Jahrgang 2011 Nummer 15

Die Woche vor Ostern nennt man Karwoche

Alte Bräuche vom Palmsonntag bis zum Karsamstag

Der stolze Palmbuschenträger.

Der stolze Palmbuschenträger.
Der Palmsonntag ist oder besser gesagt war, der Tag an dem die Kinder nicht aufgeweckt werden mussten, denn der Brauch sagt, dass der Letzte, der aufsteht, der »Palmesel« fürs ganze Jahr ist. Der Palmglaube, das heißt der Glaube an die schützende Kraft des geweihten Palmbuschens, hatte zu früheren Zeiten mehrfache Gründe. Zum einen wurde der Herrgottswinkel in der Stube mit den schönen »Palmkatzerln« geschmückt, zum anderen trug der Bauer etliche in den »Troadboden« (Getreidespeicher) und steckte sie zwischen die Balken unters Dach. Sie sollten vor Blitzschlag und starkem Hagel bei den Sommergewittern schützen.

Die Zeit zwischen dem Palmsonntag und Ostern nennen manche ältere Menschen »die stille Woche« – heute eher bekannt ist jedoch die Bezeichnung Karwoche. In diesen Tagen wurde nur das Allernötigste gearbeitet, so bestimmten neben dem spärlichen Fastenessen das Gebet und die Andacht diese besondere Woche vor dem Osterfest.

Palmesel, Palmkatzl und Eierfärben »Lass mich deine Leiden singen, dir dies Dankesopfer bringen, oh du unschuld's Gotteslamm, unsre Sühn am Kreuzesstamm«.

Wenn sonntags der Hauptlehrer auf der Orgel in unserer Kirche dieses Lied angestimmt hat, sang ich immer besonders laut mit. Am Palmsonntag, dem letzten Sonntag vor dem Osterfest und zugleich dem Beginn der Karwoche, hüpfte ich jedes Jahr in der Früh schon so zeitig aus meinem Bett, dass vor mir bestimmt nicht einmal meine Tanten zum »Stallgehen« aufgestanden waren. Ich wollte ja nicht der »Palmesel« werden, dann hätten mich daheim alle ausgelacht und in Hart, unserem Pfarrdörfchen, war nach dem feierlichen Amt in der Kirche, draußen auf dem Gottesacker, die erste Frage bei Jung und Alt: »Wer is' denn bei eng da Palmesel g'word'n?«

Die Buben hatten es am Palmsonntag besonders »gnädig« (wichtig), denn jeder musste seinen Palmbuschen gut heimbringen. Meistens durfte er auch zum Nachbarhof einen bringen. Wenn dann gegen Mittag Hubert, unser Nachbarsbub, mit den großen, geweihten Buschen zu unserem Hof heraufschnaufte, hatte meine Großmutter schon mehrere gefärbte Eier für ihn in einem Körbchen hergerichtet. Der Großvater hatte bereits besonders schöne Zweiglein im Herrgottswinkel in der Stube gesteckt und als Hubert mit einem »Vergelt's Gott« wieder die »Leit'n« zum Obermeisinger hinunterlief, hab ich noch schnell »Pfüadi« gerufen und bin meinem Großvater auf den Dachboden gefolgt. Andächtig schaute ich ihm zu, wie er die Palmzweige vorsichtig auf der oberen »Altane« zwischen die Balken steckte, und zu mir sagte: »Jetzt schlagt da Blitz ned ein bei uns, weil die gweichten (geweihten) Palmkatzl an Hagel und an Blitz ned herlassen zu uns«.

In der Karwoche hat mein Großvater »angschafft«, dass außer dem Stallgehen nur die nötigsten Arbeiten verrichtet werden, umso mehr aber wurde gefastet und gebetet. Als kleines Dirndl war mir das Fasten ganz recht, denn eine gute Suppe mit einem Knödel dazu war mir sowieso lieber als das Fleisch. Das viele Kirchengehen machte mir nichts aus. Ich bin am »Speißpfinsta«, dem Gründonnerstag, mit der Großmutter schon zeitig von unserem Einödhof in unser Pfarrdorf Hart in die Kirche aufgebrochen, welche an diesem Antlasstag recht lange gedauert hat. Als wir beide gegen Mittag heimkamen, war Tante Marie schon mit dem Kochen fertig. Am Nachmittag waren die Großmutter und Sofie die ganze Zeit mit Eierfärben beschäftigt. Ich durfte natürlich mitmachen und die Großmutter meinte, dass meine Ostereier immer die schönste Farbe bekämen. Ich erinnerte sie daran, dass wir außer der großen Familie und der »Godn« meine Freundin Muschi nicht vergessen dürfen.

