Himmlische Heere jauchzen ihm Ehre
Das Christkind – im Weihnachtslied besungen









»O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!« Wenn wir dieses Lied – wohl das nach »Stille Nacht« am häufigsten im katholischen Kirchenraum ab dem Heiligen Abend erklingende – singen, soll sich die Christenheit freuen und mit den himmlischen Heeren der Engel dem neugeborenen Erlöser »Ehre jauchzen«. Eines der farbigen Glasfenster von St. Johannes in Dingolfing zeigt die singenden Engel mit dem Spruchband »Gloria in excelsis Deo« – Ehre sei Gott in der Höhe.
Die Bandbreite der Lieder, die dem Christkind an Weihnachten zujubeln, es als neu aufgegangenen Stern feiern, es anflehen, die Menschen selig zu machen, vor ihm, das auf hartem Krippenstroh liegt, niederknien, es als König willkommen heißen – die Bandbreite der heute noch immer bei Weihnachtsgottesdiensten, Krippenfeiern, Jahresschlüssen, Sonntagsvespern oder Andachten von einer rauschenden Orgel begleiteten Volksgesänge ist keineswegs bescheiden.
»Singen wir mit Fröhlichkeit,
loben Gott in Ewigkeit,
seinen Sohn gibt er uns heut:
Erschienen ist,
den uns geborn Maria.
Nun erfüllt sich,
was verkündet Gabriel.
Eja, eja,
eine Jungfrau wunderbar
Gott den Heiland uns gebar
nach ewigem Rat …«
Der der Christenheit Erschienene, ein kleines Kind, Gottes Sohn. »Den loben wir in Ewigkeit«. »Resonet in laudibus« verkündeten auf Latein die schönen, klaren, aus dem 14. Jahrhundert stammenden Zeilen. Die Melodie kam entweder in Seckau 1345 oder, etwa zwei Jahrzehnte später, in Moosburg auf. Die halblebensgroße, in Silber getriebene Gruppe der heiligen Familie stellte ein nobles Geschäft in Münchens Maximilianstraße im Advent 2013 ins Schaufenster.
Maria und Josef zeigen sich hier mit ihrem Kind in menschlicher Gestalt. Diejenige Mariens und des Kindes zu besingen versagten sich ein Mainzer Dichter des ausgehenden 16. Jahrhunderts und, zweieinhalb Jahrhunderte später, auch Friedrich Leyritz. Sie sprachen von einer »Ros'«, die entsprungen ist »aus einer Wurzel zart«. Diese »Ros'«, der Rosenstock, mit dem Maria gemeint ist, die er in der zweiten Strophe als »Röslein« bezeichnet, habe, so der barocke Schreiber aus Mainz, »ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht«.
»Das Blümelein so kleine,
das duftet uns so süß,
mit seinem hellen Scheine
vertreibt‘s die Finsternis …«
So legte Leyritz die Metapher von der »Ros'« und dem »Blümlein«, dem er verniedlichendes »e« vor die Verkleinerungs- Endung »-lein« einschob, in der dritten Strophe theologisch aus. Und er erklärt, dass Christus »wahr' Mensch und wahrer Gott« zugleich war und imstande ist, uns »aus allem Leide« zu befreien und uns »von Sünd und Tod« zu retten. Bezeichnend ist, dass die zweite Strophe, die Maria als Jungfrau gebliebene Mutter bezeichnete (»… und blieb doch reine Magd«), in der ökumenischen Fassung anders lautet: »… hat sie ein Kind geboren, welches uns selig macht«. Das Spiel mit den Rosen und trieb vor 200 Jahren der alpenländische Kistenmaler des hölzernen Doppelbettes mit dem Münchner »Seminarikindl« recht frei weiter, indem er der Liebes-Röte der aus dem Boden sprießenden Rosen um das Kindl herum die Unschulds-Bläue von stilisierten Girlanden-Rosen hinzufügte. Das rosige Möbelstück steht im Bayerischen Nationalmuseum.
