Ein denkwürdiges Klapperstorch-Jubiläum
Seit 10 Jahren residiert Familie Adebar in Fridolfing

In memoriam Georg Dieplinger: Dieser hochtalentierte heimatverbundene Naturfotograf hat seit vielen Jahrzehnten zwischen Chiemsee und Salzach mit seinen DIA-Vorträgen ein riesiges Publikum begeistert. Er lebte in Fridolfing-Pietling in engerer Nachbarschaft mit den Störchen, hat neun Jahre lang das Geschehen bei der Adebar-Familie beobachtet und manch Interessantes fotografisch dokumentiert. Mit der Kamera – es handelt sich hier um seine letzte Aufnahme – belauschte er die beiden Altstörche bei der Froschpirsch. Der Todestag des im Vorjahr verstorbenen populären Schorsch jährte sich am 10. Juli.
Am 14. April 1994 landete ein Weißstorch auf dem für ihn reservierten Kunsthorst im Industriegelände der Firma Rosenberger, Hochfrequenztechnik, in Fridolfing. Das mit reichlich Nistmaterial ausgestattete und daher bezugsfertige riesige Nest stimulierte ihn zur Beschlagnahme. Eine Störchin war bald gefunden und es kam zur ersten Brut!
Seitdem sind zehn Jahre verflossen und es findet gegenwärtig ohne Unterbrechung auch die zehnte Brut statt. Die Jungen schauen manchmal bereits über den Nestrand. Dieses kleine Jubiläum ist es wert, dass ein kurzer Rückblick auf dieses für das südöstliche Bayern einmalige und daher höchst bemerkenswerte Brutvorkommen lohnend erscheint. Bei uns waren Storchbruten schon immer eine große Rarität: 1926 nistete der Weißstorch auf dem Römerturm der Pfarrkirche von Surheim und zog vier Junge groß. In Palling glückte 1961 eine Brut, 1964 verhungerten dort die Jungen, weil ein Altvogel abgeschossen worden war. Auf dem Kamin des Bahnhofsgebäudes von Bad Endorf kamen 1968 und 1969 die Küken durch Ölofenabgase ums Leben. Sonstige Storchbruten konnten im vorigen Jahrhundert im Südosten Bayerns nicht registriert werden, denn Meister Adebar meidet die Voralpenlandschaft wegen ihres rauheren Klimas.
Als 1988 ein offenbar unerfahrenes Storchenpärchen auf der Plattform des 36 Meter hohen stillgelegten Gaskamins einen stümperhaften Brutversuch wagte, aber das aussichtslose Vorhaben dann doch bleiben ließ, war dies für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) ein begründeter Anreiz, eine künstliche Horstunterlage auf diesem Schornstein zu montieren. Die Firmenleitung zeigte sich sehr zuvorkommend und war sofort mit diesem Plan einverstanden. Da der Kamin weder innen noch aussen ersteigbar ist, konnte der schwierige Transport des sehr schweren Kunsthorstes, gefertigt und gespendet vom Kunstschmied und 1. Bürgermeister Sepp Daxenberger von Waging, nur mittels Hubschrauber ermöglicht werden. Die Gebirgsheeresfliegerstaffel 8 in Penzing war dazu bereit und bewältigte unter der Leitung von Oberstleutnant Wolfgang Bäder ohne Komplikationen das spektakuläre Unternehmen. Auf der Plattform des Kamins besorgte Heeresbergführer Hauptfeldwebel Peter Derr vom Gebirgsjägerbataillon 252 in Strub bei Berchtesgaden die sturmsichere Befestigung des stählernen Storchenwohnheims. Diese Horstanlage wurde vom Storch nur akzeptiert, weil sie komplett mit Weiden- und Haselnußzweigen sowie sonstigem pflanzlichen Material ausgestaltet war. Nur in Gegenden, wo Störche schon immer heimisch waren und sind, genügt eine geringere oder keine Auskleidung von künstlichen Nisthilfen, weil etwaige brutwillige neue Ansiedler durch die bereits vorhandenen und besetzten Horste sowie durch die Konkurrenz ansässiger Brutpaare zum Selbstbauen angeregt werden.
