Dreiste Antwort an seine Majestät: »Wer ko, der ko«
Mit diesem Spruch wies Franz Xaver Krenkl König Ludwig I. in die Schranken




Gäbe es eine Hitliste der meistverwendeten bayerischen Redewendungen, hätte der Ausspruch »Wer ko, der ko« sicher gute Chancen auf einen der vorderen Plätze. Urheber dieser prägnanten Redewendung soll ein niederbayerischer Lohnkutscher sein, der mit diesen Worten niemand geringeren als König Ludwig I. in die Schranken gewiesen hat. Und das nicht nur verbal, denn bevor Krenkl seine Majestät so unziemlich adressierte, hatte er die Chuzpe besessen, des Königs Karosse mit Karacho zu überholen.
Zugetragen hat sich diese Szene, so erzählt der Volksmund, im Englischen Garten. Seine Majestät, genauer genommen dessen Kutscher fuhr den Monarchen gerade in sehr gemächlichem Tempo durch den Englischen Garten, als von hinten ein Sechsspänner heranpreschte, auf dem Kutschbock Franz Xaver Krenkl. Hätte der nun gesetzeskonform und moralisch aufrichtig gehandelt, wäre er mit seinem 6-PS-Boliden brav und gemächlich hinter Ludwigs Gefährt her gezockelt. Denn, so war es in einer Art »königlich-bayerischen Straßenverkehrsordnung« geregelt: König und Königin und was alles sonst noch zur Familie gehörte, durfte auf ihren Ausfahrten unter keinen Umständen überholt werden.
Krenkl aber hielt die Fahrt mit angezogener Handbremse einfach nicht aus. Mit einem kräftigen Schnalzer gab er den Pferden die Zügel, lenkte sein Gefährt in die Wiese und überholte die störende Staatskarosse im Galopp. Als ihm der König empört nachrief, ob er nicht wisse, wen er da vor sich habe, drehte sich Krenkl, als er sein Fuhrwerk vor Ludwigs Kutsche postiert hatte, um, zuckte die Schultern und antwortete mit eben jenem: »Wer ko, der ko.« Soweit die Geschichte zum Spruch. Ob sie sich tatsächlich so zugetragen wissen nur die beteiligten Herren; zuzutrauen wäre dem schneidigen Kutscher diese »Majestätsbeleidigung « aber sehr wohl, denn die mitunter äußerst derbe Ausdrucksweise war eines der Markenzeichen Franz Xaver Krenkls. Allerdings mit der Einschränkung, dass derb keineswegs auch gleich dumm bedeutet, denn der Sohn eines Landshuter Uhrmachers ist 1793 immerhin unter den Schülern zu finden, die wegen besonders guter Noten offizielle Belobigungen erhielten.
Dass er sein Leben lang eng mit schnellen Vierbeinern verbunden sein wird, hat Krenkl offenbar schon von zu Hause mitbekommen, denn sein 1851 geborener Vater diente in der Kavallerie der Landshuter Bürgermiliz, in der er zum Schluss den Rang eines Oberlieutenants innehatte.
