»Himmel Landshut – Tausend Landshut«
So schallt es alle vier Jahre durch die altbayerische Herzogsstadt Landshut




Die große Fürstenhochzeit
Man schrieb das Jahr 1475. Unter diplomatischer Einschaltung kirchlicher und politischer Kontakte war es der mit reichlichen Geschenken ausgestatteten, bayerischen Gesandtschaft gelungen, eine Ehe zwischen dem 20-jährigen Sohn Georg und der 18-jährigen Königstochter Hedwig aus Polen anzubahnen. Der herzogliche Brautwerber war Friedrich Mauerkirchner, Probst von Altötting. Der Bayernherzog Ludwig der Reiche war an dieser Verbindung sehr interessiert, war doch Hedwigs Vater Kasimir IV. Herrscher über Polen, die Ukraine und weite Teile Russlands. Andererseits war auch den Polen an einer Verbindung zu einem westlichen Land sehr gelegen.
Nach einer zweimonatigen Reise unter dem Geleit polnischer Fürsten und Beamter, die über Posen, Berlin, Wittenberg, Nürnberg, Ingolstadt und Moosburg führte, traf der prunkvolle Brautzug am 14. November des Jahres 1475 in Landshut ein. Der Herzogssohn Georg erwartete zusammen mit Kaiser Friedrich III. und dessen Sohn Maximilian sowie mit Fürsten und Bischöfen seine Braut, die er bislang noch nicht gesehen hatte.
Nun zog das fürstliche Paar mit deutschen und polnischen Adeligen feierlich in die festlich herausgeputzte Herzogsstadt ein. Unter den Klängen von 200 Trompeten, Posaunen und Pauken betrat es die noch nicht ganz vollendete St.-Martins-Kirche. »Nachdem die Jungfrauen sie nach ihrer Landessitte geschmückt hatten, führten sie die Königin hinauf zum Hochaltar. Und sie weinte gar sehr.«
In Anwesenheit einer erlesenen Schar von Gästen vollzog der Erzbischof von Salzburg die Trauung, die »ein Nutz sein sollte für Kirche und Reich«, denn durch die Hochzeit sollte ein Bollwerk gegen die Türken geschaffen werden, die 1453 Konstantinopel erobert hatten.
Ein Fest für das ganze Volk
Das Hochzeitsfest, das nach der Vermählung des Fürstenpaares gefeiert wurde, war in seiner Art einmalig: Der Kaiser und sein Sohn waren ebenso wie das gemeine Volk eine ganze Woche lang Gäste des »reichen Herzogs«. Nach einem Gebot durfte während der Festwoche kein Wirt den Gästen oder Stadtbewohnern Essen und Trinken geben. Jedermann sollte seine Verpflegung von der herzoglichen Küche bekommen.
Was verzehrt wurde, konnte sich sehen lassen: 300 ungarische Ochsen, 6200 Hühner, 5000 Gänse, 7500 Krebse, 75 Wildschweine und 160 Hirsche. Dazu wurden 430 Fässer Wein leer getrunken. Die Ausgaben betrugen insgesamt 60 766 rheinische Gulden, was nach heutigem Geld mehreren Millionen entspricht.
Das Hochzeitsmahl wurde von den männlichen Fürsten an mehreren Tischen des Zollhauses und von den weiblichen Adeligen in der Herberge der »Königin« eingenommen. Was beachtenswert ist: Braut und Bräutigam aßen am Hochzeitstag nicht gemeinsam. Der Bräutigam saß an der Tafel des Kaisers, die Braut am Tisch der Schwiegermutter und Markgräfin.
Die opulente Fürstenhochzeit war eines der eindrucksvollsten Feste des ausgehenden Mittelalters und erweckte noch einmal die Idee von einem geeinten Europa, der Einheit des Abendlandes.
Die Hochzeit als historisches Fest
Beim Umbau des Landshuter Rathauses entstanden im Rathaussaal große Wandgemälde, die die Fürstenhochzeit von 1475 zum Thema hatten. Diese Arbeiten gaben den Landshutern den Anstoß, sich auf ihre eigene Geschichte zu besinnen. Und so kam es zur Gründung des historischen Vereins »Die Förderer«. Mit ganz einfachen Mitteln begann man erstmals 1903, den Festzug in Szene zu setzen, eine Aufgabe, die die Landshuter Bürgerschaft zunehmend begeisterte. Nach und nach entwickelte sich das heutige umfassende Festprogramm, das Tausende von Besuchern anzieht.
Ein Fest wie die Landshuter Fürstenhochzeit bedarf einer umfangreichen, langfristigen Vorbereitung, die in den Händen von einem Organisationsausschuss liegt. Er kümmert sich um die sachgerechte Verwahrung, Restaurierung und Neuanschaffung von Kostümen. Diese werden originalgetreu nachgebaut. Eine Ritterrüstung wiegt zum Beispiel 25 bis 30 kg.
Eine wichtige Aufgabe ist die Auswahl der über 2000 Mitwirkenden. Im Festzug sind sie Edeldamen und Pagen, Bischöfe, Mönche und Hofbeamte, Ritter in schimmernder Rüstung, Knappen, polnische Fanfarenbläser, Trommler, Pfeifer, Ratsherren und Bürgerinnen, Hofgesinde, Trossknechte, Moriskentänzer und viel Bettelvolk. Den Mittelpunkt des Zuges bildet das Brautpaar: Die Braut winkt aus dem goldenen Wagen, der Bräutigam reitet hoch zu Ross.
Die Mitwirkenden, die alle in historische Gewänder gekleidet sind, verteilen sich auf 60 Gruppen. Darunter sind 19 historische Musikgruppen.
Nicht ganz leicht für das Organisationskomitee ist die Auswahl des Brautpaares. Nach den Statuten müssen Braut und Bräutigam geborene Landshuter sein und bereits in früheren Jahren bei der Fürstenhochzeit mitgewirkt haben. Und außerdem müssen sie den Anforderungen der Aufgabe gewachsen sein. Heuer fiel die Wahl auf Stephanie Müller und Felix Feigel.
Ein festliches Programm
Neben dem Hochzeitszug gibt es weitere Programmpunkte, die die Besucher in die mittelalterliche Welt der Fürstenhochzeit versetzen. So führt der Hochzeitszug von der Altstadt auf die Turnierwiese, wo Fahnenschwinger, Reisige und Ringelstecher dem Brautpaar huldigen. Eindrucksvolle Reiter- und Ritterspiele begeistern die Zuschauer.
Mit besonderen Darbietungen vermittelt die »Landshuter Hofmusik«, eine Gruppe von Musikanten und Sängern, mittelalterliche, gotische Musik. An den Festabenden versammeln sich wie einst das Brautpaar und die fürstlichen Gäste zum Tanz. Ein Festspiel, verfasst von Leopold Ahlsen, führt in die Vorbereitungen der Hochzeit ein. Ein besonderer Anziehungspunkt sind Spiele am Lagerfeuer und ein nächtlicher Mummenschanz, eine lockere Kurzweil bei Musik und Tanz des Mittelalters. So steht die stolze Regierungshauptstadt Landshut heuer wiederum ganz im Banne mittelalterlicher Prachtentfaltung. Die Landshuter Fürstenhochzeit ist ein Fest der Sinne und Lebensfreude.
Dr. Albert Bichler
25/2017