Jahrgang 2011 Nummer 21

Ein Ausflug nach Altötting

Wallfahrtsort und katholisches Zentrum Bayerns

Pilger auf dem Kapellplatz im Wallfahrtsort Altötting

Pilger auf dem Kapellplatz im Wallfahrtsort Altötting
In der Mitte des Kapellplatzes steht der 1671 vom Salzburger Hofbaumeister Santino Solari erbaute Marienbrunnen

In der Mitte des Kapellplatzes steht der 1671 vom Salzburger Hofbaumeister Santino Solari erbaute Marienbrunnen
Das einzige Großpanorama in Deutschland zeigt die Stadt Jerusalem zur Zeit Christi und den Berg Golgota mit der Kreuzigungsszene

Das einzige Großpanorama in Deutschland zeigt die Stadt Jerusalem zur Zeit Christi und den Berg Golgota mit der Kreuzigungsszene
Altötting, das religiöse Zentrum Bayerns beeindruckt mit seiner Geschichte und sei-nem religiösen Umfeld auch den nicht religiösen Besucher. Mit dem Auto erreicht man Altötting von Traunstein aus über die B 304 und von Trostberg weiter über die B 299. Unterwegs ist noch ein Abstecher nach Marktl am Inn, nur 15 km von Altötting entfernt, zu empfehlen, wo im Geburtshaus von Papst Benedikt XVI. ein Museum eingerichtet ist. Liebhaber von Souvenirs kommen hier voll auf ihre Rechnung.

In der Ebene zwischen Inn und Salzach sind die markanten, spitzen Kirchtürme der Wallfahrtskirche von Altötting schon von Weitem zu sehen, die man als Wegweiser zum Kapellplatz, dem Zentrum der Stadt, betrachten kann.

In Altötting begann die Christianisierung Bayerns

Am Kapellplatz und in dessen unmittelbarer Umgebung kann man am ehesten die religiöse Bedeutung der weit über Bayern hinausreichenden Wallfahrt zur Schwarzen Madonna nachempfinden. Ein Merian-Stich zeigt den fast quadratischen Kapellplatz, von einem Holzzaun umgeben. mit einer Linde in der Mitte. Dies stützt die Ansicht, dass der Platz altgermanischer Gerichts- und Versammlungsplatz war. Nach der durch Funde belegten prähistorischen Zeit kam Altötting im frühen Mittelalter durch die Pfalz der Agilolfinger Herzöge, der damaligen Landesherrn, ebenso wie durch die gerade hier einsetzende Christianisierung Bayerns zur überörtlichen Bedeutung im Reich. Um 748 ist die Pfalz, der Herrschaftssitz der Agilofinger, in Altötting nachweisbar. Eine Legende erzählt, dass der hl. Bischof Ruppert zur dieser Zeit auf seiner Missionsreise von Salzburg auch nach Altötting gekommen sei und hier einen heidnischen Tempel in eine christliche Kirche umgewandelt habe. So wurde Bayern zum Christentum bekehrt. In dieses Bild fügt sich auch die Gründung der ersten Wallfahrtskirche von Altötting ein, die im 8. Jahrhundert zu vermuten ist.

Ein Wunder begründet die Wallfahrt

Am Beginn der Wallfahrt, die bald überörtliche Bedeutung erlangte, steht, wie an vielen Wallfahrtsorten, ein Wunder. 1489 wurde ein dreijähriger Junge leblos aus dem nahem Fluss geborgen. Die Mutter legte das Kind vor dem Altar der Marienkirche nieder und betete. Bald danach erwachte es wieder zu neuem Leben. Nachdem sich dieses Wunder und andere wundersame Gebetserhöhrungen herumgesprochen hatten, blühte die Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau auf. In wenigen Jahren wurde Altötting zum bedeutendsten Wallfahrtsort in Bayern, der durch die Votivgaben der Pilger zu ansehnlichem Reichtum kam. Eine rationale Erklärung für die bis heute fortbestehende Ausstrahlungskraft der Gnadenstätte muss hinter der gläubigen Hingabe der Menschen zurückbleiben, die hier für ihre Anliegen beten und ihrem Dank durch Votivgaben sichtbaren Ausdruck verleihen. Derzeit suchen jährlich etwa eine halbe Million Pilger Altötting auf.

