Jahrgang 2011 Nummer 51

»Erlaube mir gehorsamste Anzeige zu machen«

Schon vor 150 Jahren warben Geschäftsleute per Annonce für Weihnachtsgeschenke – Militärspielzeug gefragt

Besonders beliebt bei Buben um diese Zeit: Soldaten spielen mit Epauletten, Tornister und Gewehr.

Besonders beliebt bei Buben um diese Zeit: Soldaten spielen mit Epauletten, Tornister und Gewehr.
Ursprünglich bedeutete der Begriff »schenken«, jemandem etwas zu trinken zu geben, also »einzuschenken«. Inzwischen beinhaltet das Wort »Geschenk« aber weit mehr: Der Akt des Schenkens, des Überlassens einer unentgeltlichen Gabe spielt in vielen Bereichen unseres Lebens eine große Rolle. Besonders das Feiern von Festtagen ist ohne Geschenke kaum denkbar: Ob zum Geburtstag, zur Taufe, zur Hochzeit: Immer zeigt sich im gegenseitigen Geben und Nehmen, dass eine besondere soziale Beziehung zu anderen Menschen besteht. Den Spitzenplatz unter den Anlässen, bei denen Geschenke ausgetauscht werden, nimmt dabei das Weihnachtsfest ein: Am Ende des Jahres schenken sich vor allem Angehörige christlicher Religionen auf der ganzen Welt gleichund gegenseitig Gaben.

Und während Weihnachtsgegner immer wieder mahnen, vor lauter Glitzer und Geschenken doch den eigentlichen Sinn der Adventszeit, nämlich die Freude auf die Geburt des Herren nicht aus den Augen zu verlieren, reiben sich Hersteller und Händler freudig die Hände, zählt doch das Geschäft im Dezember zur einträglichsten Zeit des Jahres. Damit der geschätzte Kunde auch genau weiß, was er seinen Lieben heuer unter den Weihnachtsbaum zu legen hat, wird in den Wochen vor dem Fest von Seiten der Geschäftsleute fleißig geworben. Das war früher nicht viel anders als heute, auch wenn Anzeigen und Prospekte anno dazumal nur in schwarz-weiß und ohne verlockende Bildchen daherkamen. Anhand von historischen Zeitungsanzeigen kann man heute einen neugierigen Blick in die Weihnachtswelt von gestern werfen und zum Beispiel erfahren, was der Münchner Bevölkerung vor 150 Jahren zum Fest des Herrn angepriesen worden ist.

Im Gegensatz zu heute hat das Weihnachtsgeschäft 1861 auch tatsächlich erst in der Adventszeit begonnen. Von Anfang Dezember bis Heiligabend waren die Münchner Kaufleute unter anderem in der »Allgemeinen Zeitung München« auf Kundenfang.

So warb der Spezereien-Händler Klein: »Ich erlaube mir die gehorsamste Anzeige zu machen, dass schon täglich frische Sendungen Nürnberger Lebkuchen eintreffen. Auswärtige Bestellungen werden pünktlich besorgt.« Einen ähnlich geschraubten Ton wählte auch der Parfümeriefabrikant Hirmer: »Ich beehre mich zur ergebenen Anzeige zu bringen, dass meine auf das reichhaltigste und eleganteste ausgestattete Weihnachtsausstellung begonnen hat und lade zu gütigem zahlreichen Besuche höflichst ein.« Der Kunst- und Papierhändler Ravizza versprach seiner feinen Kundschaft, »Briefpapiere mit beliebigen Buchstaben gestempelt in eleganten Cartons und Umschlägen zu den billigsten Preisen und Photographie-Albums in größter Auswahl.« Direkt nüchtern liest sich im Gegensatz dazu die Anzeige eines Lebensmittelgeschäftes: »Angekommen: Nürnberger Lebkuchen, Malaga-Trauben, Frische Südfrüchte, Schönste neue türkische Pflaumen, Angouillotti, holländische Voll-Häringe, Jagd- und Schinkenwürste, Italienische Salami, Fränkischer Schinken. Franz Lechner, Sendlinger Gasse Nr. 74.«

Blättert man alle Weihnachtsanzeigen in der »Allgemeinen Zeitung München« für 1861 durch, fällt auf, dass mehr private als Inserate von Geschäften aufgegeben wurden. Es war demnach üblich, Kinderspielzeug weiterzuverkaufen bzw. gebraucht zu erwerben. Erklären lässt sich das mit dem Stellenwert von Spielzeug in früheren Jahrhunderten. Puppen und Co. waren Luxusartikel, die nur Familien aus dem Adel und dem Bürgertum ihren Sprösslingen in speziellen Geschäften kaufen konnten. Alle anderen gesellschaftlichen Gruppen fertigten ihre Spielsachen selbst an bzw. kauften billige Ware bei Hausierern.

In der Zeit des 19. Jahrhunderts versuchten kleinbürgerliche Familien verstärkt, die Sitten des Großbürgertums nachzuahmen. Wenn der finanzielle Spielraum nicht allzu groß war, bot sich mit dieser Art von »Secondhand«-Geschäften via Zeitungsannonce für diese Klientel ein Weg, für Weihnachten Spielzeug zu günstigeren Preisen zu erwerben. Umkehrt wiederum konnten Familien mit dem Verkaufserlös andere Spielsachen erwerben.

