Franz von Liel, der Ziegelfabrikant von Ising
Ein Beitrag zur Baugeschichte des neuen Schlosses auf der Herreninsel

Gemälde Franz von Liel, nicht datiert, vermutlich um 1880, Privatbesitz des Urenkels Philipp von Liel.

Letzte Seite des Vertrags über Backsteinlieferungen vom 23. Oktober 1874. Vertragspartner: der Königliche Hofbaudirektor Georg von Dollmann und Franz von Liel. Der Vertrag wurde von König Ludwig II. am 4. November 1874 eigenhändig genehmigt.

Bekanntmachung des Königlichen Bezirksamtes Traunstein vom 13. März 1879
Vor wenigen Tagen ging die Landesausstellung: Götterdämmerung – König Ludwig II. mit außergewöhnlich vielen Besuchern zu Ende. Viele davon empfanden die Atmosphäre in den Rohbauräumen als sehr geglückt, waren doch die unverputzten Ziegelmauern ein besonderer Kontrast zu den herausragenden Exponaten und ein geeigneter Hintergrund für Schrifttafeln und Gemälde. Was kaum einer dieser Besucher wusste, war die Tatsache, dass sie vor Ziegelmauern standen, deren Rohmaterial heimische Erde vom Ostufer des Chiemsees war. Nahezu sämtliche Ziegel – damals auch Backsteine genannt – wurden aus dem Gebiet von Thauernhausen, früher Gemeinde Tabing, später Ising und heute Chieming, hergestellt. Betreiber der Ziegelfabrik war der damalige Rittmeister und Gutbesitzer Franz von Liel, der im Jahr 1864 das Anwesen von Michael Heigermoser erworben hatte. Der hatte übrigens schon über 20 Jahre zuvor das Untermayr- Anwesen großzügig umbauen lassen, mit einem achteckigen Turm an der Westseite. Dieses Gebäude regte offenbar Franz von Liel an, weitere Baumaßnahmen durchzuführen, worauf ein ganz unorigineller Schlossbau entstanden war. Dafür verwendet wurden vermutlich Ziegelsteine, die in der Heigermoser’schen Ziegelei hergestellt worden waren.
Ein völlig anderer Schlossbau stand seit 1873 auf der Herreninsel an, die König Ludwig II. erworben hatte. Architekt und Hofbaudirektor von Dollmann hatte die Aufgabe, diese gewaltige bauliche Maßnahme vorzubereiten, wofür die notwendigen Ziegel möglichst in der näheren Umgebung beschafft werden sollten.
Am 23. Oktober 1874 kam es zum ersten Vertragsabschluss zwischen Gutbesitzer Franz von Liel mit der Hofbaukommission, wobei es um das Liefern von 250 000 Stück Ziegel ging.
Aus der Einleitung zu diesem Vertrag ergibt sich, dass von Liel zur Angebotsabgabe eingeladen wurde, da dessen Tonmaterial und Fabrikationsbetrieb allgemeine Anerkennung gefunden hatte. Das war auf jeden Fall der Beginn für ein Unternehmen, das Franz von Liel zielstrebig anging. Wer war nun dieser Rittmeister auf Gut Ising? Im Hauptstaatsarchiv in München wurde Folgendes herausgefunden:
Der Vater Karl Friedrich von Liel war Königlich Bayer. Kriegsminister und Staats-Rath im ordentlichen Dienste, Generalmajor und Träger zahlreicher Orden, der im Jahr 1853 von Ludwig I. in den erblichen Adelsstand erhoben worden war. Sein einziger Sohn, Franz von Liel, geboren am 24. September 1834 wurde dann der spätere Rittmeister und Gutbesitzer von Ising. Aus dem Nachlass des im August 1863 verstorbenen Vaters konnte er offenbar das Untermayr-Anwesen erwerben und zu einem Schloss ausbauen.
Mit dem Abschluss weiterer Verträge über Ziegellieferungen in den folgenden Jahren wurde es offenkundig, dass die bisherige Ziegelfabrikation – vermutlich das schon einmal genannte Heigermoser’sche Ziegelwerk – offenbar nicht leistungsfähig genug sein könnte. Deshalb beantragte Franz von Liel 1879 den Neubau einer großen Ziegelei beim Bezirksamt Traunstein. Dieses Genehmigungsverfahren ist es wert, es in allen Einzelheiten aufzuzeigen.
