Er wollte das Glück der Mitmenschen fördern
Der Engländer Graf Rumford hat in München viele Spuren hinterlassen






München hat ihn nicht vergessen, seinen großen Wohltäter, den Sozialreformer und Erfinder Graf Rumford, mit bürgerlichem Namen Benjamin Thompson. Im Glockenbachviertel trägt eine Straße seinen Namen, in der Maximilianstraße steht sein Standbild von dem Bildhauer von Kaspar von Zumbusch, im Englischen Garten ist das Rumfordhaus zu sehen, dort erinnert auch ein Gedenkstein an den »großen Menschenfreund«, der unter Kurfürst Karl Theodor auf vielfältige Weise in der bayerischen Landeshauptstadt nach seinen eigenen Worten daran gewirkt hat, »die Glückseligkeit aller Mitmenschen zu fördern«. Das Münchner Stadtmuseum widmet ihm bis Mitte April die Ausstellung »Rumford – Rezepte für ein besseres Bayern.«
Bei der Vielseitigkeit Rumfords hat man Mühe, seine diversen Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen. Der Allround-Mann beschäftigte sich sowohl mit der Reform des bayerischen Heeres wie mit der Verbesserung der Heiztechnik, aber auch mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Ernährungslehre, um nur einige Beispiele zu nennen. Bezeichnend für ihn ist der folgende Ausspruch: »Ich werde glücklich sein, wenn mich der Gedanke, zu einem guten Zweck gelebt zu haben, in mein Grab begleitet.«
Der vom bayerischen Kurfürsten Karl Theodor in den Reichsgrafenstand erhobene Engländer Benjamin Thompson kam im Jahre 1753 in einem Dorf in der Nähe von Boston in der damals britischen Kolonie Massachusetts zur Welt. Nach dem Besuch der Dorfschule ging er bei einem Kaufmann in die Lehre und zeigte schon früh lebhaftes Interesse für Mathematik und Naturwissenschaften. Sein Engagement für die britische Kolonialmacht brachte ihn jedoch in Konflikt mit der zunehmend revolutionär gesinnten Bevölkerungsmehrheit. Er floh nach England, erhielt eine Stelle im Kolonialministerium und brachte es bis zum Obersten und zum Staatssekretär.
Aber für eine weitere politische Karriere sah er in England keine Chance, sodass er sich entschloss, in die Dienste der Habsburger zu treten, die nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg auf einen Konflikt mit dem Osmanischen Reich zusteuerten. Als leidenschaftlicher Soldat schien ihm die militärische Laufbahn am meisten Erfolg versprechend. Aber wie der Zufall so spielt: Auf der Reise nach Wien führte ihn eine Verkettung von Umständen an den Hof des kurpfälzisch-bayerischen Kurfürsten Karl Theodor in München. Die beiden Männer müssen sich auf Anhieb verstanden haben. Benjamin Thomson trat in die Dienste Karl Theodors. München wurde für die nächsten vierzehn Jahre sein Arbeitsfeld; es sollte die produktivste Zeit seines Lebens werden.
Bayern befand sich damals in einer kritischen Situation. Der aufgrund der Wittelsbacher Erbverträge von Mannheim nach München gewechselte Karl Theodor stand an der Spitze eines wenig entwickelten Landes, die Armee war schlecht ausgebildet und schlecht bezahlt, es gab so gut wie keine Industrie, die Armut war entsprechend hoch, etwa ein Drittel der Menschen lebte unter der Armutsgrenze.
Der Kurfürst ernannte Thompson zum Adjutanten und Kammerherrn und beauftragte ihn zunächst mit der Reorganisation der Armee. Thompson ließ in jeder Garnison Gärten anlegen, in denen die Soldaten zu Gärtnern ausgebildet wurden, um ihre Lebensmittelversorgung zu verbessern. So auch in München auf dem Gebiet des heutigen Englischen Gartens, dem damaligen Überschwemmungsgebiet der Isar. Die Auen wurden aufwändig befestigt. Außer den Gemüsegärten erhielt der nach dem Kurfürsten benannte Theodor-Park eine Musterfarm, ein veterinärmedizinisches Institut, mehrere Brücken, eine Baumzucht – und einen bis heute bestehenden Chinesischen Turm.
Um dem Bettelwesen Einhalt zu gebieten, gründete Rumford in der Münchner Vorstadt Au das militärische Arbeitshaus, in dessen klinisch gereinigten Räumen sich neben Webstühlen auch Lederund Knopfwerkstätten befanden. Hier wurden im Auftrag der Bayerischen Regimenter die von Rumford selbst entworfenen Soldatenuniformen hergestellt. Zur Versorgung der mehr als tausend Personen entwarf er für das Arbeitshaus neuartige Energie-Sparherde, die nur halb soviel Brennstoff verbrauchten, wie die offenen Herde. Auch eine funktionale Kücheneinrichtung wurde nach seinen Entwürfen konstruiert.
Mit der Erfindung der Rumford-Suppe kreierte der passionierte Koch ein ebenso kräftiges wie gesundes Eintopfgericht, das europaweit Verbreitung vor allem in der Armenfürsorge fand. Die Rumfordsuppe besteht aus vegetarischen Grundnahrungsmitteln, die frisch oder getrocknet das ganze Jahr zur Verfügung stehen wie Gerstengraupen, Erbsen, Kartoffeln, Wasser, Weinessig und Salz. Das Ganze wird mindestens zwei Stunden zu einem dicken Brei gekocht. Serviert wurde die Suppe mit geröstetem Brotwürfeln, in der Luxusausgabe mit Rind- oder Hühnerfleisch. Auch wenn sie nicht gerade ein Gericht für Feinschmecker war, stillte sie doch den Hunger und versorgte den Körper mit den wichtigsten Nährstoffen.
Für die Stadt München war es bedeutsam, dass Rumford die Stadtmauern in weiten Teilen beseitigen und den Karlsplatz (»Stachus«) anlegen ließ. Er hatte erkannt, dass die Mauern keine Schutzfunktion mehr hatten und die Stadt nur in ihrem Wachstum einengten. Mit der Schleifung der Bastionen wurde der Grundstein gelegt für den heutigen inneren Ring. Kein Wunder, dass Rumford in Anerkennung seiner Leistungen für Stadt und Gesellschaft auf der Karriereleiter steil nach oben stieg. Der Kurfürst ernannte ihn nacheinander zum Generalmajor, Generalleutnant, Oberkommandierenden der Armee, schließlich zum Kriegsminister und Polizeichef. Den Höhepunkt seiner Macht erlangte Rumford 1796, als die mit den Franzosen verbündeten österreichischen Truppen in Bayern einfielen und vor den Toren Münchens standen. Der Kurfürst hatte das Land vorzeitig verlassen und das Oberkommando an Rumford übergeben. Diesem gelang es durch sein diplomatisches Geschick, in Verhandlungen mit den Belagerern (und durch enorme Geldzahlungen) die Stadt vor der Zerstörung zu bewahren – München blieb unversehrt.
Im Jahre 1799 entschloss sich Rumford zur Rückkehr nach London und widmete sich hinfort als Privatgelehrter seinen wissenschaftlichen Neigungen. Mit der von ihm gegründeten »Royal Institution« arbeitete er daran, fortschrittliche Ideen zum Wohl der Menschheit zu publizieren und zu verbreiten. Sein letztes Lebensjahrzehnt verbrachte er in Frankreich, wo er im Jahre 1814 im Alter von 61 Jahren gestorben ist.
Julius Bittmann
47/2014