Storchbruten sind risikobehaftet
Die Bruten in Fridolfing verliefen nicht immer reibungslos, Verluste sind ja immer in der Natur einkalkuliert. Die Jungensterblichkeit schwankte, bisher schafften jeweils 1-3 Küken, insgesamt mehr als ein Dutzend, das Ausfliegen. Sie haben jedenfalls zur Aufrechterhaltung des äußerst geringen oberbayerischen Storchenbestands beigetragen. 1997 kamen durch Dauerregen, Kälte und Stürme im Juni alle Jungen um. Dieses Jahr war überhaupt das schlechteste für Weißstörche seit Menschengedenken, es gab in ganz Deutschland katastrophalste Verluste. Auch im Jahre 2001 starben nicht nur in Fridolfing alle Jungvögel infolge der bei uns häufig Mitte Juni auftretenden Schafkälte. In beiden Fällen hielten die Altvögel ihr kinderlos gewordenes Nest bis zur termingerechten spätsommerlichen Abreise ständig besetzt und verteidigten es entschlossen gegen herumstreunende noch nicht brutreife Artgenossen, die nach Halbstarkenmanier Unruhe stiften wollten. Mitte Juni 1999 kletterte einer von vier Jungvögeln – offenbar das immer hungrige Nesthäkchen – aus dem Horst und fiel schließlich vor mehreren Zeugen in die Tiefe. Es war etwa 18 Tage alt, wog nur 980 Gramm und hatte wohl zu wenig Futter bekommen. Vielleicht war es auch von seinen drei kräftigeren Geschwistern aus dem Horst gedrängt worden. Als vor drei Jahren der einzige Jungstorch in der zweiten Julihälfte flügge geworden war und mit seinen Eltern auf einer Wiese Futter suchte, stellte sich heraus, dass er am rechten Lauf durch eine fest eingewachsene Nylonschnur stark behindert war. Es gelang den beiden Fridolfinger Vogelfreunden Franz Reiter und Jakob Knittler, den etwas unbeholfenen jedoch flugfähigen Verletzten mit einem Netz zu überlisten und zur Tierklinik Teisendorf zu bringen, wo der Patient bestens und kostenlos versorgt wurde. Er konnte am gleichen Tag an Ort und Stelle wieder freigelassen werden und war schon bald wieder voll funktionsfähig. Achtlos weggeworfene Perlon- und Nylonschnüre, die mit dem Nistmaterial ins Nest eingebracht werden, sind schon vielen Vogelarten zum tödlichen Verhängnis geworden.
Ost- und Weststörche
Unsere Störche zählen zu den Oststörchen, die im Regierungsbezirk Schwaben werden Weststörche genannt. Erstere ziehen ostwärts über den Bosporus, Kleinasien, Sinai, Suezkanal nach Ostafrika und oft weiter bis zum Kap der Guten Hoffnung, etwa zehn- bis elftausend Kilometer. Letztere segeln über Spanien, Gibraltar nach Westafrika und überwintern jenseits der Sahara. Das Mittelmeer wird so gut wie nie in voller Breite überquert. Diese relativ scharfe Zugscheide verläuft entlang des Lech bis zur Regnitz, dann hinauf bis Hannover und von dort in weitem Bogen bis Holland. Weißstörche sind dank der seit genau 100 Jahren durchgeführten Beringung von Altvögeln und Nestlingen bestens erforscht. Während manche andere mit Fußringen gekennzeichneten Vogelarten wie kleine Singvögel oft nur eine Wiederfundrate von 1 bis 3 % ergeben, liegt diese beim Weißstorch bei über 50 %.
Die alljährliche Wiederkehr des Brutpaares nach Fridolfing ist durchaus nicht selbstverständlich, denn überall drohen Störchen große Gefahren. Sie verglühen an Hochspannungsleitungen, die in exotischen Ländern bedeutend zahlreicher als bei uns über weite Strecken gespannt sind, sie werden von den Eingeborenen als große Delikatesse betrachtet, intensiv bejagt und gegessen, geraten in fürchterliche Gewitter, fressen vergiftete Heuschrecken.
Qualitätsverbesserung für den Fridolfinger Lebensraum
Das Gelege besteht aus mindestens vier Eiern. Es ist unserem Freund Adebar bisher noch nicht gelungen, alle erbrüteten Küken aufzuziehen. Neben der Witterung spielt dabei auch die Struktur des Umfelds hinsichtlich des Nahrungsspektrums eine wesentliche Rolle. Der Storch, ein Allesfresser, ernährt sich von jeglichem Kleingetier bis zur Größe eines Maulwurfs oder einer Wühlmaus. Er kann seine Beute nicht zerkleinern, sondern muss sie als Ganzes verschlingen. Die Nachwuchsrate im Fridolfinger Horst könnte verbessert werden, wenn mit Hilfe zuständiger Behörden innerhalb eines Umkreises von zwei Kilometern ein paar künstliche Kleinbiotope in Form von seichten Frosch- und Fischtümpeln gebaggert würden, was bereits an vielen Örtlichkeiten Deutschlands mit Erfolg realisiert wurde.