Die Bedeutung von Altötting wird noch dadurch unterstrichen, dass die Wittelsbacher Fürsten München als Residenz und Altötting als Stätte ihrer religiösen Verbundenheit betrachteten. Mit ihrer Blutunterschrift haben sie sich der Altöttinger Muttergottes »verlobt« und ihre Herzen in Urnen aus Silber in der Gnadenkapelle bestatten lassen. Damit verband sich wohl die Vorstellung, dass sie mit ihren Herzen dem Himmel näher sein würden. So sind 28 Herzurnen der Wittelsbacher hier bestattet. Neben dem Altar kniet der »Silberprinz«, das Ebenbild des Kurprinzen Max III., von 1745 bis 1777 Kurfürst von Bayern. Er hat durch die Förderung von Kunst und Wirtschaft als »Vielgeliebter« die Herzen der Bayern gewonnen. Mit ihm starb die bayerische Linie der Wittelsbacher aus. Über dem »Silberprinzen« ist noch die »goldene Rose« angebracht, die Papst Benedikt XVI. 2008 dem Wallfahrtsort verliehen hat, um damit die überragende religiöse Bedeutung der Altöttinger Wallfahrt hervorzuheben.

In den 30er Jahren kam noch die Silberfigur des kienenden Bruder Konrad von Parzham dazu. Die Statue des im bäuerlichen Umfeld viel verehrten Heiligen in der Mitte der Gnadenkapelle, deutet darauf hin, dass die Muttergottes ihre schützende Hand nicht nur über die Fürsten, sondern auch über die Beter aus dem Volk hält. Bruder Konrad wurde 1818 in Parzham im Rottal geboren. Mit 31 Jahren trat er als Kapuziner in das Kloster St. Anna in Altötting ein, wo ihm als Pförtner die Betreuung der Wallfahrer oblag. Bald sprachen sich seine besondere Hingabe und seine Hilfsbereitschaft in vielen Nöten herum. 1934 wurde Bruder Konrad heiliggesprochen. In der Klosterkirche, die nun seinen Namen trägt, wurde er begraben.

Die Schwarze Madonna als wundertätiges Gnadenbild

Mittelpunkt der Gnadenkapelle ist die Schwarze Madonna, die in einem vergoldeten Altarschrein stehend mit einem kostbaren Gewand und einer Krone auf dem Haupt sich dem Jesuskind auf ihrem Arm zuwendet. Die um 1300 in Burgund geschnitzte Madonna gehört der romanischen Kunstepoche an. Schwarze Madonnen waren um diese Zeit in Frankreich weit verbreitet. Ihre Herkunft ist wahrscheinlich auf die Kreuzzüge zurückzuführen. Schon damals übten die Statuen ihrer Fremdartigkeit wegen auf die Betrachter eine besondere Faszination aus.

Die Verehrung der Schwarzen Madonna von Altötting hat einen historischen Hintergrund. Der bayerische Kurfürst Maximilian (1573 – 1651) hat Bayern unter den Schutz der Himmelskönigin gestellt und in Altötting eine besondere Gnadenstätte gesehen. Maria galt als Schutzheilige, deren Statue fast jeden Bauernhof zierte. Der Kurfürst hat seine Münchner Residenz mit der Patrona Bavariae schmücken lassen und am Marienplatz die Muttergottes auf einer Säule aufrichten lassen. Seit dieser Zeit hat die Marienverehrung in Bayern eine besondere Bedeutung.