7. März: Mitteilung der Gemeinde Tabing an das Bezirksamt Traunstein, dass die Gemeindeverwaltung nichts einzuwenden hat.
10. März: Entwurf der Bekanntmachung des Bezirksamtes Traunstein, die am 13. März veröffentlicht wurde. Am gleichen Tag Situationsplan an das Königliche Forstamt Maquartstein.
15. März: Stellungnahme des Forstamtes am Bezirksamt, dass die Zustimmung nicht erteilt werden kann. Begründet wird das unter Hinweis auf Artikel 47 des Forstgesetzes damit, dass die Baustelle der Ziegelei dem Wald auf der Flurnummer 922 westlich und südwestlich so nahe gelegen ist, dass einerseits Feuergefahr, andererseits ungünstige Einwirkungen auf den Waldbestand zu befürchten sind.
17. März: Schreiben Bezirksamt Traunstein an Gemeinde Tabing, den Situationsplan durch Angabe der Plannummer und der Anlieger zu ergänzen.
31. März: Protokoll über einen Verhandlungstermin in Ising mit Ortsbesichtigung. Aus diesem Schriftstück ergeben sich folgende, wesentliche Einzelheiten: Während der Bekanntmachungsfrist wurde von keinem der Anlieger ein Einspruch erhoben. Im Zuge des Augenscheins wurde abschließend festgestellt, dass das Grundstück Plannummer 926 mit 925 ringsum nach allen Seiten frei ist und nur gegen Nord-Osten durch eine Waldung in einer Entfernung von 150 Metern und gegen Osten in einer Entfernung von 170 Metern begrenzt wird. Wortwörtlich heißt es dann am Schluss: »Da nun von Seite des Kgl. Forstamtes Maquartstein ohne vorher gepflogene Lokalbesichtigung ein Gutachten dahin abgegeben wurde, das dem Gesuch aus feuerpolizeilichen und forstpolizeilichen Gründen eine Genehmigung nicht zu erteilen sei, so gibt der Distriktbaumeister G. Frauendorfer auf Grund der kommissionell gepflogenen Lokalbesichtigung nachstehendes Gutachten ab.« Auszugsweise wird darin folgendes festgestellt: »Die Baustelle für den neu zu errichtenden Ziegelbrennofen befindet sich in unmittelbarer Nähe des bereits bestandenen so genannten Heigermoser’schen Ziegelbrennofen. Ohne dass an den Waldungen, die damals in geringerer Entfernung als zu Zeit sich befanden nicht die mindeste Spur einer Beschädigung oder Feuergefahr wahrnehmbar ist, wird ferner erwogen, dass der neu zu erbauende Ofen wegen seiner verbesserten Konstruktion… irgend eine Feuergefahr für so wenig gegeben erachte, wie eine Beschädigung des 150 Meter weit entfernt gelegenen Waldes durch den Rauch nicht anerkennen kann.«
1. April: Beschluss des Bezirksamtes Traunstein, womit das Bauvorhaben gebilligt wird.
Es hat also in der Postkutschenzeit und ohne Telefon nicht einmal ein Monat gedauert, bis das Verwaltungsverfahren abgeschlossen war. Dass der Antragsteller aufgrund der mit der königlichen Hofbaukommission abgeschlossenen Verträge die Sache dringend gemacht hatte, darf natürlich angenommen werden. Dennoch ist der zügige Ablauf unter Einschaltung von Nachbarn und einer Staatsbehörde bemerkenswert.
Festzustellen bleibt noch, dass die Ziegelei an der vorgesehenen Stelle allerdings völlig anders, als ursprünglich geplant, errichtet wurde.
Entsprechend den Lieferungsverträgen kam es bis zum Ende der Rohbaumaßnahme im Jahr 1884 zu insgesamt über 11 Millionen Ziegel, die von Arlaching aus auf Schleppkähnen - gezogen von einem eigens dafür gebauten Schleppdampfer - zum Westufer der Insel gelangten. Von dort aus wurden die Ziegelmengen per Feldbahn der Spurweite 600 mm zur Baustelle befördert. Dieser Transportweg wurde übrigens in einem Aufsatz in den Chiemgaublättern vom 13. September 2003 umfassend dargestellt.