Paul Gerhardt schrieb eines der innigsten Christkindl-Lieder: »Ich steh an deiner Krippe hier …« Er selbst macht sich so klein wie das »Butzerl«, vor dessen armseligen Bettchen er steht und dem er das zurückgibt, was er von ihm geschenkt bekam: das Leben:
»Nimm hin,
es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Mut,
nimm alles hin
und lass dir‘s wohl gefallen.«
Er denkt an einen dunklen Moment in seinem Leben und weiß, dass das Krippenkind es war, das ihm »Licht, Leben, Freud und Wonne« gab. Und er dankt:
»O Sonne, die das werte Licht
des Glaubens in mir zugericht‘,
wie schön sind deine Strahlen.«
Unfassbar ist für den, der sich nicht satt sehen kann an dem strahlenden Kindlein, dessen Bedeutung ihm unbegreiflich ist, ein Wunder: »O dass mein Sinn ein Abgrund wär / und meine Seel' ein weites Meer, / dass ich dich möchte fassen.« – Das von dicken goldenen Strahlen umgebene Krippenkind gehört zu einem spätgotischen Relief aus St. Johannes in Dingolfing. Hier liegt das Jesuskind auf dem Boden, »elend, nackt und bloß«, wie es in dem Lied »Lobt Gott, ihr Christen alle gleich« – Text (1560) und Melodie (1564) von Nikolaus Herman – heißt, das allerdings das »Kindlein klein … in einem Krippelein« liegen sieht, so es »niedrig« wurde »und gering« und »eines Knechts Gestalt« annahm – er, »der Schöpfer aller Ding'«! Seine Liebe kennt keine Grenzen, wenn er die Tür wieder aufschließt »zum schönen Paradeis«, das der Cherub nicht mehr bewachen muss. Mitten in ein solches »Paradeis « stellten wohl fromme, handwerklich geschickte Nonnen ein in Maisgelb gewandetes Jesuskind – eine Barockarbeit, die diesen Herbst im Münchner Wunderkammer-Kunsthandel auftauchte.
»Natus est nobis hodie« – Geboren ist uns heut – ist ein Liedtext des 15. Jahrhunderts, der 1971 für das EGB neu übersetzt wurde. Er wurde in Michael Weißes 1531 veröffentlichtem Gesangbuch der Böhmischen Brüdergemeinde gefunden, das mit mehr als 150 Liedern als das reichste reformatorische Gesangbuch gilt. Darin sind neben vielen originalen Dichtungen des 1488 im schlesischen Neiße geborenen Franziskaners Hymnen des Mittelalters, Wechselgesänge und geistliche Volkslieder zu finden. Weiße starb 1534 im böhmischen Landskron, wo er die letzten Lebensjahre als Pfarrer wirkte.
»Ein Kind ist uns geboren heut,
das alle Welt erfreut,
wendet unser Leid.
Heut tut sich auf des Himmels Tor,
es bricht ein Glanz hervor,
Gott wird offenbar.
Schaut auf, ein König kommt zu euch;
der Sohn, dem Vater gleich,
er macht alle reich …«
So lauten auf nüchternes Neu-Deutsch die ersten drei Strophen. Der König, der gemeint ist, kann ja nur ein gekröntes Kind sein. In solcher Gestalt ist uns das barocke Christkind aus Prag bekannt. Weniger spektakulär: ein neugotisches Christkind, das segnend auf einer Wolke steht und als Attribut die Weltkugel in Händen trägt. Zu sehen im offenen geflügelten Hauptaltar-Aufsatz von St. Anna im Münchner Stadtteil Lehel.
Auf das Jahr 1380 geht der Text, ins Jahr 1460 weist die zuerst entstandene Melodie des wohl ältesten Weihnachtsliedes: »Gelobet seist du, Jesu Christ, / dass du Mensch geboren bist / von einer Jungfrau, das ist wahr; / des freuet sich der Engel Schar. / Kyrieleis.« Entstehungsort dieser Strophe ist Medingen bei Lüneburg. Sechs weitere Strophen fügte Martin Luther 1524 an. In der zweiten spricht er vom »ew'gen Vaters einig Kind«, das sich »in unser armes Fleisch und Blut als »ewig Gut … verkleidet« hat. So umschreibt der Reformator »das Wunder der Menschwerdung Gottes: Gott hat in der Geburt Jesu die Gestalt eines Menschen wie ein Kleid angezogen, sich aber damit nicht nur … bekleidet, sondern sich darein verkleidet, sich damit völlig verbunden und sich zugleich darin verborgen, also menschliches Wesen angenommen«, wie das »Gotteslob « (Ausgabe 1975, S. 207) erklärt. Luther dichtete: »Er ist auf Erden kommen arm, / dass er unser sich erbarm …« (vorletzte Strophe). Die Kargheit der ersten »Bettstatt« des gerade Mensch gewordenen Gottessohns vermag eine kindliche Schiefertafelzeichnung der Weihnachtskrippe wiederzugeben, dargeboten von einem Schulbuben vor gut 100 Jahren. Das Bild ziert das Cover des Buches »Anschaulichkeit im Religionsunterricht« von J. B. Hartmann, 1907.