Auf dem Dach des Anwesens Simon Knittler in Fridolfing-Brunn ist in 700 Meter Entfernung vom besetzten Nest ein weiterer Kunsthorst montiert, er soll vor allem als Reserve, gegebenenfalls einem etwaigen zweiten Paar als Familiensitz dienen. Es hat sich bereits ein einzelner neugieriger Storch dafür interessiert und als Zeichen seiner Zufriedenheit ausgiebig auf dem Nest geklappert, doch es kam zu keiner Neuansiedlung. Diese könnte bei einer sinnvollen Biotopverbesserung unter der Regie des LBV höchstwahrscheinlich gelingen. Aber es wird noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. »Storchenschutz geht uns alle an«.
JS
28/2003
Seitdem sind zehn Jahre verflossen und es findet gegenwärtig ohne Unterbrechung auch die zehnte Brut statt. Die Jungen schauen manchmal bereits über den Nestrand. Dieses kleine Jubiläum ist es wert, dass ein kurzer Rückblick auf dieses für das südöstliche Bayern einmalige und daher höchst bemerkenswerte Brutvorkommen lohnend erscheint. Bei uns waren Storchbruten schon immer eine große Rarität: 1926 nistete der Weißstorch auf dem Römerturm der Pfarrkirche von Surheim und zog vier Junge groß. In Palling glückte 1961 eine Brut, 1964 verhungerten dort die Jungen, weil ein Altvogel abgeschossen worden war. Auf dem Kamin des Bahnhofsgebäudes von Bad Endorf kamen 1968 und 1969 die Küken durch Ölofenabgase ums Leben. Sonstige Storchbruten konnten im vorigen Jahrhundert im Südosten Bayerns nicht registriert werden, denn Meister Adebar meidet die Voralpenlandschaft wegen ihres rauheren Klimas.
Als 1988 ein offenbar unerfahrenes Storchenpärchen auf der Plattform des 36 Meter hohen stillgelegten Gaskamins einen stümperhaften Brutversuch wagte, aber das aussichtslose Vorhaben dann doch bleiben ließ, war dies für den Landesbund für Vogelschutz (LBV) ein begründeter Anreiz, eine künstliche Horstunterlage auf diesem Schornstein zu montieren. Die Firmenleitung zeigte sich sehr zuvorkommend und war sofort mit diesem Plan einverstanden. Da der Kamin weder innen noch aussen ersteigbar ist, konnte der schwierige Transport des sehr schweren Kunsthorstes, gefertigt und gespendet vom Kunstschmied und 1. Bürgermeister Sepp Daxenberger von Waging, nur mittels Hubschrauber ermöglicht werden. Die Gebirgsheeresfliegerstaffel 8 in Penzing war dazu bereit und bewältigte unter der Leitung von Oberstleutnant Wolfgang Bäder ohne Komplikationen das spektakuläre Unternehmen. Auf der Plattform des Kamins besorgte Heeresbergführer Hauptfeldwebel Peter Derr vom Gebirgsjägerbataillon 252 in Strub bei Berchtesgaden die sturmsichere Befestigung des stählernen Storchenwohnheims. Diese Horstanlage wurde vom Storch nur akzeptiert, weil sie komplett mit Weiden- und Haselnußzweigen sowie sonstigem pflanzlichen Material ausgestaltet war. Nur in Gegenden, wo Störche schon immer heimisch waren und sind, genügt eine geringere oder keine Auskleidung von künstlichen Nisthilfen, weil etwaige brutwillige neue Ansiedler durch die bereits vorhandenen und besetzten Horste sowie durch die Konkurrenz ansässiger Brutpaare zum Selbstbauen angeregt werden.
