Jahrgang 2017 Nummer 41

Einst war es eines der größten Feste auf dem Land

Zu Kirchweih wurde tagelang getanzt, gegessen und getrunken – Und man kam sich näher

Im Freistaat wird am dritten Sonntag im Oktober der allgemeine bayerische Kirchtag gefeiert. Dazu gehören auch Kirchweihnudeln, sogenannte Auszogne.
Ein Einheitsfest ist daraus geworden – Allerweltskirta nennen Spötter die Kirchweihfeiern des 21. Jahrhunderts. Früher wurde das Weihefest der Kirche am Namenstag des Patrons begangen. Das hatte zur Folge, dass fast immer irgendwo auf dem Land deftig gefeiert wurde. Der Obrigkeit missfielen die Ausschweifungen der Dorfbewohner rund um Kirchweih. Saufgelage und Raufereien waren an der Tagesordnung. So wurde Kirchweih schon vor 150 Jahren einheitlich für ganz Bayern auf den dritten Sonntag im Oktober festgelegt. Morgen ist es wieder soweit.

Wie ausgelassen die Landbevölkerung damals feierte, beschrieb der bayerische Heimatdichter Karl Stieler (1842 bis 1885): »Auch auf dem Tanzplatz geht’s immer wilder zu, je tiefer es in den Nachmittag hineingeht. Immer wilder stampft der Jägerbursch, immer wilder klingen die Geigen.« Kirchweih war keine Sache für einen Tag. Mindestens drei Tage dauerte das Feiern, mitunter auch vier. Ein altes Sprichwort besagt: »A gscheiter Kirta dauert bis zum Irta (Dienstag) und es kunnt se schicka, a dirnmal bis zum Migga (Mittwoch).«

Das Hauptfest war freilich schon immer am Sonntag. Nach dem Gottesdienst gibt es auch heute noch vielerorts einen Festschmaus, gerne schiebt die Bäuerin dann eine stattliche Gans in den Ofen. Zum Kaffee tischt sie Schmalznudeln auf, dann geht es zum Tanz, während die Kinder stundenlang auf der Kirtahutschn sitzen, ein in der Tenne an langen Ketten aufgehängtes Brett.

Pfarrer, die auf Tradition achten, lassen schon am Samstagnachmittag eine rot-weiße Fahne am Kirchturm aufziehen, den »Zachäus«, wie ältere Dorfbewohner noch wissen. Die Fahne erinnert an den im Neuen Testament beschriebenen Zöllner Zachäus, der eigens auf einen Baum stieg, um Jesus zu sehen. Lange Zeit war auch der Kirchweihmontag arbeits- und schulfrei, die Geschäfte blieben zu. Heute haben die Behörden am Land nur nachmittags geschlossen. Viele Geschäfte und Supermärkte bleiben ganztags geöffnet.

Beim Kirchweihtanz kamen sich einst junge Frauen und Männer näher. Heimatdichter Stieler beschrieb im Jahr 1875 seine Beobachtungen: »Gustei, jetzt tanzen wir zwoa, ruft der schmuckste unter den Burschen und faßt des Försters Töchterlein ums Mieder. O, wie ihre Augen glänzen und wie die rosigen Lippen lachen, wenn sie sich wirbelnd im Kreis dreht.«

Altes Kirchweih-Brauchtum wird an diesem Sonntag und Montag unter anderem im Freilichtmuseum des Bezirks Oberbayern an der Glentleiten in Großweil (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) lebendig. Es ist eine Kirtahutschn aufgebaut, außerdem gibt es Schmalznudeln, Gänsebraten, Kegeln, Musik und Tanz.

An beiden Kirchweih-Tagen kann man sich beim Kegeln und auf der Kirtahutschn vergnügen, über dem offenen Feuer gebackene Auszogne probieren oder Gänsebraten genießen. Für Kinder gibt es darüberhinaus offene Werkstätten, Handwerker zeigen oft längst vergessene Techniken und Musik erklingt aus so mancher Stube.

 

41/2017