Jahrgang 2017 Nummer 24

»Ich bin nun in bayerisch Sibirien in der Verbannung«

Der Schriftsteller Erich Mühsam war 1918 sechs Monate lang als Gefangener in Traunstein

Erich Mühsam (1878-1934). Porträt mit Visitenkarte, Literaturausstellung der Monacensia 2017.
Stadtplatz Traunstein/Symbolbild
Am Sonntag Vormittag gegen elf Uhr kommt der Häftlingstransport nach fünfstündiger Fahrt von München in Traunstein an. In geheimer Kommandosache war Erich Mühsam tags zuvor, am Samstag, dem 27. April 1918, in seiner Wohnung in der Georgenstraße in Schwabing verhaftet worden, am nächsten Morgen um fünf Uhr in der Früh transportierte die Polizei ihn an seinen Zwangswohnort im Chiemgau.

Zur Begründung dieser Zwangsmaßnahme, die auf Anordnung des Stellvertretenden Generalkommandos des I. Bayerischen Armeekorps erfolgt, heißt es, »der Schriftsteller Erich Mühsam ... hat durch aufreizende Reden in den von Kurt Eisner ins Leben gerufenen Diskussionsabenden die Interessen der Landesverteidigung gefährdet.« Es sei ihm untersagt worden, sich politisch zu betätigen, doch »besteht der dringende Verdacht, daß Mühsam diesem Verbot zuwiderhandelt und weiterhin im Geheimen an staatsgefährdenden Umtrieben sich beteiligt. Seine Anwesenheit in München bedeutet daher eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit«. Aus diesem Grund wird ihm nun also der Aufenthalt in München untersagt und der Stadtbezirk Traunstein als Aufenthaltsort angewiesen. Vergeblich will der Gefangene wissen, welche konkrete Tat ihm zur Last gelegt wird; er protestiert dagegen, auf bloßen Verdacht hin gefangengesetzt zu werden. Doch Rechtsmittel gegen diese »Militärdespotie« gibt es keine.

Erich Mühsam, geboren am 6. April 1878 in Berlin, aufgewachsen in Lübeck (wo er mit 18 Jahren wegen »sozialistischer Umtriebe« der Schule verwiesen wurde), war seit 1910 in München ansässig und gehörte zum Künstlerkreis der Schwabinger Boheme. Er schrieb Gedichte, Revolutionslieder, Kabarett-Texte, trat als glänzender Stilist und Zeit- und Gesellschaftskritiker sowie als Verfechter eines kommunistischen Anarchismus hervor (»Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat«, 1933). Im öffentlichen Gedächtnis ist sein Name verankert als politischer Agitator in der Münchner Räterepublik, an deren Ausrufung er maßgeblich beteiligt war. Die Traunsteiner Episode, die im April 1918 begann und sechs Monate dauern sollte, spielte sich am Vorabend der Revolution im November 1918 ab, bevor Kurt Eisner und Mühsam in München die »bayerische Volksrepublik« proklamierten.

»Sehr schön gelegen und ein nettes Städtchen mit guter Luft«

Aus seinen nachgelassenen Briefen ergibt sich ein lebendiges Bild seines hiesigen Aufenthaltes. »Um ¾ 11 kamen wir in Traunstein an und ich wurde sogleich zum Lagerkommandanten, Hauptmann v.d. Pfordten, geführt, der ein Münchner Landgerichtsrat sein soll. Der Mann war sehr höflich und gab mir Anweisungen. Hier ist nämlich ein großes Zivilgefangenenlager, in dem Engländer, Franzosen, Belgier, Russen, Rumänen, Serben, Italiener und wer weiß was noch für Landsleute interniert sind. Eine Reihe von ihnen sind auch aus dem Lager entlassen und dürfen sich frei in der Stadt bewegen, genau wie ich – ½ Stunden im Umkreis. Die vier Orte nach allen Windrichtungen, über die hinaus ich meine Spaziergänge nicht ausdehnen darf, sind mir angegeben worden. Ich wurde dringend ermahnt nicht mit den Ausländern zu verkehren, da er diejenigen von ihnen, die deswegen denunziert würden, wieder ins Internierungslager sperren müsse, abgesehen von dem Spionageverdacht, dem ich mich mit ihnen aussetzen würde.«

