Jahrgang 2017 Nummer 35

Heilige Wolfsindis, Jungfrau und Martyrin

Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Wolfsindis (= schnelle Helferin) war ein Edelfräulein auf dem Schlosse Warth bei Reisbach in Niederbayern und lebte sehr fromm und sittsam. Das Schloss wurde von einer feindlichen Horde besetzt. Der Anführer sah öfters das Fräulein und wurde ihr bald gefährlich. Die fromme Jungfrau wies alles Unziemliche entschieden ab; als sie dessen böse Absichten durchschaute, ergriff sie die Flucht. Doch der ruchlose Offizier gebrauchte nun eine List. Er gab vor, dass er abberufen sei, und verließ wirklich das Schloss. Die Heilige erhielt hievon Nachricht und kehrte zurück. Allein der böse Kriegsmann erschien nach einiger Zeit plötzlich, umstellte das Schloss und nahm das Edelfräulein gefangen. Da jedoch ihre Tugend nicht zu besiegen war, so ergrimmte jener darüber, band die Tugendheldin an den Schweif seines Rosses und jagte in wilder Hast vom Schlosse hinab Reisbach zu, wo die Heilige ihre reine Seele aushauchte den 2. September. An demselben Platze entsprang eine Quelle, welche noch fließt, und vielen, die zur Fürbitte der heiligen Wolfsindis ihre Zuflucht nahmen, besonders in Augenleiden wunderbar geholfen hat. Über dieser Quelle wurde 1822 eine schöne Kapelle erbaut und allmählich mit vielen Votivtafeln geziert, die Zeugnis geben von den wunderbaren Gebetserhörungen. Die heilige Jungfrau und Martyrin Wolfsindis ist die besondere Schutzpatronin von Reisbach und des ganzen Vilstales. Sie soll eine geborene Ostgotin von hoher Geburt gewesen und zur Zeit des Ostgotenkönigs Dietrich von Bern um das Jahr 525 gemartert worden sein. Während des 30-jährigen Krieges wurden ihre heiligen Reliquien verborgen und bisher noch nicht aufgefunden. Ihr Verehrungstag ist der zweite September.

Lehre. Der heilige Hieronymus mahnt: »Es ist die Stimme des Herrn, der seine Kämpfer antreibt, nach dem Preise der Keuschheit zu ringen, als wollte er sagen: »Wer kämpfen kann, kämpfe, überwinde und triumphiere!«

Gebet. O Gott! gewähre durch die Fürbitte deiner heiligen Jungfrau und Martyrin Wolfsindis allen, deren Tugend in Gefahr ist, die Gnade, dass sie den Lockungen zur Sinnlichkeit widerstehen und durch deine Hilfe gerettet werden. Amen.

 

Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.

 

35/2017