Jahrgang 2011 Nummer 11

Ein Künstlerleben mit tragischem Ende

Johann Nepomuk Strixner war ein Meister der Lithographie

Johann van Eyck (um 1450): Der hl. Lukas malt die Jungfrau Maria. Sammlung Boisserée.

Johann van Eyck (um 1450): Der hl. Lukas malt die Jungfrau Maria. Sammlung Boisserée.
Für uns ist es heute selbstverständlich, dass wir die großen Werke der Malerei in hervorragender Druckqualität als Reproduktionen bewundern können – seien es mittelalterliche Altarblätter, die Gemälde der italienischen Renaissance oder die Bilder der französischen Impressionisten. Über jede Kunstepoche und über jeden Künstler gibt es reich illustrierte Kunstbände, die einem imaginären Museum gleichen. Bis vor zweihundert Jahren konnte man davon nur träumen. Deshalb war es ein gewaltiger Fortschritt, als der Münchner Alois Senefelder ein Verfahren entwickelte, Bilder in beliebiger Menge zu reproduzieren, indem man sie abzeichnete und diese Zeichnung dann durch Druck vervielfältigte. Senefelder nannte dieses Verfahren Lithographie, zu deutsch Steindruck.

Bei der Lithographie wird zunächst die Zeichnung mit Fettkreide oder Fetttusche auf eine Schieferplatte aufgebracht, anschließend ätzt man den Stein mit einer mineralsauren Lösung, worauf beim Einfärben mit fetter Druckfarbe nur die Zeichnung Farbe annimmt und die feuchten, bildfreien Stellen farbfrei bleiben. Durch Umdruck wird der Steindruck vom Originalstein auf einen größeren Maschinenstein übertragen. Die einzelnen Schritte erfordern vom Drucker hohe Genauigkeit und größte handwerkliche Präzision.

Ein Künstler, der maßgeblich an der Vervollkommnung des Lithographierens beteiligt war, ist der im Jahre 1782 in Altötting geborene Johann Nepomuk Strixner. Noch im Kindesalter kam er nach Wasserburg, wo sein Vater die Stelle eines kurfürstlichen Gerichtsarztes bekleidete. Der begabte Bub zeigte früh Interesse am Zeichnen und begann eine Lehre bei einem Wasserburger Bildhauer. Mit 15 Jahren ging er nach München und besuchte eine Sonntagsschule für künstlerische Berufe. Die erste feste Anstellung erhielt Strixner als Zeichner an der kurfürstlichen Akademie, wo auch Senefelder arbeitete. Strixner begann, sich ebenfalls mit dem Lithographieren zu befassen und machte darin so erstaunliche Fortschritte, dass er von Senefelder den Auftrag erhielt, die Federlithographien für die Wiedergabe des Gebetbuches von Kaiser Maximilian mit den Randzeichnungen von Albrecht Dürer zu erstellen. Das Werk erregte großes Aufsehen und wurde als die »Inkunabel der Lithographie« bezeichnet.

Im Jahre 1824 ereilte Strixner ein Ruf der Brüder Boisserée nach Stuttgart. Das kunstsinnige Brüderpaar unterbreitete ihm das Angebot, ihre Sammlung mit den Werken der wichtigsten ober- und niederdeutschen Künstler durch Lithographien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Strixner nahm den Auftrag an und baute mit einem weiteren Zeichner und zwei Druckern in Stuttgart eine Werkstatt auf, die er später zu einer lithographischen Anstalt erweiterte. Seine mittlerweile erworbenen technischen Kenntnisse befähigten ihn zur Perfektionierung der Kombination von Ton- und Lichtplatten, die er bereits in München erprobt hatte. Bei einer Studienreise nach Paris gewann er Einblicke in die dortige Praxis des Steindrucks. Kein Wunder, dass die Edition der Boisserée'schen Sammlung gleich nach dem Erscheinen der ersten Lieferungen allenthalben Anerkennung fand. Selbst Goethe war voll des Lobes: »Man hätte mir soviele Dukaten schenken können, als nötig sind, die Steinplatten zuzudecken, und das Geld hätte mir nicht soviel Vergnügen gemacht, als diese Werke«, schrieb er. Als König Ludwig I. von Bayern die Boisserée'sche Sammlung für ansehnliche 120 000 Taler ankaufte, kehrte auch Strixner nach München zurück, um hier die das Projekt abzuschließen.

Anschließend beteiligte er sich an dem bei Cotta erscheinenden Sammelwerk unter dem Titel »Die Pinakothek in München« und steuerte zu dem Märchen »Gockel, Hinkel und Gackeleia« von Clemens Brentano eigenhändige Illustrationen bei. Zu dieser Zeit hatte sich die Lithographie schon allgemein durchgesetzt, der Pionier Strixner war nur noch einer von vielen und hatte in fortgeschrittenem Alter zunehmend Schwierigkeiten, sein Auskommen zu finden. Er verlegte sich auf ein von ihm selbst entwickeltes Verfahren zur Kolorierung von Lithographien, das den Drucken das Aussehen von Ölbildern verlieh, erzielte aber damit nur kärgliche Einnahmen.

So kam es, dass Strixner, der zwei Mal verheiratet war und vier Kinder hatte, im Alter auf die Unterstützung von Freunden angewiesen war. Er starb im Januar 1855 in München im Alter von 73 Jahren.


Den fast ganz in Vergessenheit geratenen Altöttinger Künstler Johann Nepomuk Strixner ruft eine Ausstellung im Foyer des Rathauses in Erinnerung. Der 1782 als Sohn eines Gerichtsmediziners in Altötting geborene Zeichner und Kupferstecher gilt als »Vater der Lithographie«, durch den die von Aloys Senefelder entwickelte Technik des Steindrucks große Popularität erlangte.

Die von Stadtarchivar Dr. Alfred Zeller zusammengestellte Ausstellung vereint Dokumente zu Strixners Leben mit Beispielen aus seinen Werken. Glanzstücke sind einige Blätter aus seinem Zeichenwerk »Albrecht Dürers Christlich-Mythologische Handzeichnungen«, die erstmals die detailgetreue Reproduktion von Kunstwerken in großer Auflage möglich machte. Sogar Goethe äußerte sich voll des Lobes über das Werk. Auch aus Strixners zweitem Großprojekt, der Lithographie der Gemälde aus den Königlichen Kunstsammlungen in München und Schleißheim, sind Beispiele zu bewundern, ebenso aus dem Sammelband mit Kunstwerken der Gebrüder Boisserée in Stuttgart nach Bildern alter Meister. Die Beispiele belegen Strixners Talent, das Wesen eines Gemäldes bis in die feinsten Details graphisch umzusetzen und ausgezeichnete Vorlagen für die lithographische Technik zu liefern.

Trotz dieser Erfolge hatte Strixner in seinen letzten Lebensjahren ums Überleben zu kämpfen. In dem Maße, wie sich die Lithographie auf breiter Front durchsetzte, war er nur noch einer von zahlreichen Künstlern dieser Gattung. Strixner verlegte sich auf ein von ihm entwickeltes Verfahren zur Kolorierung der Lithographien, konnte aber daraus keinen finanziellen Nutzen erzielen. »Als seine Arbeitskraft erlahmte, war er auf mildtätige Gaben seiner Mitmenschen angewiesen und starb in bitterer Not mit 73 Jahren in München«, schreibt ein Biograph. Seine Geburtsstadt Altötting hat neuerdings einen Weg nach ihm benannt.

Die Ausstellung ist bis 22. August zu den üblichen Sprechzeiten im Rathaus zu sehen.

Julius Bitmann



11/2011