Der kulturgeschichtlich interessierte Leser erfährt durch die Zeitungsannoncen zudem, welche Spielsachen gerade »in« waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Während es für die Mädchen vor allem Gegenstände gab, mit denen sie sich auf ihre Rolle als spätere Hausfrau vorbereiten konnten, hatten die Spielsachen der Buben oft Kampf und Krieg zum Thema: »sehr schöne große Festung mit Soldaten, Küraß, Helm und Cartouche, Tornister und Epauletten«, wollten – im wahrsten Sinn des Wortes – an den Mann gebracht werden. In einer weiteren Anzeige ist eine »Festung mit 62 Kanonen, dazu noch Helm, Küraß und Schild um den billigen Preis von 3 fl« (=Gulden) zu haben. Falls die Festung einen neuen Abnehmer gefunden hat, war der beschenkte Bub auf jeden Fall über die Feiertage gut beschäftigt, wenn er alle Kanonen auch tatsächlich ausprobiert hat.

Wer es als Bub mit dem Hauen und Stechen nicht so hatte, konnte nur darauf hoffen, dass vielleicht ein Kaufladen statt der Kriegsgeräte oder gar ein Altar im Miniformat unter dem Weihnachtsbaum lag. Für heutige Generationen kaum vorstellbar, hat sich das Pfarrer-Spielen bei uns bis zum Zweiten Weltkrieg großer Beliebtheit erfreut und so manche Eltern haben wahrscheinlich gehofft, dass einer ihrer Buben dabei eine solche Leidenschaft entwickelt, dass er später tatsächlich die geistliche Laufbahn einschlug. Einen Pfarrer in der Familie zu haben, hat damals das Ansehen in der Bevölkerung enorm gesteigert, außerdem war es vielen Buben so möglich, eine höhere Schulbildung zu erlangen, die sich sonst nur wohlhabende Eltern leisten konnten.

Bildung, ja gar ein universitäres Studium war für Mädchen der damaligen Zeit noch Lichtjahre entfernt, sie sollten sich vor allem in praktischen Dingen üben. Und so wartete auf die Ehefrauen und Mütter in spe zum Beispiel: ein Putzladen, damit das junge Fräulein lernen konnte, wie man sich ein schmückendes Hütchen günstig selber macht, Puppenküchen, Puppenzimmer zum Einrichten, »gekleidete Puppen«, »schöne Puppen«, »billige Puppen«, sowie Puppen-Schuhe, Hütchen, Krägen und Puppenwagen. An Spielen, mit denen sich Sprösslinge beiderlei Geschlechts erfreuen konnten, gab es Kaufläden »mit allen Spezereien eingerichtet«, Schaukelpferde, Bilderbücher und Guckkästen. Preise sind in den Anzeigen 1861 selten zu lesen; ein Spielwarengeschäft gibt Auskunft, dass Puppen im Wert von 48 Kreuzer bis zwölf Gulden vorrätig seien.

Im Gegensatz zu den Anzeigen für Kinderspielzeug nimmt die Werbung für Produkte, die sich Erwachsene schenken konnten einen geringen Raum ein: Außer Parfüm und Schreibwaren, wie oben beschrieben, wurden nur noch ein Stereoskop mit 40 Bildern sowie »passend zu Weihnachtsgeschenken 3 Königshunde, 6 Wochen alt billigst zu verkaufen« angeboten.

Und dann war da noch folgende Anzeige, die – auch wenn man damals in gewissen Kreisen eine weitaus formalere Sprache pflegte – ein bisschen aus dem Rahmen fällt: Unter der Überschrift »Weihnachtsgeschenk für Damen« ist folgender Text zu lesen: »Unter den zahlreichen Anthologien deutscher Dichter nehmen unbezweifelt die »Blüthen und Perlen deutscher Dichtung« eine der hervorragendsten Stellen ein. Es ist jetzt von diesem ausgezeichneten Werke eine illustrierte Ausgabe erschienen, die mit einem prachtvollen Stahlstiche von Adr. Schleich, nach einer Zeichnung des Prof. Oesterlei und einem prachtvollen Titel in Farbendruck ausgeführt in der Anstalt der H. H. Storch und Kramer in Berlin, zu welchem Herr Prof. Scheuren in Düsseldorf die Zeichnung liefert, versehen ist. Ungeachtet des reichen Einbandes und der 14 reizenden Holzschnitte, die das prächtige Buch zieren, kostet diese Ausgabe nur 2 Thlr., während eine andere in kleinerem Formate, ohne diesen Bilderschmucke, aber in einem höchst geschmackvollen Mosaikbande mit Goldschnitt, nur 1 2/3 Thlr. kostet. Beide Ausgaben der Blüthen und Perlen seien zu Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken für junge und ältere Damen auf das Wärmste empfohlen.« Eigentlich brauchte ein Interessent diesen so hochlöblich angepriesenen Band doch gar nicht kaufen; hätte er oder sie einfach den Werbetext ausgeschnitten und verschenkt, hätte der Empfänger immerhin auch einen halben Roman bekommen. Aber vielleicht spricht hier nur die Ungeduld heutiger Generationen, die für nichts mehr Zeit und Muße haben. Eines wäre aber doch sehr interessant: Ob es auch vor 150 Jahren schon so viele Unentschlossene gab, die an Heiligabend in letzter Minute durch die Geschäfte hetzen, weil sie immer noch nicht das Passende gefunden haben.


Susanne Mittermaier



51/2011