Die Landesausstellung ist vorbei. Seit einigen Wochen wird aber auf der Herreninsel auf die Ziegellieferungen und deren Transport durch eine Infostelle auf der Südseite des Schlosses erinnert. Zwei Achsen auf einem Gleisrahmen, der vor wenigen Jahren im Chiemsee entdeckt wurde, lassen erahnen, wie damals täglich Zehntausende von Ziegeln vom Ziegelsteg aus zur Baustelle befördert wurden. Ohne die nahe gelegene Ziegelei bei Ising, von der genau so wenig zu finden war wie von der ehemaligen Anlegestelle bei Arlaching, wäre es wohl kaum möglich gewesen, den Rohbau des neuen Schlosses in verhältnismäßig kurzer Zeit herzustellen.
Claus Dieter Hotz
Quellennachweis:
Hauptstaatsarchiv München – Auszug aus der Adels-Matrikel des Königreichs Bayern
Staatsarchiv München – Akt des Königl. Bayr. Bezirks-Amts Traunstein 1879
Geheimes Hausarchiv München
Heimatbuch von Ising – Geschichte - Quellen - Impressionen, erschienen im Drei Linden Verlag, Grabenstätt, 1990
42/2011
Ein völlig anderer Schlossbau stand seit 1873 auf der Herreninsel an, die König Ludwig II. erworben hatte. Architekt und Hofbaudirektor von Dollmann hatte die Aufgabe, diese gewaltige bauliche Maßnahme vorzubereiten, wofür die notwendigen Ziegel möglichst in der näheren Umgebung beschafft werden sollten.
Am 23. Oktober 1874 kam es zum ersten Vertragsabschluss zwischen Gutbesitzer Franz von Liel mit der Hofbaukommission, wobei es um das Liefern von 250 000 Stück Ziegel ging.
Aus der Einleitung zu diesem Vertrag ergibt sich, dass von Liel zur Angebotsabgabe eingeladen wurde, da dessen Tonmaterial und Fabrikationsbetrieb allgemeine Anerkennung gefunden hatte. Das war auf jeden Fall der Beginn für ein Unternehmen, das Franz von Liel zielstrebig anging. Wer war nun dieser Rittmeister auf Gut Ising? Im Hauptstaatsarchiv in München wurde Folgendes herausgefunden:
Der Vater Karl Friedrich von Liel war Königlich Bayer. Kriegsminister und Staats-Rath im ordentlichen Dienste, Generalmajor und Träger zahlreicher Orden, der im Jahr 1853 von Ludwig I. in den erblichen Adelsstand erhoben worden war. Sein einziger Sohn, Franz von Liel, geboren am 24. September 1834 wurde dann der spätere Rittmeister und Gutbesitzer von Ising. Aus dem Nachlass des im August 1863 verstorbenen Vaters konnte er offenbar das Untermayr-Anwesen erwerben und zu einem Schloss ausbauen.
Mit dem Abschluss weiterer Verträge über Ziegellieferungen in den folgenden Jahren wurde es offenkundig, dass die bisherige Ziegelfabrikation – vermutlich das schon einmal genannte Heigermoser’sche Ziegelwerk – offenbar nicht leistungsfähig genug sein könnte. Deshalb beantragte Franz von Liel 1879 den Neubau einer großen Ziegelei beim Bezirksamt Traunstein. Dieses Genehmigungsverfahren ist es wert, es in allen Einzelheiten aufzuzeigen.
7. März: Mitteilung der Gemeinde Tabing an das Bezirksamt Traunstein, dass die Gemeindeverwaltung nichts einzuwenden hat.
10. März: Entwurf der Bekanntmachung des Bezirksamtes Traunstein, die am 13. März veröffentlicht wurde. Am gleichen Tag Situationsplan an das Königliche Forstamt Maquartstein.
15. März: Stellungnahme des Forstamtes am Bezirksamt, dass die Zustimmung nicht erteilt werden kann. Begründet wird das unter Hinweis auf Artikel 47 des Forstgesetzes damit, dass die Baustelle der Ziegelei dem Wald auf der Flurnummer 922 westlich und südwestlich so nahe gelegen ist, dass einerseits Feuergefahr, andererseits ungünstige Einwirkungen auf den Waldbestand zu befürchten sind.
17. März: Schreiben Bezirksamt Traunstein an Gemeinde Tabing, den Situationsplan durch Angabe der Plannummer und der Anlieger zu ergänzen.