Mühsam muss nicht im Lager übernachten, sondern wohnt die ersten Tage im Gasthaus, bevor er sich ein Zimmer mieten kann. »Traunstein ist sehr schön gelegen und ein nettes Städtchen mit guter Luft«, schreibt er seiner Zenzl nach München. Er rät ihr, die Situation mit Humor zu tragen und sich nicht zu sorgen, immerhin gehe es ihm besser als Karl Liebknecht (der zu dieser Zeit seit 18 Monaten wegen »Kriegsverrat« in einem brandenburgischen Zuchthaus saß). In einem Brief an seinen Freund Carl Georg von Maassen schreibt er mit Galgenhumor: »Vielleicht muß ich bis zum Friedensschluß hierbleiben, also noch etliche Jahre. Das Generalkommando in München ist nämlich zur Generaloffensive gegen mich vorgegangen, und ich bin nun in bayerisch Sibirien in der Verbannung.«

Der Zwangsaufenthalt ist anfangs auch mit einer Zwangsbeschäftigung verbunden: Mühsam bekommt eine Arbeit bei der Handelsbank zugewiesen. Für täglich acht Stunden erhält er 3 Mark. Schon bald legt er gegen diese Beschäftigung Einspruch ein, führt persönliche und gesundheitliche Gründe dafür an. Tatsächlich wird er davon befreit und kann fortan als »Privatier « hier wohnen. Doch muss er sich viermal täglich, alle drei Stunden, bei der Kommandantur melden, was ihm keine Ruhe zu konzentrierter geistiger Arbeit lässt. Er leidet an der Untätigkeit und kommt zudem in wirtschaftliche Bedrängnis, weil seine schriftstellerischen Arbeiten in München liegenbleiben und er gleichzeitig seinen Münchner Haushalt aufrechterhalten muss, wo seine Frau Kreszentia (Zenzl) weiterhin lebt. Sie kommt ihn einmal in der Woche besuchen, was ebenfalls ins Geld geht.

Die militärische Anordnung zur Gefangensetzung Mühsams durfte nicht öffentlich gemacht werden; daher schützt Mühsam in manchen seiner Briefe an weniger vertraute Personen seine – tatsächlich existierenden – Herzprobleme und medizinische Gründe für den Aufenthalt in Traunstein vor. Hier genießt er die landschaftliche Schönheit, beklagt sich allerdings über wochenlangen Dauerregen und -kälte im Mai und Juni des Jahres 1918. Nachdem im Bayerischen Landtag zu seinem Fall eine Interpellation eingebracht worden ist und der KPD-Abgeordnete und Jurist Joseph Herzfeld die Angelegenheit im Reichstag zur Sprache bringt, schöpft er Hoffnung, bald nach München zurückkehren zu können. Jedoch vergebens.

Traunsteiner Zensurbehörde liest mit

Unterkunft findet er im ersten Stock des Hauses Stadtplatz 27, in einem Zimmer in der Wohnung der Familie Liebhaber. Der Volksschullehrer und gebürtige Niederbayer Dr. Otto Liebhaber (1874-1939) machte sich in den 20er Jahren als Heimatkundler und Sammler von Liedern und Liedertexten in Rupertiwinkel und Chiemgau einen Namen. Doch schon bald wird Mühsam nahegelegt, die Wohnung zu wechseln. Den Grund dafür nennt man ihm nicht: Sein Vermieter hatte seinem Bruder Josef, der im Kriegseinsatz war, brieflich verschiedene Möglichkeiten eröffnet, wie er sich ins Ersatzbataillon versetzen lassen könne. Die Traunsteiner Briefzensurbehörde, die den Brief abfängt, vermutet den Kriegsgegner und Pazifisten Mühsam hinter derlei Ideen. Obwohl dieser in Briefen über die »öde Junggesellenbude« lästert, folgt er der Aufforderung nicht, sondern lässt es darauf ankommen, dass man ihn mit Gewalt zum Auszug zwingt, was aber nicht erfolgt. Jedenfalls bleibt er den ganzen Sommer über am Stadtplatz wohnen. Im Übrigen geht Mühsam davon aus, dass seine eigene Post unzensiert bleibt, da er alle Briefe direkt und ungeöffnet bekomme, wie er schreibt.