Franz Xaver junior beginnt nach der Schulzeit erst eine Bäckerlehre und geht danach auf die Walz; nach einer Stippvisite beim Militär kommt er 1806 nach München, wo er in der damaligen Neuhausergasse beim Bäckermeister Grüner Logis nimmt. Ob er auch in dessen Backstube tätig ist, geht aus seiner Lebensbeschreibung nicht hervor. Wohl aber, dass er sich in dessen Tochter verliebt. Doch der Vater scheint einer Verbindung der beiden jungen Leute anfangs nichts abgewinnen zu können und so braucht Krenkl eine ganze Zeit, um Grüner die Erlaubnis einer Verehelichung abzuringen. Endlich verheiratet, versucht sich der frischgebackene Ehemann als Wirt des Gasthofs Neugarten, als Traumberuf stellt sich diese Tätigkeit aber nicht heraus. Nach dem Tod der Schwiegereltern erbt Krenkl mit seiner Frau die elterliche Bäckerei, die sie aber bald verkaufen. Denn Franz Xaver Krenkl hat nun endlich einen Geschäftszweig entdeckt, der seinen Neigungen weit mehr entspricht: Er eröffnet einen Betrieb als Lohnkutscher – heute würde man sagen ein Taxiunternehmen – und beginnt nebenbei noch mit der Züchtung von Pferden. Dass er damit in die Geschichte eingeht, ist ausgerechnet mit jener Person verbunden, der er im Englischen Garten so frech das Nachsehen gegeben hat: Als Kronprinz Ludwig am 17. Oktober 1810 Prinzessin Therese von Sachsen- Hildburghausen ehelicht, findet zur Ehrung des jungen Paares ein Pferderennen auf der nach der jungen Frau benannten Theresienwiese statt. Am Start ist dabei auch ein Vierbeiner des Franz Xaver Krenkl, der es auf den dritten Platz schafft. Die Münchner sind so begeistert von dieser Veranstaltung, dass man bei Hof fürs folgende Jahr eine Neuauflage beschließt. Auch die wird ein Riesenerfolg und bald gesellen sich zu den Pferden auch Jahrmarktsbuden und Bierzelte: Das Oktoberfest ist geboren. Und mitten im Geschehen Franz Xaver Krenkl, der schon im zweiten Anlauf mit seinem Pferd den Sieg davonträgt. In der königlichen Loge empfängt der stolze Rennmeister aus der Hand des königlichen Ministers Maximilian de Montgelas anschließend die Trophäe für den ersten Platz. Krenkl beschränkt sich übrigens stets auf die Rolle des Züchters und Trainers, geritten werden seine Pferde von sogenannten Rennknaben, heute würde man sie als Jockeys bezeichnen. Gut 20 Jahre lang sind Krenkls Vierbeiner nun in den Siegerlisten zu finden, was ihn zu einer der frühen Legenden des mittlerweile 200 Jahre stattfindenden Wiesenspektakels macht. Seinem Geschäft als Lohnkutscher waren diese Erfolge natürlich sehr zuträglich; wer ein Mietgespann brauchte, ging zum berühmten Krenkl in die Bayerstraße. Bis an die Adria sollen sich die begüterten Münchner von Krenkls Pferden kutschiert haben lassen.
Auch Krenkl senior in Landshut scheint der Pferdevirus gepackt zu haben: Normalerweise treten ja die Söhne in die Fußstapfen des Vaters; in diesem Fall scheint es aber umgekehrt gewesen zu sein, denn der Uhrmacher eröffnet nach dem geschäftlichen Erfolg Franz Xavers in München in Landshut ebenfalls einen Lohnkutschbetrieb. Und beim Oktoberfest schickt er auch einen Starter ins Rennen: In den Siegerlisten von 1825 ist als schnellstes Pferd das von Krenkl junior verzeichnet, gefolgt vom Pferd seines Vaters. Für Vater Krenkl sollte es das letzte größere Ereignis sein, nur drei Monate später stirbt der Landshuter im Alter von 75 Jahren.
Sein Sohn wird ebenfalls noch bis ins hohe Alter im Pferdegeschäft tätig sein. Doch das Leben scheint für Franz Xaver nicht nur aus Arbeit bestanden zu haben. Seinem Nachruf zufolge war er häufig Gast diverser Lokalitäten und auch ins Theater zog es den Bonvivant: »In seinen letzten Lebenstagen sah man fast täglich die bekannte Persönlichkeit mit dem etwas weingeröteten Gesichte – er war stets ein jovialer Gesellschafter bei einem guten Glase Wein – lahmen Fußes in die Volkstheater hinken. Und gerade an einem solchen Ort ereilte ihn der Tod,« ist seiner als Nachruf verfassten Lebensgeschichte zu entnehmen. Am 26. April 1860 bricht Franz Xaver Krenkl, der sich wegen eines Pferdemarktes in Stuttgart aufhält, in einer Theaterloge tot zusammen. Bei seiner Beerdigung in München sollen Tausende von Menschen ihm das letzte Geleit gegeben haben. Als »ein Mann mit rauer Außenseite, aber desto gesünderem Kern«, wird der Verstorbene bezeichnet. Seine Aussprüche seien zwar derb und naturwüchsig gewesen, hätten aber niemanden beleidigt, »weil ihnen das Gift der Bosheit fehlte«. Eine Fähigkeit, über die nicht jeder verfügt. »Wer ko, der ko«, eben.
Susanne Mittermaier
40/2013