Ein Modell für die Kirche von morgen
Papst Benedikt XVI. und die Integrierte Gemeinde in München
Bereits in seiner Zeit als Theologieprofessor war Papst Benedikt gerne gesehener Gast bei der Integrierten Katholischen Gemeinde, die im Jahre 1965 von einer Gruppe junger Katholiken in München gegründet worden war. Als Münchner Erzbischof genehmigte er die Satzung der Gruppe und erkannte sie als selbstständige »apostolische Gemeinschaft« an, die der kirchenamtlichen Aufsicht des Ortsbischofs unterstellt ist. Mit der Zeit wurden die Kontakte zur Gruppe, vor allem zu dem Gründer, dem Münchner Rechtsanwalt Herbert Wallbrecher und seiner Ehefrau, immer freundschaftlicher, was dazu führte, dass der inzwischen zum Kardinal ernannte Joseph Ratzinger mit seinem Bruder und mit seiner Schwester mehrfach bei der Integrierten Gemeinde zu Besuch weilte, mit ihr Gottesdienst feierte und die regelmäßigen Treffen seines Schülerkreises im Ferienhaus der Integrierten Gemeinde in der Nähe von Bad Tölz abhielt.
Für die Integrierte Gemeinde war die Unterstützung durch Ratzinger von großer Bedeutung, denn in den ersten Jahren ihres Bestehens hatte sie es schwer, kirchliche Anerkennung zu finden. Viele Münchner Geistliche beobachteten sie mit Misstrauen, weil sie befürchteten, aktive Gemeindemitgleider an die Gruppe zu verlieren. »Damals kursierten in den kirchlichen Kreisen eine Vielzahl von Verleumdungen über uns«, erinnert sich das langjährige Mitglied Rudolf Kutschera. Auch der damalige Münchner Erzbischof, Kardinal Döpfner, stand der Integrierten Gemeinde reserviert gegenüber und wollte sie nur als freie Gruppierung innerhalb der Kirche gelten lassen. Das wurde anders, als Joseph Ratzinger zum Nachfolger Döpfner ernannt wurde und aus seinen Sympathien für die Gruppe kein Hehl machte.
Die Mitglieder der Integrierten Gemeinde verstehen sich als eine große Familie aus Ehepaaren und Ledigen, Priestern und Laien, Alten und Jungen, Gesunden und Kranken. Auch mehrere Theologen gehören zu den Mitgliedern. Sie wohnen gemeinsam in Hausgemeinschaften in sogen. Integrationshäusern, die über die ganze Stadt verteilt sind und gehen ihren Berufen nach. Das Gemeindezentrum befindet sich in der Herzog-Heinrich-Straße in München. Die Mitglieder haben ihr eigenes Einkommen und behalten ihr privates Vermögen, stellen jedoch die nötigen Mittel für die Aufgaben der Gemeinschaft zur Verfügung. Höhepunkte ihres Zusammenlebens sind die festlich gestalteten gemeinsamen Gottesdienste. Neben Vollmitgliedern gibt es Anwärter auf Mitgliedschaft, Gäste sowie auch Personen mit individuellen Formen der Zugehörigkeit. Vollmitglied kann nur werden, wer imstande ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Heute betreibt die Integrierte Gemeinde fünf Privatschulen, eine kleine Privatklinik, mehrere ärztliche Gemeinschaftspraxen, einen Verlag sowie verschiedene Handwerks- und Industriebetriebe. Vor einigen Jahren sind auch Niederlassungen in Italien, Israel und in Afrika entstanden, die von deutschen Mitgliedern geleitet werden. Im Jahre 1995 erwarb die Integrierte Gemeinde die Villa Cavaletti bei Rom und richtete dort ein Tagungshaus für theologische Treffen auf internationaler Ebene ein.
Schon im Jahr 1970 hatte der Theologieprofessor Joseph Ratzinger für eine »Kirche der Kleinen« plädiert, die sich aus freiwilligen Mitgliedern zusammensetzt, keine gesellschaftlichen Privilegien fordert und auf die Initiative der einzelnen Mitglieder vertraut. »Sie wird neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen, daneben wird der hauptamtliche Priester unentbehrlich sein«, heißt es in Ratzingers Buch »Glaube und Zukunft«. Offensichtlich kommt die Integrierte Katholische Gemeinde in den Augen von Papst Benedikt XVI. diesem Zukunfsmodell von Kirche nahe, zumal sie Wert darauf legt, in enger Verbindung mit dem zuständigen Bischof zu leben und zu arbeiten. Auch nach seiner Wahl zum Papst hält Joseph Ratzinger die Verbindung zu der Integrierten Gemeinde aufrecht. Er empfing im Februar 2006 ihr Leitungsteam zu einer Privataudienz im Vatikan, im August lud er eine Delegation der Gemeinde in seine Sommerresidenz Castel Gandolfo ein. Beobachter schließen daraus, dass die Integrierte Gemeinde auch in der Zukunft auf das Wohlwollen und die Unterstützung von Joseph Ratzinger rechnen kann.
