Jahrgang 2011 Nummer 1

Die Schlacht von Marathon 490 vor Christus

Ein kleines Volk gibt sich und Europa eine eigene Identität – Teil I

Aus Hopliten bestehende griechische Phalanx zu Beginn des Kampfes gegen die persische Reiterei in der Schlacht von Marathon. Gem

Aus Hopliten bestehende griechische Phalanx zu Beginn des Kampfes gegen die persische Reiterei in der Schlacht von Marathon. Gemälde von Heinz Zander, 1973.
Das Dionysostheater in Athen, wie es früher ausgesehen haben könnte. (Aus: Geschichte kennen und verstehen)

Das Dionysostheater in Athen, wie es früher ausgesehen haben könnte. (Aus: Geschichte kennen und verstehen)
Der Staat der Athener. (Aus: Anno 6)

Der Staat der Athener. (Aus: Anno 6)
Es gibt wohl kaum jemanden, dem nicht der Name »Marathon« vertraut wäre, in welchem Zusammenhang auch immer: als Marathonlauf bei den modernen Olympischen Spielen, als tragischer Läufer während schicksalsträchtiger Tage in der Antike, als Laufwettbewerb in unseren Großstädten; als früherer Name einer Raffinerie in Burghausen, als diverse Firmennamen usw. Auch sprachlich dient der Name, wenn ein langer Weg oder eine große zu bewältigende Aufgabe vor uns liegt. Selbst wenn Griechenland seit diesem Frühjahr aus finanzpolitischen Gründen evtl. nicht an der Spitze der deutschen »Lieblingsländer« liegt, begleitete die Bewunderung für Hellas Europa, besonders Deutschland durch die Jahrhunderte ihrer Geschichte. Dazu gehört auch die Erinnerung an eine Schlacht der angehenden Perserkriege, von der es heißt, dass sie zu jenen gehört, die mit dazu beitrugen, dass in Europa die Freiheit des Einzelnen bzw. der Nation einen hohen Stellenwert einnehmen konnte: die Schlacht von Marathon (490 vor Christus). Sie liegt nun 2500 Jahre zurück.

Griechenlands kulturgeschichtliche Bedeutung

Vielleicht mögen sich in der Vorstellung mancher weißgolden leuchtende, kannelierte Säulen des dorischen, ionischen oder korinthischen Stils mit ihren jeweiligen Kapitellen als Ruinen eindrucksvoll in den Abendhimmel heben, während die rötliche Sonne sich dem Horizont im Unendlichen nähert. Ebenso griechisch, wenn auch weniger romantisch ist das Schauspiel, die Tragödie, deren erste im Dionysos-Theater zu Füßen der Akropolis aufgeführt wurden. Aber schon lange vorher hatte Homer seinen Griechen und später anderen Einblick in das Walten der Olympischen, der Götter, in seinen großen Epen »Ilias« und »Odyssee« gegeben. Griechische Denker haben die Grundlagen der Philosophie, Mathematik, Astronomie, d.h. der modernen Wissenschaften gelegt. Auf welche Weise die Athener zusammenleben wollten und welche Regeln es einzuhalten galt, bestimmte deren Polis (davon »Politik« abgeleitet), welche als Demokratie die Staatsform hervorgebracht hat, die nicht nur die westliche Welt, trotz ihrer Schwächen, immer noch für die beste hält. Kunst und Architektur wären ohne die griechischen Elemente nicht denkbar. Es ist nicht eine Laune des Zufalls, dass von den sieben antiken Weltwundern fünf dem griechischen Kosmos angehören (ein Wort, das ebenso dem Griechischen entspringt wie sein Gegenteil, das Chaos).

Spuren der griechischen Bauten sind in der vom Westen beeinflussten Welt überall sichtbar, auch aus Zeiten, in denen die antike Kultur längst der Vergangenheit angehörte. Trotz Untergang des Römischen Reiches, das sich als Erbe griechischer Kultur und Baukunst verstand, blieben deren Formen auch im Mittelalter erkennbar und mündeten z.B. in die karolingische Renaissance (Zeit Karls des Großen) oder ottonische Renaissance (Zeit der frühen deutschen Kaiser des 10. Jahrhunderts). Mit der eigentlichen Renaissance des 15./16. Jahrhunderts war die Erinnerung und Erneuerung des antiken Geistes wiedergeboren worden und erstreckte sich von da aus über die Barockzeit bis zum Klassizismus des 19. Jahrhunderts. In Deutschland wurden Städte wie Berlin unter Baumeistern wie Karl Friedrich Schinkel zum »Spreeathen« und München
unter Leo v. Klenze zum »Isarathen«. In der europäischen, besonders deutschen Geistesgeschichte und Literatur verbindet sich der Begriff »Klassik« mit der »edlen Einfalt und stillen Größe« - stellvertretend für die Vorstellung von der griechischen Kunst. Zahlreiche Werke der damaligen Zeit eifern diesem Anspruch nach und Goethes »Faust« zeigt, dass der ihm innewohnende Gestaltungswille zwar das »Höchste« erreichen möchte, aber auf Abwege geraten kann und der göttlichen Gnade bedarf (»Wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen«).