Seinen gewöhnlichen Tagesablauf beschreibt er wie folgt: »Um 8 Uhr stehe ich auf, frühstücke und muß um 9 Uhr zur ersten Meldung zur Kommandantur. Bis meine Bude in Ordnung ist, laufe ich etwas planlos herum, wenn das Wetter es erlaubt auf den Waldwegen, bei Regen mache ich Besorgungen oder bin ganz hilflos. Dann komme ich heim und setze mich vor mein Tagebuch, wohinein ich zumeist meine ganzen politischen Ansichten über die Tagesereignisse ablagere …. auch lese ich dann die Zeitungen oder sonst laufendes Zeug. So wird es 12, und ich muß zur zweiten Meldung, der sich das Mittagessen anschließt, dem im Caféhaus der Genuß eines schwärzlichen Suds folgt, der sich als Kaffee ausgibt. Wieder zuhause, erledige ich Korrespondenz, soweit ich komme … Um 3 Uhr dritte Meldung. Daran anschließend gehe ich gewöhnlich zu einem blinden Gastwirt, ehedem Schreiblehrer und sozialdemokratischer Redakteur. Keine Leuchte des Geistes, aber immerhin ein Mann, dem man sein Sprechbedürfnis ein wenig befriedigen kann. Er hat einen Drachen von Eheweib und fühlt sich verloren und verlassen in seiner Blindheit und ist glücklich, wenn ich ihm vorlese ... So wird es in der Regel ½ 5, und ich gehe wieder heim – wenigstens bei dem Sauwetter. Inzwischen ist meine Post gekommen, und es gibt wieder zu lesen oder zu schreiben … Um ½ 7 muß ich dann noch einmal zur Lagerwache, und den Abend hocke ich allein oder in Gesellschaft des 'Freidenkers' Sontheimer, eines bramarbarsierenden Revoluzzers, den man mir als Strafverschärfung als Leidensgefährten hergesetzt hat, in unterschiedlichen Kneipen herum. Manchmal tritt hier eine Seiltänzergruppe auf, oder ein kleiner Wanderzirkus; alle Woche wechselt das Kinoprogramm – das einzige Kino öffnet seine Pforten nur an 3 Abenden wöchentlich –, das sind die Abwechslungen, die das Traunsteiner Leben gewährt.«

Das erwähnte Tagebuch aus dieser Zeit ist verschollen.

Kurgast wider Willen

Immer wieder bemüht Mühsam sich, verschiedene Bekannte zu motivieren, ihn in Traunstein zu besuchen. Erfolg hat er damit bei Paula Sack, der Frau des Schriftstellers Gustav Sack, die sich bereit erklärt, aus Hamburg nach Traunstein zu kommen. An sie fasst er seine Lage am 30. Juni 1918 wie folgt zusammen: »Kommen Sie hierher (von München 2 Stunden Schnellzug- Entfernung; 5 Stunden Personenzug). Die Verpflegung ist den Umständen gemäß recht anständig. Mit 4-500 M[ark] kann eine einzelne Person einen Monat lang nahezu luxuriös leben (Ich brauche die Hälfte). Die Landschaft ist herrlich, der Chiemsee in zwei Stunden zu Fuß zu erreichen, ringsherum hohe Berge, hinlänglich entfernt, um einen nicht totzudrücken, die Stadt selbst nett, sauber, manierlich und mit sehr schönen Spaziergängen, viel Wald, reichlich versehen. Das Volk gut katholisch, von den Bauern hier und da ein Ei zu holen (16 Pfennig), bei guter Beziehung auch mal ein ¼ Pfd. Butter. Die Stadt reich belebt mit Zivilgefangenen: hauptsächlich Franzosen, auch Belgiern, Italienern, Russen, Rumänen, Serben etc. – und zwei Deutschen, darunter der ergebenst Unterzeichnete. Um es deutlich zu sagen: ich bin hier Kurgast wider Willen, sitze seit 2 Monaten hier als Internierter, weil der dringende Verdacht besteht, daß ich »im Geheimen an staatsgefährdenden Umtrieben« mich beteilige ... Man nennt das gegen mich angewandte Verfahren »Aufenthaltsbeschränkung«, es handelt sich also um eine Variation der 'Schutzhaft' im Festungsstil.«