Wie sehr die Wallfahrt von den Gläubigen geschätzt und als Dankopfer für erhörte Gebete betrachtet wird, zeigen die über 2 000 Votivbilder, die im Umgang der Gna-denkapelle an den Wänden und an der Decke angebracht sind. Kerzen und Holzkreuze werden von den Pilgern oft kniend um die Kapelle getragen. Die Votivbilder erzählen Geschichten von wundersamen Gebetserhörungen und stellen Maria in den Mittelpunkt. Viele davon sind Zeugnisse echter Kunst, in denen sich die Hingabe der von Dankbarkeit erfüllten Gläubigen wiederspiegelt. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind die Votivbilder der Gnadenkapelle einer näheren Betrachtung wert.

Wer schon einmal die von Fahnenträgern begleiteten Wallfahrtszüge am Kapellplatz erlebt hat, wird eine Ahnung von der im Land tief verwurzelten Volksfrömmigkeit erleben. Da ist es nicht verwunderlich, wenn ein so nüchternen Denker wie Goethe nach einem Besuch in Altötting schrieb: »Seh` ich die Pilger, kann ich mich der Tränen nicht enthalten.« Eine Besonderheit sind die schon seit dem Mittelalter üblichen Fußwallfahrten. Von Landshut aus ist eine Pilgergruppe auf dem über 60 km langen Weg eine Nacht lang unterwegs.

Um den Kapellplatz ist ein Andenkengeschäft an das anderen gereiht. Natürlich werden hier auch kunstvolle Andenken verkauft, die dem Bedarf der Wallfahrer entsprechen. Ein Gebetbuch oder einen Rosenkranz kauft man am heiligen Ort. Ein Kreuz, in Altötting gekauft und hier geweiht, trägt den Glauben an die besondere Segenskraft in die heimische Stube. Daneben wird in den Geschäften eine Vielzahl von Andenken angeboten, die mit Kunst nichts zu tun haben; die Madonna als Schlüsselanhänger oder in einer Glaskugel mit rieselndem Schnee. Devotionalien gehören notwendig zu einem Wallfahrtsort. Der Pilger, der am Gnadenort Erhörung seiner Gebete gefunden hat oder diese erwartet, möchte einen Gegenstand mit nach Hause nehmen, der ihn an dieses Ereignis erinnert. Ob Kunst oder Kitsch, ist eben nur eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Die Stiftskirche St. Philipp und Jakob

In der Mitte des Kapellplatzes steht der 1671 vom Salzburger Hofbaumeister Santino Solari erbaute Marienbrunnen. Der Brunnen erinnert daran, dass die Madonna im Dreißigjährigen Krieg im Dom zu Salzburg Schutz gefunden hat. Zum Dank für ihre glückliche Rückkehr wurde der Brunnen eingeweiht. Über dem weit ausladenden Brunnenbecken erhebt sich die Immaculata, eine Salzburger Meisterarbeit von unbekannter Hand. Der Gnadenkapelle gegenüber grenzt die Stiftskirche St. Philipp und Jakob an den Kapellplatz. Die gotische Hallenkirche wurde unter teilweiser Verwendung des romanischen Vorgängerbaus Ende des 15. Jahrhunderts errichtet, um den zunehmenden Pilgerströmen für die Messfeier einen schützenden Raum zu bieten. Am Eingang befinden sich die Doppelflügel-Portaltüren, denen ihrer Hochrelief-Figuren wegen ein hoher künstlerischer Wert zugeschrieben wird. Am Nordportal sind die Gestalten der Muttergottes, der hl. Ursula und der Kirchenheiligen Philipp und Jakobus besonders plastisch herausgearbeitet. Die Gotik hat die vom Relief zur Ganzplastik übergehende Darstellung von Frankreich übernommen.

