Jahrgang 2011 Nummer 34

Inzeller Straßenwärter gründete Jettenberger Musikkapelle

Gründungsmitglieder nahmen vor 125 Jahren viele Strapazen auf sich

Die Jettenberger Musikkapelle im Jahr 1900.

Die Jettenberger Musikkapelle im Jahr 1900.
Faschingshochzeit 1901

Faschingshochzeit 1901
Musikkapelle Jettenberg beim Empfang des Kronprinzen Ruprecht in Bad Reichenhall im Jahre 1921.

Musikkapelle Jettenberg beim Empfang des Kronprinzen Ruprecht in Bad Reichenhall im Jahre 1921.
In diesem Jahr feiert die Musikkapelle Jettenberg ihr 125-jähriges Bestehen. Da das Zitherspiel, der Gesang und das Ziachspielen in der Saalachtalgemeinde seit Jahrhunderten Bestandteil des kulturellen Lebens war, fiel es dem Straßenwärter Ignaz Kastner aus Inzell nicht schwer, junge Männer für eine Blasmusikkapelle zu begeistern. Schon bald war die Kapelle weit über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinaus bekannt und unter anderem als Tanz-/Unterhaltungskapelle gefragt. Ihr Jubiläum feiert die Kapelle mit einem gemütlichen Fest am Sonntag, dem 4. September.

Bereits im Herbst des Gründungsjahres begann Kastner, mit einigen Musikern aus Bad Reichenhall, mit der Ausbildung der »musikbegeisterten Gebirgsbauernsburschen«, wie sie in der Chronik genannt werden. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Mathias Scheul (Wölflbauer), die Dusenbauernsöhne Rupert, Konrad und Josef Loider (Kapellmeister von 1889 bis 1914), Simon Schifferer, Sebastian Fuchs (Thomabauer/Karlstein) sowie Andreas Weißbacher (Stidlbauer). Schnell vergrößerte sich die Gruppe aber bis 1895 auf 13 Mann. Trotz schwerster Arbeit als Holzknechte, Bergbauern, Straßenarbeiter oder Fuhrleute nahmen die jungen Musikanten weite, abendliche oder sonntägliche Fußmärsche von Ulrichsholz, Schneizlreuth und Jettenberg, über Kiebling, nach Bad Reichenhall zu ihren Lehrern in Kauf. Neben den Herren Stöckl und Linhuber ist der damalige Stadtmusiker Georg Gugg genannt, der sich wohl besonders aufopfernd um die Nachwuchsmusikanten angenommen hat. Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die Kapelle beim »Schneiderwirt« in Unterjettenberg. In dessen Räumlichkeiten spielte sie 1888 den ersten Veteranerball für den ebenfalls im Jahr 1886 gegründeten Veteranerverein. Gespielt wurde auf alten, ausschließlich Blechblasinstrumenten ohne Holzbläser. Die Stücke notierte Hans Loider eigenhändig und wählte passende für die Besetzung, aus vorhandenem Notenmaterial und ausgeliehenen Musikwerken. Eine einheitliche Tracht gab es nicht. Es wurde das »Gwand ozog‘n, des hoit do war« wie Lodenhosen, Lodenjoppen, eine Weste und unterschiedliche Hüte. Die Musiker umrahmten in den Anfangsjahren u. a. eine Faschingshochzeit, die Eröffnung des Gasthofes »Saalachtal« im Jahr 1901 und das Schützenfest der Saalachtaler Schützen 1908. Bereits ab 1889 avancierte die junge Kapelle zur begehrten Blaskapelle für Hochzeitsfeiern, Veteranerbälle, Kirchweihtänze oder Holzsupp‘ n in den umliegenden Gemeinden wie Unken, Karlstein oder Weißbach an der Alpenstraße. In der nahegelegenen Stadt Bad Reichenhall gehörten Auftritte im Hotel »Deutschen Haus« im »Fischerbräukeller« zum Wirkungskreis der Jettenberger Musikkapelle. Stolz ist in der Chronik vermerkt, dass die Kapelle beim »Rennball« der Metzger- und Metzgergesellen im Jahr 1911, sogar vor der Stadtkapelle und der Musikkapelle Piding, den Zuschlag erhielt.

