Jahrgang 2014 Nummer 50

Heilige Othilia, Jungfrau und Abtissin

Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Othilia (= Odilia = glücklich, vortrefflich) war die Tochter des alemannischen Herzogs Adalrich im Elsaß zu Hohenburg und dessen Gemahlin Berwinda, 657 geboren. Als der Vater erfuhr, dass sein Kind blind sei, befahl er, dasselbe entweder zu töten oder wenigstens für immer zu entfernen. Eine fromme Amme rettete das Kind und brachte es in das Kloster Beaume in Frankreich, wo es an Kenntnissen und Tugenden bedeutende Fortschritte machte und zur blühenden Jungfrau heranwuchs. Bei der heiligen Taufe erhielt die Jungfrau den Namen Othilia und das Augenlicht. Ihr Bruder Hugo führte sie nun voll Freude dem Vater zu, welcher aber in der ersten Aufregung seinen eigenen Sohn tötete. Bald kam die Reue über den hitzigen Vater; er erkannte und nahm Othilia als seine eigene Tochter an. Jedoch ein neuer Sturm bedrohte sie. Der Vater plante eine Heirat. Endlich setzte Othilia es durch, dass sie in einen Orden treten durfte. Zur Sühne wandelte der Vater das Schloss Hohenburg in ein Frauenkloster (Odilienberg) um, und Othilia wurde dessen erste Abtissin. Am Fuße des Berges wurde ein zweites Frauenkloster gegründet (Riedermünster), und an demselben eine große Kirche sowie ein Spital für Pilger und Arme erbaut. Der Vater starb 690 bußfertig. Durch ein Wunder entsprang auf das Gebet der heiligen Othilia eine Quelle (Odilienbrunnen). Die heilige Abtissin verschied den 13. Dezember 720. Ihr Grab wurde durch Wunder berühmt. Die heilige Othilia ist Schutzpatronin des Elsasses und wird in Krankheiten des Hauptes und besonders der Augen angerufen.

Lehren der heiligen Othilia. »Erinnert euch, dass die Zeit kurz, und die Gnade immer bereit ist, die demütigen Herzen bei ihren Prüfungen zu unterstützen. Habet Glauben, betet zur Stunde der Versuchung: und ihr werdet den Feind des Menschengeschlechtes besiegen; die glückselige Ewigkeit steht der Beharrlichkeit offen«.

Kirchengebet. O Gott, der du alle Völker erleuchtest und in der Tugend deiner heiligen Jungfrau Othilia wunderbare Taten gezeigt hast: wir flehen deine unerschöpfliche Barmherzigkeit an, dass, gleichwie du die Finsternis ihrer angeborenen Blindheit von ihr genommen hast, du ebenso auch uns durch deren Fürbitte und Verdienste erleuchten und die Gnade der ewigen Seligkeit verleihen wollest. Amen.


Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.

 

50/2014