entsprechende Route gäbe, mit der sich die Dauer der Schiffsreisen von Europa nach Ostasien erheblich verkürzen ließe, doch bis Ende des 18. Jahrhunderts hatte niemand einen entsprechenden Weg entdeckt.
Cook wählte für seine Fahrt zunächst den Weg nach Osten über Teneriffa nach Kapstadt und von dort Richtung Neuseeland. Ende Januar 1777 erreichten die beiden Schiffe Tasmanien, von wo aus der knapp 50-jährige Kapitän Richtung Nordost weitersegelte zu den später nach ihm benannten Cookinseln. Neben der absolvierten Route beschreibt Zimmermann vor allem Begegnungen mit den Einwohnern der angesteuerten Inseln, wobei er in seiner Wortwahl genau jene Klischees bedient, wie sie auch in Berichten spanischer Eroberer in Süd- oder der britisch-französischen Siedler in Nordamerika zu finden sind: An jeder Küste, so Heinrich Zimmermann, seien sie von »Wilden« empfangen worden, meist friedlich, manchmal aber auch in deutlich feindlicher Haltung: »Viele Einwohner kamen mit Kahns auf uns zugefahren, waren alle mit hölzernen Spießen und Flitzbögen versehen, sie nahmen keine Geschenke an, stellten sich außerordentlich wild, und gaben uns mit Zeichen zu verstehen, dass, wenn wir uns ihrem Lande näherten, sie uns alle umbringen wollten. « Verhielten sich die Ureinwohner friedlich, wagte sich die Besatzung auch weiter als bis nur ans Ufer: »Herr Cook ging nämlichen Tag noch nebst einigen Leuten ein ziemliches Stück Weges in das Land hinein und war so glücklich, dass er bei seiner Rückkehr ungefähr neun Wilde mitbrachte; er beschenkte sie mit Spiegeln, weißen Hemden, Gehängen von Glaskorallen und einigen metallenen Brustbildern Ihrer Majestät König Georgs des III. von Großbritannien, und dieses tat eine so gute Wirkung, dass den andern Tag schon von selbst 49 Manns- und Frauenspersonen sich bei uns einfanden; diese wurden zum Teil wie die vorigen beschenkt, waren aber gleich ihnen nicht zu bewegen, mit uns an die Schiffe zu gehen.«
Exotische Fremde als eine Art »Beute« mit nach Hause mitzunehmen, war eine Praxis, die in zeitgenössischen Berichten immer wieder zu lesen ist. Nur selten sahen die Betroffenen allerdings, wie ein junger Bursche namens Omai, ihre Heimat anschließend wieder. Den von Zimmermann als »der bekannte O-mai« bezeichneten Polynesier hatte Cook während seiner zweiten Reise 1773 auf einer Nachbarinsel Tahitis an Bord und anschließend mit nach Großbritannien genommen, wo er als eine Art »kultivierter Wilder« zur Sensation in den Salons der besseren Gesellschaft wurde. Jetzt sollte Omai nach Hause zurückkehren, wobei er – von James Cook abgesehen – nicht der einzige illustre Teilnehmer der Expedition war. Ein gewisser William Bligh fungierte auf der Resolution als Navigator. 1788 sollte er als Kapitän der »Bounty« Grund für eine Meuterei werden. Mit 18 Schicksalsgenossen in einem Beiboot auf hoher See ausgesetzt, würde er es dank seiner navigatorischen Kenntnisse knapp 7000 Kilometer übers Meer zu einem holländischen Außenposten auf Timor schaffen. Der mit Cook und Bligh reisende Omai wurde im August 1777 auf seiner Heimatinsel Huahine, heute Französisch Polynesien, abgeliefert, worauf James Cook in Richtung Nordamerika weitersegelte. Dort kam er bis zur Beringsstraße, die jedoch aufgrund der Jahreszeit mittlerweile unpassierbar war, worauf Cook seine beiden Schiffe umkehren und zurück nach Hawaii segeln ließ, um dort den Winter abzuwarten.
