Jahrgang 2014 Nummer 1

Gregor Mendel, Begründer der Vererbungslehre

Vor 130 Jahren ist der Augustinerabt Gregor Mendel gestorben

Gregor Mendel, Fotografie aus dem Jahre 1868.
Das Augustinerkloster in Brünn.
Mendels Bienenhaus im Klostergarten.

In Brünn, heute Brno, der zweitgrößten Stadt der Tschechischen Republik, ist das Mendel-Museum und das Augustinerkloster, in dem Gregor Mendel, der Begründer der modernen Genetik lebte, ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Vor allem auch für Studenten und Wissenschaftler. Sie wollen mit eigenen Augen das Kloster und den Klostergarten sehen, wo der vor 130 Jahren verstorbene Augustinermönch Gregor Mendel die nach ihm benannten Mendelschen Vererbungsregeln entdeckt hat. Eine wissenschaftliche Sternstunde, für die Mendel heute ohne Zweifel den Nobelpreis erhalten würde! Damals allerdings krähte kein Hahn danach. Seine Entdeckung blieb unbeachtet, sein Bericht in einem lokalen Vereinsblatt verstaubte im Archiv. Erst dreißig Jahre nach seinem Tod, als drei Biologen seine Erkenntnisse wiederentdeckten, aber seine Priorität anerkannten, wurde der Name Mendel zu einem festen Begriff. Inzwischen ist das Zeitwort »mendeln« in die Wissenschaftssprache eingegangen und wird sogar als neues Wort im Duden verzeichnet.

Das St. Thomaskloster des Augustinerordens befindet sich im Stadtteil »Alt Brünn« und lag früher ganz am Rand der südmährischen Metropole. Zu Mendels Lebzeiten gehörte Mähren ebenso wie Böhmen zur österreichischen k.u.k. Monarchie, ehe sich nach dem Ersten Weltkrieg der selbstständige Staat der Tschechoslowakei konstituierte.

Gleich beim Betreten des Museums steht man Gregor Mendel Aug´ in Auge gegenüber. Es ist eine lebensgroße Figur, gestaltet nach einem Foto des damals 40-Jährigen. Ihm zur Seite sitzt Abt Cyrill Napp, sein Förderer und Wohltäter. Napp hatte den bitterarmen Abiturienten aus der Provinz – nach dem Zeugnis seines Klassenleiters »der Würdigste seines Jahrgangs« – als Novizen aufgenommen und ihm das Studium ermöglicht. Mendel dankte es ihm durch Fleiß und Frömmigkeit und wurde später Napps Nachfolger.

Kindheit und Jugend Mendels waren von Not und Armut geprägt. Er wurde im Jahre 1822 als zweites von drei Kindern eines Kleinbauern geboren und besuchte auf Empfehlung des Ortspfarrers das Gymnasium in Troppau. Als der Vater durch einen Unfall arbeitsunfähig wurde, konnte die Familie die Ausbildungskosten nicht mehr aufbringen, und der 16-Jährige schlug sich mehr schlecht als recht durch. Oft sei er mit leerem Magen zu Bett gegangen, erinnerte er sich später. Neben der Biologie galt sein Interesse den Fremdsprachen, sodass er neben Latein, Griechisch und Tschechisch auch Hebräisch, Arabisch und Syrisch sprechen konnte. Nur beim Ablegen von Prüfungen machte ihm sein sensibles Nervenkostüm offenbar schwer zu schaffen. So fiel er beim Examen für das Lehramt an Gymnasien durch, ebenso beim zweiten Anlauf. Möglicherweise hatte er sich den ersten Fehlschlag so zu Herzen genommen, dass er zum zweiten Termin gar nicht antrat. Jedenfalls blieb Mendel sein Leben lang nur »Hilfslehrer« an ordenseigenen Schulen. Er ist ein Beispiel dafür, dass Genie und schulischer Erfolg zwei verschiedene Dinge sind.

Der Rundgang durch das Museum informiert über Mendels Lebensstationen und seine Leistungen anhand von Bildern und Dokumenten. Ein Foto zeigt das kleinbäuerliche Anwesen der Eltern im Dörfchen Heinzendorf (heute Hynice) in Nordmähren. Das Haus drohte einzufallen, nachdem die Kommunisten keinerlei Interesse an Mendel und seinem Geburtshaus zeigten. Mendels Vererbungsregeln waren für sie »eine ideologische Waffe der imperialistischen Saboteure«, nach sowjetischer Ansicht wurde die Vererbung nur durch Umwelteinflüsse gesteuert, wie der sowjetische Chefbiologe Lyssenko behauptete. Und außerdem galt der Priestermönch Mendel als Reaktionär und Klassenfeind.

Nach der Samtenen Revolution (1989) dauerte es nicht lange, bis Gregor Mendel auch in seiner Heimat die gebührende Anerkennung fand. Im Jahre 2002 wurde sein Elternhaus in Heinzendorf saniert und zu einer internationalen Begegnungsstätte ausgebaut, auch das vom Verfall bedrohte Feuerwehrhaus, das Mendel seiner Heimatgemeinde gestiftet hatte, wurde erneuert.

Handschriftliche Aufzeichnungen beweisen, dass Mendel von Jugend an ein begeisterter Naturbeobachter gewesen ist, der sich für Pflanzenkunde ebenso interessierte wie für Bienenzucht und Wetterkunde. Neben seiner Lehrtätigkeit in der Schule konnte er im Kloster weiterhin seinen Neigungen nachgehen. Jahrelang war der 35 x 7 Meter große Versuchsgarten, der ihm vom Abt zur Verfügung gestellt worden war, sein tägliches Arbeitsfeld. Der Besucher steht heute voll Ehrfurcht vor den Beeten mit Erbsen- und Bohnenpflanzen.

»Hier befindet man sich auf wahrhaft historischem Boden, der heiliger ist als alle Schlachtfelder und Krönungsstätten, denn hier wurzeln nicht nur die fundamentalen Gedanken über das Geheimnis des Lebendigen, von hier aus nahm auch eine Wissenschaft ihren Ausgang, die der Menschheit vielfältige Ernte auf Böden schenken sollte, die vorher keine oder nur kümmerliche Frucht getragen hatte«, heißt es etwas pathetisch in einer frühen Lebensbeschreibung von Gregor Mendel. Ausgestellte Protokolle über die Experimente, die Mendel hier unternahm, lassen etwas von der enormen Mühe ahnen, mit der er die Gesetzmäßigkeiten der Vererbung aufdeckte und die Ergebnisse in langen Zahlenreihen festhielt. Leider nahm die wissenschaftliche Welt davon zu seinen Lebzeiten keine Notiz.

Nach seiner Wahl zum Abt leitete Mendel die Klostergemeinschaft sechzehn Jahre lang. Er starb am 6. Januar 1884 und liegt auf dem Zentralfriedhof in Brünn begraben.


Julius Bittmann

 

1/2014