Fleischextrakt und Silberspiegel
Zwei Ausstellungen zu Justus von Liebig im Deutschen Museum

Jeder Fleischextraktdose der »Liebig’s Extract of Meat Company« lag zwischen 1872 und 1925 ein Werbebildchen aus einer sechsteiligen Serie bei. Diese aufwändige Werbekampagne setzte auf Sammelleidenschaft und Bildung und machte den Namen des deutschen Chemikers Justus von Liebig auch in Laienkreisen weltberühmt.

Liebig’s analytisches Labor in Gießen um 1840, nach einer Zeichnung von Trautschold und von Ritgen. Im Liebig-Museum in Gießen ist es bis heute im Original zu sehen. Da es der Prototyp des modernen chemischen Forschungslabors war und ist, präsentiert die Chemieabteilung des Deutschen Museums seit 1906 eine Rekonstruktion dieses Raumes.
Im Jahre 2003 jährt sich der Geburtstag des großen deutschen Chemikers Justus von Liebig zum 200. Mal. Aus diesem Anlass, aber auch, weil in diesem Jahr das »Jahr der Chemie« begangen wird, hat das Deutsche Museum in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zwei von der Justus-Liebig-Universität Gießen konzipierte Sonderausstellungen über Liebig nach München geholt.
Liebig hat sich bekanntlich besonders um die Entwicklung der Agrarchemie, der Lebensmittelchemie und der organischen Chemie verdient gemacht. Das Leben des genialen Chemikers verlief, leidgeprüften Eltern möge es zum Trost gereichen, allerdings nicht ganz geradlinig. Liebig hatte kein Abitur, brach eine Apothekerlehre ab und fiel in seinen Erlanger Studentenjahren als linker Revoluzzer auf. Trotz allem wurde Liebig schon mit 21 Jahren Professor – auf Empfehlung Alexander von Humboldts – Professor an der Universität Gießen. Mit der Entwicklung seines Patentdüngers, seiner Arbeiten über Backpulver, Fleischextrakt und künstliche Muttermilch, besonders aber durch seine Verbesserung der Elementanalyse schrieb er Chemiegeschichte. Aber nicht allen seinen wissenschaftlichen Entwicklungen war immer Erfolg beschieden, zumindest zunächst nicht. So war der von Liebig mitentwickelte, noch heute gebräuchliche Silberspiegel anfangs ein absoluter Ladenhüter. Nach zwei Jahren machte die erste Silberspiegelfabrik in Fürth/Bayern, bei der Liebig stiller Teilhaber war, Pleite: Den feinen Damen der Gesellschaft waren die Farben, die Liebigs Silberspiegel wiedergaben, zu realitätsgetreu. Im Zeitalter der vornehmen Blässe sahen sie plötzlich auch ihre roten Bäckchen, die sie in den Quecksilberspiegeln nie gesehen hatten.
Der junge Chemieprofessor Liebig hatte es geschafft, aus der kleinen Universitätsstadt Gießen ein regelrechtes »Mekka der Chemie« zu machen, wo jeder studierte, der in der Chemie wirklich etwas lernen und werden wollte. Liebigs Ruhm drang auch nach München, so dass König Max II., der den Naturwissenschaften besonders zugetan war, das Nordlicht Liebig 1852 nach München abwarb. Liebig wurden glänzende Arbeitsbedingungen zugesagt: Freistellung von der Leitung des Unterrichtslabors in München und Errichtung eines hochmodernen chemischen Institutes. In München wurde er mit Titeln und Ehrungen überhäuft. 1859 ernannte ihn Max II. zum Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften – daher also die Kooperation zwischen Akademie und Deutschem Museum bei der Präsentation der beiden Liebig-Ausstellungen in München. Auch wurde Liebig »chairman« der Symposiantenrunde, die den König wissenschaftlich beriet.
Die Ausstellung »Justus Liebig – Seine Zeit und unsere Zeit«, die im 2. Obergeschoss des Sammlungsgebäudes im Deutschen Museum gezeigt wird, kontrastiert Liebigs große Errungenschaften auf dem Gebiet der Agrarchemie und Analytik mit der Situation heute. Es wird gefragt, mit welchen Instrumenten und Genauigkeiten die moderne analytische Chemie vorgeht und welche Praktiken heutzutage angewandt werden, um die Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten und zu verbessern. Durch diese Gegenüberstellung erhält die Ausstellung wohl durchdachte didaktische Elemente und eignet sich besonders für den Besuch von Schulklassen oder Chemie-Leistungskursen.