Storchbruten sind risikobehaftet
Die Bruten in Fridolfing verliefen nicht immer reibungslos, Verluste sind ja immer in der Natur einkalkuliert. Die Jungensterblichkeit schwankte, bisher schafften jeweils 1-3 Küken, insgesamt mehr als ein Dutzend, das Ausfliegen. Sie haben jedenfalls zur Aufrechterhaltung des äußerst geringen oberbayerischen Storchenbestands beigetragen. 1997 kamen durch Dauerregen, Kälte und Stürme im Juni alle Jungen um. Dieses Jahr war überhaupt das schlechteste für Weißstörche seit Menschengedenken, es gab in ganz Deutschland katastrophalste Verluste. Auch im Jahre 2001 starben nicht nur in Fridolfing alle Jungvögel infolge der bei uns häufig Mitte Juni auftretenden Schafkälte. In beiden Fällen hielten die Altvögel ihr kinderlos gewordenes Nest bis zur termingerechten spätsommerlichen Abreise ständig besetzt und verteidigten es entschlossen gegen herumstreunende noch nicht brutreife Artgenossen, die nach Halbstarkenmanier Unruhe stiften wollten. Mitte Juni 1999 kletterte einer von vier Jungvögeln – offenbar das immer hungrige Nesthäkchen – aus dem Horst und fiel schließlich vor mehreren Zeugen in die Tiefe. Es war etwa 18 Tage alt, wog nur 980 Gramm und hatte wohl zu wenig Futter bekommen. Vielleicht war es auch von seinen drei kräftigeren Geschwistern aus dem Horst gedrängt worden. Als vor drei Jahren der einzige Jungstorch in der zweiten Julihälfte flügge geworden war und mit seinen Eltern auf einer Wiese Futter suchte, stellte sich heraus, dass er am rechten Lauf durch eine fest eingewachsene Nylonschnur stark behindert war. Es gelang den beiden Fridolfinger Vogelfreunden Franz Reiter und Jakob Knittler, den etwas unbeholfenen jedoch flugfähigen Verletzten mit einem Netz zu überlisten und zur Tierklinik Teisendorf zu bringen, wo der Patient bestens und kostenlos versorgt wurde. Er konnte am gleichen Tag an Ort und Stelle wieder freigelassen werden und war schon bald wieder voll funktionsfähig. Achtlos weggeworfene Perlon- und Nylonschnüre, die mit dem Nistmaterial ins Nest eingebracht werden, sind schon vielen Vogelarten zum tödlichen Verhängnis geworden.
Ost- und Weststörche
Unsere Störche zählen zu den Oststörchen, die im Regierungsbezirk Schwaben werden Weststörche genannt. Erstere ziehen ostwärts über den Bosporus, Kleinasien, Sinai, Suezkanal nach Ostafrika und oft weiter bis zum Kap der Guten Hoffnung, etwa zehn- bis elftausend Kilometer. Letztere segeln über Spanien, Gibraltar nach Westafrika und überwintern jenseits der Sahara. Das Mittelmeer wird so gut wie nie in voller Breite überquert. Diese relativ scharfe Zugscheide verläuft entlang des Lech bis zur Regnitz, dann hinauf bis Hannover und von dort in weitem Bogen bis Holland. Weißstörche sind dank der seit genau 100 Jahren durchgeführten Beringung von Altvögeln und Nestlingen bestens erforscht. Während manche andere mit Fußringen gekennzeichneten Vogelarten wie kleine Singvögel oft nur eine Wiederfundrate von 1 bis 3 % ergeben, liegt diese beim Weißstorch bei über 50 %.
Die alljährliche Wiederkehr des Brutpaares nach Fridolfing ist durchaus nicht selbstverständlich, denn überall drohen Störchen große Gefahren. Sie verglühen an Hochspannungsleitungen, die in exotischen Ländern bedeutend zahlreicher als bei uns über weite Strecken gespannt sind, sie werden von den Eingeborenen als große Delikatesse betrachtet, intensiv bejagt und gegessen, geraten in fürchterliche Gewitter, fressen vergiftete Heuschrecken.
Qualitätsverbesserung für den Fridolfinger Lebensraum
Das Gelege besteht aus mindestens vier Eiern. Es ist unserem Freund Adebar bisher noch nicht gelungen, alle erbrüteten Küken aufzuziehen. Neben der Witterung spielt dabei auch die Struktur des Umfelds hinsichtlich des Nahrungsspektrums eine wesentliche Rolle. Der Storch, ein Allesfresser, ernährt sich von jeglichem Kleingetier bis zur Größe eines Maulwurfs oder einer Wühlmaus. Er kann seine Beute nicht zerkleinern, sondern muss sie als Ganzes verschlingen. Die Nachwuchsrate im Fridolfinger Horst könnte verbessert werden, wenn mit Hilfe zuständiger Behörden innerhalb eines Umkreises von zwei Kilometern ein paar künstliche Kleinbiotope in Form von seichten Frosch- und Fischtümpeln gebaggert würden, was bereits an vielen Örtlichkeiten Deutschlands mit Erfolg realisiert wurde.
Auf dem Dach des Anwesens Simon Knittler in Fridolfing-Brunn ist in 700 Meter Entfernung vom besetzten Nest ein weiterer Kunsthorst montiert, er soll vor allem als Reserve, gegebenenfalls einem etwaigen zweiten Paar als Familiensitz dienen. Es hat sich bereits ein einzelner neugieriger Storch dafür interessiert und als Zeichen seiner Zufriedenheit ausgiebig auf dem Nest geklappert, doch es kam zu keiner Neuansiedlung. Diese könnte bei einer sinnvollen Biotopverbesserung unter der Regie des LBV höchstwahrscheinlich gelingen. Aber es wird noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. »Storchenschutz geht uns alle an«.
JS
28/2003