Jahrgang 2013 Nummer 9

Gutes aus der Fastenküche

Von köstlichen Fastenspeisen und bierflüssiger Nahrung

Historische Postkarte vom Salvatoranstich

Die einst so strengen Fastengebote machten auch Pfarrhaushälterinnen zu schaffen, sie mussten erfinderisch sein, um ihre strengen geistlichen Herren zufriedenzustellen. Und so klagte manche Pfarrhaushälterin, dass sie die Fastenzeit in die »bitterste Verlegenheit« stürze. Gleichwohl verstanden sie es aber stets, aus den erlaubten Nahrungsmitteln etliche Gerichte auf den Tisch zu bringen, mit denen die Fastenzeit erträglich wurde.

Für die Pfarrersköchin Anna Huber aus Regensburg erforderte die Fastenküche stets das meiste Nachdenken und den meisten Aufwand von Geschicklichkeit. Ihre Erfahrungen und Tipps hielt sie in einem Kochbuch fest, das sie 1870 unter dem Titel »Die vollständige Fastenküche« veröffentlichte. Ihr Angebot an Fastenspeisen reichte von Brot- und Kartoffelsuppen über Gemüsesuppen bis zu Schnecken-, Fisch-, Krebs- und Biersuppen, die jedem geistlichen Herrn in der kargen vorösterlichen Zeit gut mundeten. Und natürlich fehlten auch nicht köstliche Mehlspeisen wie Pfannkuchen, Dampf- und Rohrnudeln.

Was in Klöstern und Pfarrhäusern in der Fastenzeit auf dem Tisch kam, davon konnten die kleinen Leute nur träumen. Sie hielten sich gehorsam an die Fastengebote und begnügten sich mit Wassersuppe, Kartoffelgerichten in allen Variationen und Sauerkraut.

Und auch das war möglich: Wer aus irgendwelchen Gründen nicht fasten konnte oder wollte, konnte sich eine Dispens in Rom beschaffen. Aber die war nur gegen ein Bußgeld oder eine Geldspende zu erreichen.

Salvator – St. Vaterbier

Um die strengen Fastengebote elegant zu umgehen, waren einige Klöster recht erfinderisch. So wollten sie dem Hungergefühl mit flüssiger Nahrung etwas entgegenwirken. Und damit man ja kein schlechtes Gewissen haben musste, war auch gleich eine handfeste Regel zur Hand: »Potus non frangit jejunium.« – »Trinken bricht nicht das Fasten«.

Da in dieser Regel nichts über die Quantität ausgesagt ist, konnte jeder selbst sein persönliches Maß festlegen. Vom Frater Brauer im Kloster Andechs wird überliefert, dass auch er der Fastenzeit seinen Tribut zollen wollte, aber eben nur so weit, wie er es schaffte: Er trank in der Fastenzeit zur Buße statt der täglichen 18 Maß nur noch 10 Maß Bier!

In München begannen die frommen Paulaner-Mönche 1634, ein spezielles »Fastenbier« zu brauen. 1752 erhielten die Mönche die Erlaubnis, zum Namenstag ihres lieben Ordensvaters Franz von Paula ein malzreiches, besonders nahrhaftes »St. Vaterbier« oder »Heilig-Vater-Bier« herzustellen und auch auszuschenken. Im Volksmund wurde das Starkbier bald als »Salvator« bekannt.

1780 fand der erste öffentliche Anstich des Salvators statt. Dabei wurde dem Landesvater Kurfürst Karl Theodor vom Braumeister, dem Bruder Barnabas, ein Humpen mit einem besonders großen Fassungsvermögen überreicht. Der Frater Barnabas soll dem Kurfürsten den ersten Humpen mit den Worten überreicht haben: »Salve pater patriae!« – »Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands!«

An die klösterliche Tradition knüpft bis heute eine große Münchner Brauerei an, die in ihrer Wirtschaft auf dem Nockherberg alljährlich das beliebte Fastenbier, den Salvator, ausschenkt. Das ist fast ein feierlicher Staatsakt. Anwesend sind dabei das ganze bayerische Kabinett und viele wichtige Leute aus Politik, Wirtschaft, Kultur und High Society. Nach altem Brauch überreicht der Hausherr der Brauerei dem bayerischen Ministerpräsidenten die erste Maß mit den Worten: »Salve pater patriae. Bibas, princeps optime!« – »Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, bester Fürst!«

Der Salvator ist längst nicht mehr das einzige Starkbier. So gibt es von anderen Brauereien einen Triumphator, einen Animator, einen Delicator und einen Operator. Ein wohlklingender Name weckt eben den großen Durst. Nun kann die »fünfte Jahreszeit« in Bayern anbrechen, die Starkbierzeit, die zwei Wochen dauert. Zu Tausenden strömen nicht nur die Münchner in diesen Tagen zu den großen Bierburgen.


Dr. Albert Bichler

 

9/2013