Nachdem er dort dann einige Wochen vor Anker gelegen war, entschloss sich der Kommodore, erneut die Reise Richtung Norden anzutreten. Kurz nach der Abfahrt brach jedoch der Mast der Resolution, worauf die beiden Schiffe in die Kealakekua-Bucht auf Hawaii zurückkehrten. Nachdem der Aufenthalt dort zuvor ohne größere Zwischenfälle mit den Ureinwohnern über die Bühne gegangen war, sollte die neuerliche Begegnung in einem Desaster enden: Am 14. Februar 1779 stahlen Einheimische in der Dunkelheit ein Beiboot der Discovery. Wie zuvor schon in einem ähnlichen Fall, entschied Cook, im Gegenzug einen Hawaiianer als Geisel zu nehmen, um damit die Diebe zur Herausgabe des Bootes zu veranlassen. Dass er sich nun ausgerechnet den König als Gefangenen aussuchte, den er, in Begleitung eines bewaffneten Trupps aus seiner Behausung zerrte, erhitzte – verständlicherweise – die Gemüter der Hawaiianer. James Cook, der an sich für seine besonnene Natur bekannt war, verkannte offenbar die Gefahr, die ihm von der aufgebrachten Meute drohte und versuchte, den König mit Gewalt in Richtung Schiff zu zerren. Von Ureinwohnern umringt, gab er dann auch noch einen Warnschuss aus seiner Flinte ab, worauf »einer, der gleich hinter Herrn Cook stand, ihm einen eisernen Dolch, deren er selbst einige dem Volke zum Geschenke gegeben, zur rechten Schulter hineinstieß, und vorne auf der linken Seite zum Herzen hinaus. Herr Cook fiel tot zur Erde und unsere Mannschaft auf dem Lande gab unter das Volk Feuer. Dieses stürmte gleich auf sie los, erschlug noch vier Mann von ihnen und drei wurden verwundet«, beschreibt Zimmermann die Szene, die sich vor seinen Augen am Ufer abgespielt hatte.
Während sich die Besatzung auf die Schiffe zurückzog, schleppten die Hawaiianer den Leichnam Cooks mit sich, zerteilten ihn ihren Traditionen gemäß und beerdigten dann die sterblichen Überreste. Erst nach eindringlichen Bitten des nun kommandierenden Kapitäns Charles Clerke gaben sie einige der sterblichen Überreste heraus, die dann von der Mannschaft per Seebegräbnis bestattet wurden. Clerke, der schwer an Tuberkulose litt, ließ dann Segel setzen in Richtung Russland, wo die beiden Schiffe Mitte Mai 1779 vor Kamtschatka ankerten. Nach einigen Wochen Erholung wollte Clerke noch einmal versuchen, eine Nordwestpassage zu finden. Völlig entkräftet starb der Nachfolger Cooks kurz nach der Abreise von Kamtschatka im August 1779 im Alter von 38 Jahren auf See. Das Kommando übernahm daraufhin der vorherige Zweite Lieutenant John Gore, der sich schließlich entschied, die Expedition abzubrechen und nach Großbritannien zurückzukehren.
Im September 1780 betraten die Weltenbummler, die vier Jahre unterwegs waren, wieder heimischen Boden. Ein Jahr später erschien Heinrich Zimmermanns »Reise um die Welt«. Wahrscheinlich auf Vermittlung des Mannheimer Statthalters Albert von Oberndorf erhielt der Pfälzer die Stelle eines kurfürstlichen Leibschiffers auf dem Starnberger See. 1787 begab sich der inzwischen verheiratete und mehrfache Vater noch einmal als Steuermann auf einem britischen Handelsschiff nach China und Ostindien auf hohe See. Von weiteren Fahrten ist nichts bekannt. Heinrich Zimmermann starb am 3. Mai 1805 im Alter von 63 Jahren in Starnberg an Tuberkulose.
Susanne Mittermaier
19/2017