Nachdem Paula Sack ihr Kommen zusagt, hat er folgende Ratschläge für sie parat: »Ich muß Sie bloß auf eins aufmerksam machen: Sie dürfen nicht in der Eigenschaft als Kurgast herkommen. Die Liebe von der Etsch bis an den Belt ist nämlich nicht so überwältigend groß, wie man das im Norden dieses Landes glaubt. Die Saupreiß'n haben uns Bayern schon derartig arm gefressen, daß wir diverse Fremdenverkehrsverordnungen als Abwehrkanonen haben auffahren müssen. Darunter die, daß kein Kurgast länger als drei Wochen geduldet wird. Die Schwierigkeit lässt sich aber dadurch umgehn, daß Sie Ihre Übersiedlung nach Traunstein in die Form eines dauernden Wohnortwechsels kleiden ... . Sie müssen dabei die Leute im Glauben lassen, daß Ihr Aufenthalt hier nicht für einige Monate berechnet ist, sondern daß Sie hier dereinst an Altersschwäche zu sterben bedenken...«, empfiehlt er der 26-Jährigen.

Unterkunft Wegscheid 86 ½

Paula Sack kommt tatsächlich, bleibt nach eigenen Angaben ein halbes Jahr in Traunstein. Nicht nur der Familie Liebhaber, der ganzen Traunsteiner Gesellschaft ist die Bekanntschaft zwischen Paula Sack und Erich Mühsam offenbar ein Dorn im Auge und Grund für seinen sicher nicht freiwilligen Wegzug vom Stadtplatz. Im September ist Mühsam intensiv auf der Suche nach einem anderen Zimmer, was sich jedoch schwierig gestaltet. »Ich suche von früh bis spät eine geeignete Bude und finde keine. Erst wenn der große Gefangenenaustausch mit Frankreich vor sich geht, werden Zimmer massenhaft frei werden, aber das kann in der nächsten Woche vor sich gehen, es kann auch noch Monate dauern. Und wie lange ich hier noch aushalten muß, ist garnicht abzusehn. An eine Wirkung des österreichischen Friedensangebotes glaube ich nicht«, schreibt er am 6. September an Carl Georg von Maassen. Tatsächlich sollte es bis zum Ende des Krieges noch zwei Monate dauern.

Am 19. September zieht er um; seine Adresse lautet jetzt Wegscheid 86 ½. In dem Zimmer gibt es weder Gas noch elektrisches Licht. »Da ich wegen meines Lebenswandels und meiner politischen Anrüchigkeit in ganz Traunstein kein Zimmer finden konnte, mußte ich außerhalb der Stadt mieten, was allerlei Unangenehmes hat ... Aber jetzt angesichts der nahen Erlösung ist mir alles wurscht.« Zu dem – vermeintlich unschicklichen – Lebenswandel erläutert Mühsam, Paula Sack sei »manchmal – nachmittags um 3 Uhr! – zu mir« gekommen. Sie selbst erinnert sich später (1971) in einem Brief, sie sei nur kurz und nur ein einziges Mal in seinem Zimmer am Stadtplatz gewesen.

