Die Unsterblichen sind doch gestorben
Eine Ausstellung in München über die griechische Götterwelt





Zeus, Aphrodite und Poseidon, Hermes und Apollon – die griechischen Götter sind bis heute präsent. Sie begegnen uns im Theater, im Film, in der Literatur, als Motive in der Werbung, als Namensgeber für Planeten und Produkte und als Suchwörter in Kreuzworträtseln. Früher gehörte ihre Kenntnis ganz selbstverständlich zur Allgemeinbildung. Heute hapert´s da bei vielen von uns erheblich.
Die Ausstellung »Die Unsterblichen – Götter Griechenlands« in den Staatlichen Antikensammlungen in München bietet bis 7. Juli 2013 einen Nachhilfekurs für alle, die ihre Kenntnisse über den Götterhimmel der Griechen nachbessern wollen.
Vor dem Museumseingang steht eine überlebensgroße Athena-Statue. Ganz in Gold, wie es sich für die Zeus-Tochter gehört. Athena war die Schutzgöttin von Athen und die Patronin der Weisheit, von ihr lernten die Frauen spinnen und weben, die Männer das Reiten und das Wagenlenken. Außerdem schenkte sie den Menschen den Olivenbaum, dessen Öl unverzichtbar war für Ernährung, Kosmetik und Beleuchtung.
Das Weltbild des antiken Griechenland ruhte auf einer bunten Götterwelt. Die Götter existierten nicht von Anfang an, sondern wurden geboren. Um nicht zu sterben, mussten sie täglich den Göttertrank und die Götterspeise, Nektar und Ambrosia, konsumieren. Sie brachten noch andere Götter, Halbgötter und Helden zur Welt. Die meisten Nachkommen zeugte Göttervater Zeus, der sich seinen Auserwählten wechselweise auch als Kuckuck, Schwan, Stier oder Goldregen näherte.
Zeus hatte sich seine Position erst erkämpfen müssen, denn die Welt befand sich anfangs in der Gewalt der Titanen. Sie wurden von Zeus und seinen Brüdern Poseidon und Hades besiegt. Fortan regierte Zeus unangefochten im Himmel, Poseidon im Meer und Hades in der Unterwelt. Die Erde gehörte den drei Brüdern gemeinsam. Weitere prominente Gottheiten waren der Feuergott Hephaistos, die Jagdgöttin Artemis, der Liebesgott Eros, der Götterbote Hermes, der Kriegsgott Ares und Aphrodite, die Göttin der Schönheit.
Ausgangspunkt der Ausstellung sind die Sammlungsbestände der Münchner Antikensammlungen, ergänzt durch Leihgaben aus anderen Museen. Der Besucher lernt die Götter an ihren typischen Attributen kennen und erfährt Einzelheiten über ihre Zuständigkeit. Breiten Raum nimmt das Handeln der Götter ein, ihre Versammlungen, Streitigkeiten und Liebschaften. Man kann auch einen Blick in ein griechisches Heiligtum werfen, das mit vielen Weihegaben ausgestattet ist, prächtigen Statuen und schlichten Tonfiguren. Solche Geschenke sollten die Gottheit gnädig stimmen oder waren der Dank für erwiesene Wohltaten.
Wenig erstrebenswert erschien den Griechen das Leben der Toten. Sie vegetierten in einem düsteren Schattenreich, das Dasein dort war nur erträglich, wenn man zuvor durch einen Trunk aus dem Fluss Lethe die Erinnerung an das schöne Leben auf der Erde gelöscht hatte.
Die Griechen haben ihre Götter nach ihrem eigenen Bilde geschaffen, sie konnten Angst und Schmerz empfinden, waren nicht allwissend und wie der Mensch der Macht des Schicksals unterworfen. Zu den Menschen zeigten sie keine besondere Liebe, ließen keine Untat ungesühnt und bestraften sogar die Nachkommen eines Übeltäters oder verhängten eine Kollektivstrafe über die ganze Gemeinschaft, der er angehörte. Der Dichter Homer betont sogar, dass ein unglücklicher Mensch den Göttern verhasst sei. Erfolgreichen Menschen gegenüber waren sie von Neid erfüllt und besorgt, sie könnten die eigene Machtstellung gefährden.
Vor schwierigen Entscheidungen versuchten die Hellenen, den Willen der Götter zu erforschen. Deshalb spielte die Mantik (Zukunftsschau) eine wichtige Rolle. Spezielle Seher erkannten sie durch die Beobachtung des Vogelfluges und des Weihrauchdampfes, durch die Eingeweideschau bei Opfertieren oder durch die Traumdeutung. Wer ganz sicher gehen wollte, befragte ein Orakel; dessen Auskunft fiel allerdings meist so mehrdeutig aus, dass sich sein wahrer Sinn erst nach vollbrachter Tat offenbarte.
Mit dem Aufkommen der Philosophie geriet der Glaube an die Götter in eine Krise. Die Philosophen gaben auf die Fragen nach der Entstehung der Welt und dem Wesen der Naturerscheinungen wie Blitz, Donner und Erdbeben ganz andere Antworten, als die Priester. Komödienschreiber machten sich über die Götter lustig, deren Leben und Treiben alles andere als vorbildlich war. Doch der Staat ging rigoros gegen die Leugnung der Götter vor, wie das Beispiel von Sokrates beweist, der wegen Gottlosigkeit angeklagt und zum Tode verurteilt wurde – nicht etwa wegen Beleidigung der Götter, sondern wegen der Abkehr von den gemeinschaftsstiftenden Ritualen des Staates, die den Richtern für die Existenz des Gemeinwesens unverzichtbar erschienen.
Den endgültigen Todesstoß erhielten die griechischen Götter durch den christlichen Glauben. Gegenüber dem biblischen Gott hatte der Schürzenjäger und Schwerennöter Zeus keine Chance. Der Kirchenvater Augustinus geißelt in seinem Werk »Der Gottesstaat« mit drastischen Worten »das unsaubere Treiben des Göttergesindels, ihre abscheulichen Bildnisse, unflätigen Zeremonien und schändlichen Bräuche«. Von ihrer Tyrannei werde der Mensch befreit, wenn er an den Gott Jesu Christi glaubt, der sich in Liebe unterschiedslos allen Menschen zuwendet und sie dereinst nach dem Tode sogar an seiner Herrlichkeit teilnehmen lässt. Und Augustinus zitiert den Apostel Paulus: »Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr hat es gehört, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben…«
Julius Bittmann
13/2013