31. März: Protokoll über einen Verhandlungstermin in Ising mit Ortsbesichtigung. Aus diesem Schriftstück ergeben sich folgende, wesentliche Einzelheiten: Während der Bekanntmachungsfrist wurde von keinem der Anlieger ein Einspruch erhoben. Im Zuge des Augenscheins wurde abschließend festgestellt, dass das Grundstück Plannummer 926 mit 925 ringsum nach allen Seiten frei ist und nur gegen Nord-Osten durch eine Waldung in einer Entfernung von 150 Metern und gegen Osten in einer Entfernung von 170 Metern begrenzt wird. Wortwörtlich heißt es dann am Schluss: »Da nun von Seite des Kgl. Forstamtes Maquartstein ohne vorher gepflogene Lokalbesichtigung ein Gutachten dahin abgegeben wurde, das dem Gesuch aus feuerpolizeilichen und forstpolizeilichen Gründen eine Genehmigung nicht zu erteilen sei, so gibt der Distriktbaumeister G. Frauendorfer auf Grund der kommissionell gepflogenen Lokalbesichtigung nachstehendes Gutachten ab.« Auszugsweise wird darin folgendes festgestellt: »Die Baustelle für den neu zu errichtenden Ziegelbrennofen befindet sich in unmittelbarer Nähe des bereits bestandenen so genannten Heigermoser’schen Ziegelbrennofen. Ohne dass an den Waldungen, die damals in geringerer Entfernung als zu Zeit sich befanden nicht die mindeste Spur einer Beschädigung oder Feuergefahr wahrnehmbar ist, wird ferner erwogen, dass der neu zu erbauende Ofen wegen seiner verbesserten Konstruktion… irgend eine Feuergefahr für so wenig gegeben erachte, wie eine Beschädigung des 150 Meter weit entfernt gelegenen Waldes durch den Rauch nicht anerkennen kann.«
1. April: Beschluss des Bezirksamtes Traunstein, womit das Bauvorhaben gebilligt wird.
Es hat also in der Postkutschenzeit und ohne Telefon nicht einmal ein Monat gedauert, bis das Verwaltungsverfahren abgeschlossen war. Dass der Antragsteller aufgrund der mit der königlichen Hofbaukommission abgeschlossenen Verträge die Sache dringend gemacht hatte, darf natürlich angenommen werden. Dennoch ist der zügige Ablauf unter Einschaltung von Nachbarn und einer Staatsbehörde bemerkenswert.
Festzustellen bleibt noch, dass die Ziegelei an der vorgesehenen Stelle allerdings völlig anders, als ursprünglich geplant, errichtet wurde.
Entsprechend den Lieferungsverträgen kam es bis zum Ende der Rohbaumaßnahme im Jahr 1884 zu insgesamt über 11 Millionen Ziegel, die von Arlaching aus auf Schleppkähnen - gezogen von einem eigens dafür gebauten Schleppdampfer - zum Westufer der Insel gelangten. Von dort aus wurden die Ziegelmengen per Feldbahn der Spurweite 600 mm zur Baustelle befördert. Dieser Transportweg wurde übrigens in einem Aufsatz in den Chiemgaublättern vom 13. September 2003 umfassend dargestellt.
Die Landesausstellung ist vorbei. Seit einigen Wochen wird aber auf der Herreninsel auf die Ziegellieferungen und deren Transport durch eine Infostelle auf der Südseite des Schlosses erinnert. Zwei Achsen auf einem Gleisrahmen, der vor wenigen Jahren im Chiemsee entdeckt wurde, lassen erahnen, wie damals täglich Zehntausende von Ziegeln vom Ziegelsteg aus zur Baustelle befördert wurden. Ohne die nahe gelegene Ziegelei bei Ising, von der genau so wenig zu finden war wie von der ehemaligen Anlegestelle bei Arlaching, wäre es wohl kaum möglich gewesen, den Rohbau des neuen Schlosses in verhältnismäßig kurzer Zeit herzustellen.
Claus Dieter Hotz
Quellennachweis:
Hauptstaatsarchiv München – Auszug aus der Adels-Matrikel des Königreichs Bayern
Staatsarchiv München – Akt des Königl. Bayr. Bezirks-Amts Traunstein 1879
Geheimes Hausarchiv München
Heimatbuch von Ising – Geschichte - Quellen - Impressionen, erschienen im Drei Linden Verlag, Grabenstätt, 1990
42/2011