Im gotischen Kirchenraum fällt der Blick auf den »Tod von Eding«, gleich rechts neben der Eingangstür. Auf einer hohen Standuhr steht der Knochenmann, der zum Takt der Uhr seine Sense schwingt. Die 1675 von einem unbekannten Meister geschaffene Statue soll an die von der Pest dahingerafften Toten erinnern. Allgemein ist es ein Anliegen der Kirche, dass die Gläubigen zu jeder Zeit der ungewissen Stunde ihres Todes gedenken. - Der um 1800 eingefügte Hochaltar ist klassizistisch und passt sich gut dem gotischen Grundkonzept an. Das Altarblatt aus dieser Zeit von Jakob Dorner zeigt Maria als Helferin der Schutzbefohlenen mit den beiden Kirchenheiligen.

An die Stiftskirche angebaut ist der Kreuzgang aus dem 15. Jahrhundert mit einem feingliedrigen, gotischen Gewölbe. An der Südostecke schließt sich die Tilly-Kapelle an, in der der berühmte Feldherr aus dem Dreißigjährigen Krieg in einem Bodengrab seine letzte Ruhe gefunden hat. Johann Graf von Tilly genoss im Hause Wittelsbach eine hohe Verehrung, weil ihm entscheidende Siege der katholischen Liga zu verdanken waren. Herzog Maximilian hat ihn mit einem Standbild in der Feldherrnhalle in München geehrt. In Altötting erinnert ein Reiterstandbild an den großen Feldherrn.

Das Goldene Rössl, Prunkstück der Schatzkammer

Im Haus Kapellplatz Nr. 21 ist in der ehemaligen Sakristei der Stiftskirche die Schatzkammer zu besichtigen. Zu bestaunen ist hier eine Sammlung von Kleinodien und Weihegeschenken, die Wallfahrer der Schwarzen Madonna dargebracht haben. Besonders hervorzuheben ist das Goldene Rössl, ein außergewöhnlich prachtvolles Werk der französischen Goldschmiedekunst Ende des 14. Jahrhunderts. Das goldene Rössl hat die französische Königin Isabeau de Bavière ihrem Gemahl, dem französischen König Karl VI., 1404 als Neujahrsgabe geschenkt. Das kleine 62 cm hohe Altärchen zeigt Maria im Rosenhaag und darunter den König, der sein Pferd am Zaumzeug hält. Das Kunstwerk erinnert an die Biographie der französischen Königin, die als Tochter des bayerischen Herzogs von Ingolstadt auf den französischen Königsthron kam und dort nach der Geisteskrankheit ihres Gatten vielfältigen Intrigen ausgesetzt war.

Am Kapellplatz ist die Jesuitenkirche St. Magdalena von 1697 das barocke Pendant zur gotischen Stiftskirche. Liebhaber barocker Pracht italienischer Provenienz sollten sich einen Besuch dieser Kirche nicht entgehen lassen. Kraftvolle italienische Stuckdekoration als vollplastische Frucht- und Blütengehänge zieren den Raum. Das Barock liebte im Gegensatz zu schlichten Renaissance diese überschwänglichen Formen. Die Basilika St. Anna wurde 1912 geweiht und ein Jahr später zur päpstlichen Basilika erhoben. Sie ist der größte Kirchenbau von Altötting und bietet vor allem bei Wallfahrten Raum für viele Pilger.

Wenn man in Altötting ist, sollte man auch unbedingt das Ältöttinger Panorama besichtigen. In einem Rundbau ist auf einer Leinwandfläche von 1 200 m² die Stadt Jerusalem zurzeit Christi und der Berg Golgota mit der Kreuzigungsszene zu sehen. Das Panoramabild hat Gebhard Fugel 1903 für den eigens hierfür geplanten Rundbau gemalt. Es ist das einzige Großpanorama in Deutschland und kommt dem Bestreben vieler Pilger entgegen, ihre spirituelle Gläubigkeit auch einem sichtbaren Ort zuzuordnen.

Dieter Dörfler

Benutzte Literatur: Wikpedia – Dehio »Kunst-Handbuch Oberbayern«
DuMont E. Eckert »Kunstreiseführer Oberbayern«



21/2011