Anfang Oktober wird Mühsam in einer Zeugenangelegenheit nach München beordert. Erfolgreich bemüht er sich um eine Aufenthaltsverlängerung; man gewährt ihm einen fünftägigen Urlaub in München, der dann zum Zweck ärztlicher Behandlung sogar bis zum 21. Oktober verlängert wird. Er ist froh, endlich von hier wegzukommen, denn »was Traunstein anlangt, so scheint es mir wie ein schönes Mädchen, das sich bei näherer Bekanntschaft als tückisch, hundsgemein und kuhdumm erweist.«

In München erfährt Mühsam, dass eine allgemeine politische Anmestie geplant sei und erklärt daraufhin in einem Schreiben vom 13. Oktober an das Stellvertretende Generalkommando des Bayerischen Armeekorps, er betrachte sich »von heute aus eigenem Entschluß als befreit von dem mir auferlegten Zwang«. Er erklärt, »Ohne Anwendung von Gewalt werde ich also nicht nach Traunstein zurückkehren.«

Genau diese Gewalt erfolgt jedoch umgehend: Am darauffolgenden Tag erscheint morgens um 4 Uhr 20 die Polizei in seiner Schwabinger Wohnung und man bringt ihn mit dem Zug wieder nach Traunstein. Hier weigert er sich jetzt, zu den vorgeschriebenen Meldungen viermal täglich zu erscheinen und lässt es darauf ankommen, deswegen verhaftet zu werden. Prompt erstattet Hauptmann von der Pfordten bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen ihn. In einem Brief an von Maassen erklärt Mühsam: »Der Grund für mein Verhalten ist, daß ich unter Anklage kommen will, da sich um diejenigen, die einfach aus militärischer Willkür, ohne etwas bestimmtes verbrochen zu haben, schikaniert werden, niemand kümmert, während die Verurteilten oder Angeklagten aus politischen Motiven jetzt alle nach und nach in die Freiheit gesetzt werden. Auch will ich sehn, wie fest sich die Herrschaften noch in ihrer Macht fühlen.… Der Krieg ist verloren und hört infolgedessen sehr bald auf.«

An seinen Schriftstellerkollegen Maximilian Harden schreibt Mühsam: »Ich glaube, es wäre an der Zeit, öffentlich zu protestieren. Denn wie mir geht es gewiß noch hunderten andern ... Sobald ich etwas freier atmen kann, beabsichtige ich eine Aktion gegen die Leitung des Traunsteiner Gefangenenlagers, in dem die entsetzlichsten Zustände herrschen. Gefangenenmißhandlungen von phantastischer Grausamkeit werden dort täglich und stündlich an Hunderten unglücklicher Ausländer verübt.« Mühsam verfasst darüber einen Bericht, den er an die spanische Gesandschaft in Berlin schickt.

Am 31. Oktober 1918 wird Mühsams Internierung in Traunstein mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Ein von ihm am 1. November verfasster Brief trägt nun wieder seine Anschrift in der Münchner Georgenstraße. Er plant eine politisch radikalisierte Neuherausgabe seiner Zeitschrift »Kain« und schreibt: »Der Weg vom Weltkrieg zum Weltfrieden führt durch das Fegefeuer der Weltrevolution. ... Die Revolution bei uns wird umso unblutiger sein, je radikaler die Forderungen sind, mit denen sie gleich anfangs auftritt.«

In München hält er Agitationsreden und steht mit Kurt Eisner an der Spitze der Revolution, die am 7. November 1918 in München aufbricht. Nach der endgültigen Niederschlagung der Räterepublik wird Mühsam im Juli 1919 für seine Teilnahme wegen »Hochverrats« vom Münchner Standgericht zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Fünfeinhalb Jahre davon muss er absitzen, bevor er im Rahmen einer Amnestie freikommt.

In der Weimarer Republik – nach seiner Freilassung hat Mühsam München verlassen und lebt nun mit seiner Frau in Berlin – setzt er sich für die Freilassung politischer Gefangener ein. Sein Leben endet gewaltsam. In der Nacht des Reichstagsbrandes (27. Februar 1933) verhaften ihn die Nationalsozialisten. Nach monatelanger Gefangenschaft wird er am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg bestialisch gequält und dann ermordet. Der Schriftsteller Ernst Jünger sagte über ihn: »Er war einer der besten und gutmütigsten Menschen, denen ich begegnet bin.«

 

Dr. Heike Mayer

 

Quelle:

Erich Mühsam: In meiner Posaune muß ein Sandkorn sein. Briefe 1900-1934, hg. Von Gerd W. Jungblut. Band 1 (1984).

 

24/2017