Mit einem Neujahrswunsch verbunden mailte dem Schreiber dieser Zeilen ein Schweizer Freund und Sammler religiöser Kunst die Abbildung eines barocken Pergamentblattes des Niederländers Cornelis Galle. Es zeigt das in einem goldenen, von drei Schafen gezogenen Wagen daherkommende Christuskind, wie es die Siegesfahne der Auferstehung schwenkt, das Kreuz des Leidens hinter sich lassend, unbarmherzig über Tod und Unglauben hinweg trabend. Dazu passt die sehr frühe Aachener Lied-Zeile (13./14. Jh.),
»Sei uns willkommen, Herre Christ,
der du unser aller Herre bist.«
die 1970 eine Ergänzung erfuhr, die auf das hier im Wagen mitgeführte Kreuz Bezug nimmt:
»Gott ist geboren, unser Trost,
der hat durch sein Kreuz
die Welt erlöst.«
Beide kurze Strophen werden unterstrichen von einer teilweise wiederholten Begrüßung des sieghaft einher fahrenden Todes-Überwinders in Gestalt des starken Christuskindes:
»Sei willkommen, lieber Herre,
hier auf der Erde recht mit Ehren.
Kyrieleis.«
Den engen Weihnachtsfestkreis verlassen wir mit dem Festtag der Heiligen Drei Könige. Noch um 1930 war es in der Rhön üblich, dass kostbar gekleidete »heilige Dreikünich« von Haus zu Haus zogen, Naturalien zum Lohn erhielten, Verse vortrugen und ein Dreikönigs-Lied, das wohl mündlich tradiert wurde, sangen. Es griff anfangs die wegen des »kalten Winters« beschwerliche Herbergssuche des heiligen Paares auf, um dann in zwei folgenden Strophen zu schildern, weshalb es – wie in der vierten Strophe besungen – angebracht sei, zu laufen und das Kindlein zu großen, sich von Sünden frei zu machen und ihm zu Füßen zu fallen:
»… und als die Nacht
am kältesten war
und hat so hart gefroren
da hat Marie die Jungfrau zart
ihr liebes Kind geboren.
Sie wickelt es in Windel ein
und tut es recht schön zieren
sie legt es
in ein Krippelein
zu den wilden Tieren …«
Wie immer man es sich vorstellen mag, wie Maria ihr Kind »tat recht schön zieren« – eine nicht namentlich bekannte oberschwäbische Werkstatt, die im 16. Jahrhundert eine »Ein-Königs-Szene« in Holz schnitzte, überlässt das ganz der Phantasie des Betrachters. Der mag sich zunächst fragen, wo wohl die beiden anderen des nur allzu bekannten Trios der hochheiligen Weihnachtszeit abgeblieben sein mochten. Oder wurde nur der Schnellste der drei, der gleich ganz ehrfürchtig vor dem neuen König auf die Knie niederfällt, festgehalten? Das nackte Knäblein, völlig ohne »schön gezieret« zu sein, hält die heilige Mutter, bekräftigt vom freudig erregt dahinter stehenden Vater Josef, dem hohen Besucher entgegen. Schon fängt das Baby an, mit den Händen zu reden …
Dr. Hans Gärtner
Literatur:
Claussen, Johann Hinrich: »Gottes Klänge«, München 2014. »Gotteslob«, Kath. Gebet- und Gesangbuch, München 1975. Worschech, Reinhard: »Fränkische Bräuche zur Weihnachtszeit«, Würzburg 1978.
51/2014