Neuaufbau nach I. und II. Weltkrieg

Während des I. Weltkrieges kam das musikantische Leben gänzlich zum Erliegen. Trotz vieler Gefallener, fanden sich aber bereits im November 1918 wieder Musikbegeisterte, welche die Kapelle neu aufbauten. Das Grundgerüst bildeten Martin Gruber (Jägerbauer), Hans Meier und Mathias Scheul (Kendlerbauer), unterstützt vom ehemaligen Kapellmeister Josef Loider und Hans Scheul. Mit der Leitung wurde Hans Loider betraut, der die Musikkapelle bis zum Beginn des II. Weltkrieges führte. Schnell wurden die Musikanten wieder zu Tanzabenden, Hochzeitsfeiern und Trachtenveranstaltungen in der Gemeinde und zusätzlich nach Karlstein, Bayerisch Gmain, Unken und Bad Reichenhall gerufen. Beim Besuch des Kronprinzen Ruprecht in Bad Reichenhall im Jahr 1921 wurden die Musikanten dekorativ sogar in französische Paradeuniformen gesteckt. Bei der Einweihung des Denkmals zum Gedenken an die Kämpfe des Jahres 1809 am Bodenbichl im Jahr 1925, brachten sie ein eigenes, von Lehrer Urspung komponiertes, Musikstück zu Gehör. Ab der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges 1939 musste die Spieltätigkeit, wegen anderweitigen Einsatzes vieler Musikanten, auf ein Minimum reduziert werden und kam schließlich ganz zum Erliegen. Bereits 1945 ging der Militärmusiker Hans Gruber, unterstützt von seinem Bruder Heini Gruber (beide Jägerbauernsöhne) und Hans Bauer daran, die nunmehr 60-jährige Blasmusiktradition weiterzuführen. Der erste Auftritt dieses neuen Klangkörpers erfolgte bei einer Hochzeit im Mai 1947 im Fischerbräukeller. Mit dem beginnenden Fremdenverkehr boten sich für die Musikkapelle in den folgenden Jahrzehnten auch wieder genügend Auftrittsmöglichkeiten in der sowie rund um die Gemeinde. 1957 fand eine erste Fremdenverkehrs-Werbefahrt nach Braunfels bei Nürnberg statt. Am Stefanitag 1961 feierte die Kapelle, mit einem Konzert und einer Christbaumversteigerung, ihr 75-jähriges Bestehen im Gasthof Post in Schneizlreuth.

Heinrich Gruber (»Jaga Heini«) seit 43 Jahren Kapellmeister

Im Jahr 1968 übernahm Heinrich Gruber (»Jaga Heini«) den Taktstock aus den Händen seines Bruders Hans. Er führt die Kapelle bis heute. Bleibende Erinnerungen aus dieser Ära hinterließen u. a. die Fahrt nach Gelsenkirchen 1975, das 90-jährige Bestandsjubiläum 1976, die vielen Heimatabende am Berggasthof Schroffen ab 1970, der Bau des Musikpavillons in Unterjettenberg in Eigenregie 1985 bis 1986 und dessen Einweihung am 17. 6. 1986, das gemeinsam mit dem Veteranerverein gefeierte, 100-jährige Gründungsfest im August des selben Jahres, das Dorffest anlässlich der Fertigstellung des Wendelbergtunnels am 1. Mai 1988 in Melleck oder die Hundertjahrfeier der Gemeinde Schneizlreuth im Sommer 2009. Wie Heinrich Gruber erzählte, probte die Kapelle bis in die 1960er Jahre beim »Schneiderwirt« in Unterjettenberg. Mit Beginn des Fremdenverkehrs war dort aber danach kein Platz mehr und die Proben wurden zwangsläufig in das kalte, feuchte, alte Feuerwehrhaus auf der Jettenberger Au und ab 1969 in das alte Schulhaus in Schneizlreuth verlegt. Erst mit der Einweihung des neuen Feuerwehr-Gerätehauses in Unterjettenberg hat die Kapelle einen festen Proberaum oberhalb der Fahrzeuggaragen. Die heutigen Trachtenjoppen wurden laut Gruber aus den Erlösen des Dorffestes 1988 in Melleck angeschafft. Damals erhielt die Kapelle hierfür eine Spende von 10 000 DM. Vorher gab es keine einheitliche Tracht. 1948 prägten das Gwand der Kapelle noch eher steirische Einschläge, etwa 1950 kamen die Lederhose und weiße Strümpfe und danach wurden überwiegend die grünen Trachtenjoppen, graue, grün ausgestrickte Trachtenstrümpfe mit Überschlag und der Hut mit Gamsbart des Trachtenvereins »D‘Reiteralmer« getragen. Bemerkenswert ist auch, dass erst kurz vor dem II. Weltkrieg mit Martin Leitner (Irgenbauer) ein erster Klarinettist und etwa 1995 Monika Bauregger als erste Frau in die Kapelle aufgenommen wurden. Im Jubiläumsjahr gehören 1 Frau und 14 Männer zur Musikkapelle Jettenberg. Davon sind Heinrich Gruber seit 1945, Paul Zimmermann seit 1957 und Heinz Frommelt seit 1961 aktiv tätig.

Gemütliches Fest zum Jubiläum

Mit einem kleinen, gemütlichen Fest feiern die Musikanten nun ihr 125-jähriges Bestehen am Sonntag, dem 4. September. Um 8 Uhr ist der Empfang am Festzelt in der Jettenberger Au mit anschließendem Kirchenzug. Die Festmesse findet um 10 Uhr am Musikpavillon unterhalb statt. Danach klingt das Fest im Bierzelt aus. Natürlich sind alle Freunde der Kapelle hierzu herzlich eingeladen.

Werner Bauregger



34/2011