Auf die »Antlasseier«, die unsere Hennen in der Nacht zum Gründonnerstag gelegt hatten, passte die Großmutter genau auf, denn von diesen geht eine besondere Kraft aus – und sie faulen auch nicht.

's Beichten

In der Karwoche wurde es allerhöchste Zeit, zur Osterbeichte zugehen. Früher achteten Bauer und Bäuerin streng darauf, dass von den Dienstboten alle, besonders auch die Knechte, zur Osterbeichte gegangen sind. Für die Schulkinder war das Beichten vor Ostern ganz selbstverständlich, denn für sie war das ganze Jahr über am Samstag Beichttag. Die Erwachsenen, vor allem die Mannerleut, schoben das unumgängliche Beichten bis zum Ende der Karwoche hinaus. Gerne hätte sich so mancher gedrückt, doch da gab es kein Ausweichen, denn jeder, ob Jung oder Alt, musste daheim seinen Beichtzettel, den er von seinem »Beichtvater« bekam, beim Familienoberhaupt herzeigen. Auf diesem war auf der Vorderseite meist ein Heiligenbild und auf der Rückseite das jeweilige Jahr der Osterbeichte, so konnte auch keiner betreffs des Beichtjahres schwindeln.

Früher ging der Pfarrer nach den Ostertagen von Haus zu Haus, sammelte die Beichtzettel ein und bekam von jedem ein Osterei geschenkt.

Karfreitag und Karsamstag

Am Karfreitag musste es bei uns auf dem großen Hof »stad« zugehen, das hatte mein Großvater so bestimmt. An diesem Tag ging ich wieder mit der Großmutter den langen Weg zur Kirche, auch Marie und Sofie waren meistens dabei. Die Kirchgänger waren dunkel oder schwarz angezogen. Der Gottesdienst hatte wiederum recht lange gedauert, nur der Ablauf war anders. Er war, wie mir die Großmutter erklärte, »verdraht« (verdreht – die Reihenfolge der Liturgie war anders als bei üblichen Gottesdiensten).

Ab dem Gründonnerstag läutete keine Glocke mehr im Kirchturm, früher hieß es, sie fliegen nach Rom. Sie wurden durch hölzerne Instrumente – Ratschen oder Knarren – ersetzt.

Um zwölf Uhr mittags wurde und wird noch heute zum ersten Mal »geratscht«, doch im Gegensatz zu früher nimmt heutzutage kaum mehr jemand Notiz davon. Für mich waren damals jedes Jahr die »Karfreitagsratschn« etwas ganz Besonderes, denn die Ministranten zogen mit den schweren, eichenen Kästen, die bei jeder Umdrehung laut schepperten, durch das Dorf, sodass sie weithin zu hören waren. Am strengsten Fastentag im ganzen Jahr fiel das Mittagessen recht »mager« aus. Danach ging es wieder zur Kirche, denn in diesen Nachmittagsstunden ist der gekreuzigte Heiland gestorben. Ich durfte mit der Großmutter ganz nach vorne bis zum Altar gehen, um dort das Heilige Grab mit dem Heiland genau anzuschauen. Es war wunderschön. Die großen, bunten Kugeln, die ganz seltsam leuchteten, verliehen dem Heiligen Grab eine fast wundersame Ausstrahlung.

Am Karsamstag konnte ich es kaum erwarten, bis endlich die zwei Nachbarsbuben die Anhöhe nach Pittersdorf heraufkamen. In einer großen Laterne haben sie das Feuer, das der Mesner in der Kirche entfacht und der Herr Pfarrer anschließend geweiht hatte, auch in die »einschichtigsten« (abgelegensten) Einöden gebracht. Mit lautem Rufen: »Des gweicht Feier is do«, sind sie durch die offene Haustür hinein in die Kuchl. Dort hatte meine Großmutter das große Tür'l vom Herd aufgemacht und Hubert warf schnell ein paar glühende Klumpen in die heiße Glut. Meine Großmutter hatte schon etliche gefärbte Eier hergerichtet und sie den Buben in den Korb gelegt. Mit einem lautem »Vergelt's Gott für d' Oa'« waren sie auch schon wieder draußen und mit einem »Pfüadi, Lisbeth « die Leit'n hinuntergehupft zum Obermeisiger. Ich habe ihnen so lange nachgeschaut, bis ich sie nicht mehr gesehen habe.

Bei der Auferstehungsfeier am späten Abend war unsere Pfarrkirche jedes Jahr »gerammelt« voll, daher drängte die Großmutter meine Tanten zum »Schicken« (beeilen), damit wir auch alle noch Platz bekämen. So haben für mich schon von ganz klein auf diese kirchlichen Rhythmen und Bräuche etwas Besonderes und Aufregendes und vor allem Wunderschönes an sich gehabt.

Aus dem Buch: »Eine Kindheit auf dem Land«, von Elisabeth Mader



15/2011