Julius Bittmann
Literatur: Traudl Wallbrecher u. a. (Hg): »30 Jahre Wegbegleitung, Joseph Ratzinger und die Katholische Integrierte Gemeinde«, Verlag Urfeld, Bad Tölz, 192 Seiten, 32 Euro.
45/2007
Für die Integrierte Gemeinde war die Unterstützung durch Ratzinger von großer Bedeutung, denn in den ersten Jahren ihres Bestehens hatte sie es schwer, kirchliche Anerkennung zu finden. Viele Münchner Geistliche beobachteten sie mit Misstrauen, weil sie befürchteten, aktive Gemeindemitgleider an die Gruppe zu verlieren. »Damals kursierten in den kirchlichen Kreisen eine Vielzahl von Verleumdungen über uns«, erinnert sich das langjährige Mitglied Rudolf Kutschera. Auch der damalige Münchner Erzbischof, Kardinal Döpfner, stand der Integrierten Gemeinde reserviert gegenüber und wollte sie nur als freie Gruppierung innerhalb der Kirche gelten lassen. Das wurde anders, als Joseph Ratzinger zum Nachfolger Döpfner ernannt wurde und aus seinen Sympathien für die Gruppe kein Hehl machte.
Die Mitglieder der Integrierten Gemeinde verstehen sich als eine große Familie aus Ehepaaren und Ledigen, Priestern und Laien, Alten und Jungen, Gesunden und Kranken. Auch mehrere Theologen gehören zu den Mitgliedern. Sie wohnen gemeinsam in Hausgemeinschaften in sogen. Integrationshäusern, die über die ganze Stadt verteilt sind und gehen ihren Berufen nach. Das Gemeindezentrum befindet sich in der Herzog-Heinrich-Straße in München. Die Mitglieder haben ihr eigenes Einkommen und behalten ihr privates Vermögen, stellen jedoch die nötigen Mittel für die Aufgaben der Gemeinschaft zur Verfügung. Höhepunkte ihres Zusammenlebens sind die festlich gestalteten gemeinsamen Gottesdienste. Neben Vollmitgliedern gibt es Anwärter auf Mitgliedschaft, Gäste sowie auch Personen mit individuellen Formen der Zugehörigkeit. Vollmitglied kann nur werden, wer imstande ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Heute betreibt die Integrierte Gemeinde fünf Privatschulen, eine kleine Privatklinik, mehrere ärztliche Gemeinschaftspraxen, einen Verlag sowie verschiedene Handwerks- und Industriebetriebe. Vor einigen Jahren sind auch Niederlassungen in Italien, Israel und in Afrika entstanden, die von deutschen Mitgliedern geleitet werden. Im Jahre 1995 erwarb die Integrierte Gemeinde die Villa Cavaletti bei Rom und richtete dort ein Tagungshaus für theologische Treffen auf internationaler Ebene ein.
Schon im Jahr 1970 hatte der Theologieprofessor Joseph Ratzinger für eine »Kirche der Kleinen« plädiert, die sich aus freiwilligen Mitgliedern zusammensetzt, keine gesellschaftlichen Privilegien fordert und auf die Initiative der einzelnen Mitglieder vertraut. »Sie wird neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen, daneben wird der hauptamtliche Priester unentbehrlich sein«, heißt es in Ratzingers Buch »Glaube und Zukunft«. Offensichtlich kommt die Integrierte Katholische Gemeinde in den Augen von Papst Benedikt XVI. diesem Zukunfsmodell von Kirche nahe, zumal sie Wert darauf legt, in enger Verbindung mit dem zuständigen Bischof zu leben und zu arbeiten. Auch nach seiner Wahl zum Papst hält Joseph Ratzinger die Verbindung zu der Integrierten Gemeinde aufrecht. Er empfing im Februar 2006 ihr Leitungsteam zu einer Privataudienz im Vatikan, im August lud er eine Delegation der Gemeinde in seine Sommerresidenz Castel Gandolfo ein. Beobachter schließen daraus, dass die Integrierte Gemeinde auch in der Zukunft auf das Wohlwollen und die Unterstützung von Joseph Ratzinger rechnen kann.
Julius Bittmann
Literatur: Traudl Wallbrecher u. a. (Hg): »30 Jahre Wegbegleitung, Joseph Ratzinger und die Katholische Integrierte Gemeinde«, Verlag Urfeld, Bad Tölz, 192 Seiten, 32 Euro.
45/2007