Die zweite Liebig-Ausstellung befindet sich dagegen in der Eingangshalle der Bibliothek des Deutschen Museums. Sie nennt sich »Justus Liebig – Der streitbare Gelehrte« und beleuchtet eher den Menschen Liebig, der zwar ein charismatischer, aber charakterlich nicht ganz einfach zu nehmender Mensch war, der seine Kollegen durch allzu offene Kritik oft vor den Kopf stieß. Diese Teil-Ausstellung wird von einem informativen, aufwändig illustrierten Katalog begleitet und wendet sich vor allem an den Liebig-Liebhaber und -kenner. Anhand von Originaldokumenten, Fotos und Reproduktionen zeigt sie, welche Auszeichnungen Liebig erhielt, wie er als Wissenschaftspolitiker agierte und mit welchen – nicht immer feinen Mitteln – er seine Ideen propagierte.
Die Ausstellungen sind bis 31. Januar 2004 im Deutschen Museum und in der Bibliothek des Deutschen Museums zu sehen.
EV
43/2003
Liebig hat sich bekanntlich besonders um die Entwicklung der Agrarchemie, der Lebensmittelchemie und der organischen Chemie verdient gemacht. Das Leben des genialen Chemikers verlief, leidgeprüften Eltern möge es zum Trost gereichen, allerdings nicht ganz geradlinig. Liebig hatte kein Abitur, brach eine Apothekerlehre ab und fiel in seinen Erlanger Studentenjahren als linker Revoluzzer auf. Trotz allem wurde Liebig schon mit 21 Jahren Professor – auf Empfehlung Alexander von Humboldts – Professor an der Universität Gießen. Mit der Entwicklung seines Patentdüngers, seiner Arbeiten über Backpulver, Fleischextrakt und künstliche Muttermilch, besonders aber durch seine Verbesserung der Elementanalyse schrieb er Chemiegeschichte. Aber nicht allen seinen wissenschaftlichen Entwicklungen war immer Erfolg beschieden, zumindest zunächst nicht. So war der von Liebig mitentwickelte, noch heute gebräuchliche Silberspiegel anfangs ein absoluter Ladenhüter. Nach zwei Jahren machte die erste Silberspiegelfabrik in Fürth/Bayern, bei der Liebig stiller Teilhaber war, Pleite: Den feinen Damen der Gesellschaft waren die Farben, die Liebigs Silberspiegel wiedergaben, zu realitätsgetreu. Im Zeitalter der vornehmen Blässe sahen sie plötzlich auch ihre roten Bäckchen, die sie in den Quecksilberspiegeln nie gesehen hatten.
Der junge Chemieprofessor Liebig hatte es geschafft, aus der kleinen Universitätsstadt Gießen ein regelrechtes »Mekka der Chemie« zu machen, wo jeder studierte, der in der Chemie wirklich etwas lernen und werden wollte. Liebigs Ruhm drang auch nach München, so dass König Max II., der den Naturwissenschaften besonders zugetan war, das Nordlicht Liebig 1852 nach München abwarb. Liebig wurden glänzende Arbeitsbedingungen zugesagt: Freistellung von der Leitung des Unterrichtslabors in München und Errichtung eines hochmodernen chemischen Institutes. In München wurde er mit Titeln und Ehrungen überhäuft. 1859 ernannte ihn Max II. zum Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften – daher also die Kooperation zwischen Akademie und Deutschem Museum bei der Präsentation der beiden Liebig-Ausstellungen in München. Auch wurde Liebig »chairman« der Symposiantenrunde, die den König wissenschaftlich beriet.
Die Ausstellung »Justus Liebig – Seine Zeit und unsere Zeit«, die im 2. Obergeschoss des Sammlungsgebäudes im Deutschen Museum gezeigt wird, kontrastiert Liebigs große Errungenschaften auf dem Gebiet der Agrarchemie und Analytik mit der Situation heute. Es wird gefragt, mit welchen Instrumenten und Genauigkeiten die moderne analytische Chemie vorgeht und welche Praktiken heutzutage angewandt werden, um die Fruchtbarkeit der Böden zu erhalten und zu verbessern. Durch diese Gegenüberstellung erhält die Ausstellung wohl durchdachte didaktische Elemente und eignet sich besonders für den Besuch von Schulklassen oder Chemie-Leistungskursen.
Die zweite Liebig-Ausstellung befindet sich dagegen in der Eingangshalle der Bibliothek des Deutschen Museums. Sie nennt sich »Justus Liebig – Der streitbare Gelehrte« und beleuchtet eher den Menschen Liebig, der zwar ein charismatischer, aber charakterlich nicht ganz einfach zu nehmender Mensch war, der seine Kollegen durch allzu offene Kritik oft vor den Kopf stieß. Diese Teil-Ausstellung wird von einem informativen, aufwändig illustrierten Katalog begleitet und wendet sich vor allem an den Liebig-Liebhaber und -kenner. Anhand von Originaldokumenten, Fotos und Reproduktionen zeigt sie, welche Auszeichnungen Liebig erhielt, wie er als Wissenschaftspolitiker agierte und mit welchen – nicht immer feinen Mitteln – er seine Ideen propagierte.
Die Ausstellungen sind bis 31. Januar 2004 im Deutschen Museum und in der Bibliothek des Deutschen Museums zu sehen.
EV
43/2003