Jahrgang 2003 Nummer 3

Grenzwall und Barbarenschutz

Der Limes soll Weltkulturerbe werden

Ein Rekonstruktionsversuch der um 213 nach Christus erbauten rätischen Limesmauer ist am Dennenloher See bei Gunzenhausen in Mit

Ein Rekonstruktionsversuch der um 213 nach Christus erbauten rätischen Limesmauer ist am Dennenloher See bei Gunzenhausen in Mittelfranken zu sehen. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts bauten die Römer zur Sicherung der Nordgrenze ihrer Provinz Rätien gegen die Germanen den Limes, der ursprünglich aus einer durchgehenden Palisadenwand bestand. Der Limes der Römer verlief von der Region Koblenz bis nach Hienheim nahe Regensburg.
Er war der erste Eiserne Vorhang, der einen ganzen Kontinent in zwei Teile trennte. Zum Schutz vor den germanischen Barbaren sollte der Limes den Römern vor 2000 Jahren dienen. Noch heute schlängelt sich der Wall in Bruchstücken auf einer Länge von insgesamt 542 Kilometern von der Region Koblenz in Rheinland-Pfalz bis nach Regensburg. Als größtes Baudenkmal Mitteleuropas soll der Limes im kommenden Oktober zum Unesco- Weltkulturerbe erklärt werden.

Anfang Februar wird über das Auswärtige Amt ein von den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland- Pfalz und Bayern unterzeichneter Antrag an die Unesco in Paris weitergeleitet. Die Chancen stehen nicht schlecht: Die englische Hadriansmauer, ein ähnlicher Grenzwall, trägt bereits seit 1987 den Stempel eines Weltkulturerbes.

Eine finanzielle Spritze könnte dem kränkelnden deutschen Bauhünen sicherlich gut tun. Denn Wind und Wetter nagen an der verbliebenen Substanz des Grenzwalls, Pflüge und Traktoren setzen ihm zu und lange wurden Häuser und Straßen einfach auf die Reste der römischen Verteidigungslinie gebaut. »Da ist über weite Strecken viel kaputt gegangen«, sagt zum Beispiel der hessische Landesarchäologe Professor Egon Schallmayer. Durch den Titel eines Weltkulturerbes erhoffen sich Archäologen, Denkmalpfleger und Historiker »einen zumindest 99- prozentigen Schutz des Limes«.

Ebenso lückenreich wie der Wall, der einst das kultivierte Römerreich vom wilden Germanien trennte, ist auch heute noch das Wissen über Verlauf, Funktion und Geschichte der antiken Architektur. Alte Quellen über die beeindruckende Verteidigungslinie mit seinen etwa 80 Kohortenkastellen existieren kaum. Für die Römer selbst war der Wall kaum eine Erwähnung wert. Das heutige Wissen über die römisch-germanische Grenze stammt nach Angaben der Historiker allein aus der Archäologie - und aus den Erkenntnissen der Reichs-Limeskommission, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin gegründet wurde.

Am besten erhalten ist der ehemalige Grenzwall nach Einschätzung der Experten im Taunus und in Baden-Württemberg. Graben und Wall können hier noch erkannt werden, auch die Schutthügel der Wachttürme sind noch da. Warum nur an einigen Strecken der Grenzmarkierung so genannte Palisaden - dichte Zäune aus Baumstämmen - stehen, gibt den Wissenschaftlern dagegen noch Rätsel auf.

Immer mehr Fachleute zweifeln bereits an der Funktion des Walls. War der Limes vielleicht doch weniger eine militärische als vielmehr eine wirtschaftspolitische Linie? »Um die eigene Provinz finanziell besser da stehen zu lassen, hätten Waren aus anderen Landesteilen zum Beispiel mit Steuern oder Zöllen belegt werden können«, meint Andreas Thiel vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Seine Behörde ist Koordinationsstelle für das Vorhaben »Weltkulturerbe Limes«, der Archäologe selbst ist im Auftrag des Bundeslandquartetts tätig.

Gerettet werden kann der Limes nach Ansicht von Fachleuten nur, wenn er touristisch vermarktet wird und Städte und Kommunen am antiken Grenzwall mehr für die Spuren der Römer werben. Unter anderem in Mainhardt (Kreis Schwäbisch Hall) soll ein 15 Kilometer langer Lehrpfad entlang der Verteidigungslinie mehr Licht in die historische Römerzeit auf württembergischen Boden bringen. In Aalen (Ostalbkreis), wo vor 1800 Jahren etwa 1000 römische Reitersoldaten im größten Reiterkastell nördlich der Alpen stationiert waren, steht seit 1964 das Limesmuseum, das größte Römermuseum entlang der Limesstrecke.

Die Kosten für die Bewerbung bei der Unesco tragen die Länder gemäß ihrem Anteil am Limes. Insgesamt sollen es 350 000 Euro sein - Kosten, die schnell durch Touristen wieder eingespielt werden sollen. »Wir wollen uns unter anderem besser absprechen, damit nicht an allen Orten dasselbe präsentiert wird«, erklärt Thiel. Die Chancen für eine erfolgreiche Bewerbung kann er kaum einschätzen: »Die Unesco prüft jedes Jahr nur noch 30 Anträge aus aller Welt und die Stimmungslage ist uns nicht bekannt.«

MO



3/2003