Geschichtliche Entwicklungen

Darüber hinaus steigerte sich die Anteilnahme an und die Sympathie für alles Griechische durch den Freiheitskampf der Hellenen, wie sie wieder genannt wurden, gegen das schwächer werdende Osmanische Reich, den »kranken Mann am Bosporus «. Die europäische Begeisterung für diese Auseinandersetzung der Griechen mit ihren türkischen Herren war so groß, dass zahlreiche, auch berühmte Freiwillige vom ganzen Kontinent die Gelegenheit wahrnahmen, mit ihrem Einsatz auf griechischer Seite ein Zeichen zu setzen: z.B. der romantische englische Dichter Lord Byron und der bayerische König Ludwig I. Beide gehörten zur damals stattlichen Schar der »Philhellenen«, die als »Griechenfreunde« sich für das kleine Land und dessen staatlichen Neubeginn einsetzten. Beim bayerischen König führte das dazu, dass sein Sohn Otto von der neuen Nationalversammlung zum ersten griechischen König des neuen Landes auserkoren wurde.

Viele sahen in ihrem Einsatz für Griechenland auch eine moralische Verpflichtung, dass jenes Land die Freiheit wieder zurückbekommen sollte, das sie in den schweren Schicksalsstunden und - jahren der Perserkriege zu Beginn des fünften vorchristlichen Jahrhunderts für sich, aber darüber hinaus auch für Europa errungen hatte. Sie sind jener Beginn der Ost-West-Auseinandersetzungen, welche die Weltgeschichte mit bestimmt haben:

– Griechenland - Persien
– Römisches Reich - Karthager (ursprünglich aus Phönizien)
– Römisches Reich - Hunnen
– Fränkisches Reich/Europa - Araber/Islam
– Römisch-Deutsches Reich/Europa - Magyaren/Ungarn (damals noch von asiatischer Herkunft geprägt)
– Kreuzzüge / Europa - Naher Osten / Islam
– Römisch-Deutsches Reich/Europa - Mongolen
– Römisch-Deutsches Reich/Europa - Türken/Islam

Manches erinnert uns an Auseinandersetzungen der allerletzten Zeit, die - im Gegensatz zu den früheren - nicht mehr militärisch entschieden werden. Aber es gab auch gegenteilige Bewegungen, deren Ziel die Verschmelzung beider unterschiedlicher Welten war. Es sollten die jeweils besten Wesenszüge, Eigenschaften zu einer neuen Einheit verbunden werden, wie im Hellenismus unter aktiver Beteiligung Alexanders des Großen. Unter ihm sehen wir beides: erst den Konflikt - Rache für die Zerstörung Athens und der - alten - Akropolis, Kampf um die Vorherrschaft, um die Weltherrschaft; und danach die Aussöhnung, der Wunsch nach Vereinigung, nach einer gemeinsamen Weltkultur - wie im Hellenismus verwirklicht. So war Griechenland weltgeschichtlich ein Verteidiger europäischer Werte und gleichzeitig ein Brückenbauer zur Kultur des Orients.

Diese »hellenistische Toleranz« des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. beherrschte um 500 v. Chr. noch nicht die weltpolitische Bühne. Damals ging es darum, das Recht auf selbstständige Lebensgestaltung sowie wirtschaftliche und politische Freiheiten zu verteidigen. Das galt vor allem für die in Athen entwickelte Staatsform, die es sonst nirgendwo auf der damaligen Welt gab: Demokratie = Volksherrschaft - von Kleisthenes eingeführt. Durch ihre innere Unerbittlichkeit und Strenge war sie gegen die »zu Mächtigen « gerichtet, was sich besonders im »Scherbengericht« ausdrückte: Derjenige Athener musste auf 10 Jahre seine Heimatstadt verlassen, der auch nur im Verdacht stand, die Herrschaft an sich reißen zu können und die meisten »Stimmen« dafür bekam (die Namen wurden auf Tonscherben eingeritzt). Gegen eine solche Alleinherrschaft eines Einzelnen, von den Griechen »Tyrannis« genannt, waren die Athener überraschend empfindlich, überraschend deshalb, weil sie sich in ihren Mauern und darüber hinaus mit dem Tyrannen Peisistratos nicht nur gut arrangiert hatten, sondern seine Herrschaft von weiten Teilen der Bevölkerung geschätzt wurde. (Verschönerung der Stadt, öffentliche Aufträge, weniger Arbeitslosigkeit usw.) Wir kennen dieses Muster von den Diktatoren des 20. Jahrhunderts, gerade auch aus der Zeit des deutschen Nationalsozialismus. So hatte der Ausdruck Tyrann bei den Griechen nicht die heutige negative Bedeutung eines Unmenschen, der andere schikaniert, sondern die eher neutrale Bedeutung, dass einer allein herrscht, der allerdings durch Gewalt oder Umsturz an die Macht gekommen war. Erst die Misswirtschaft der Söhne des Peisistratos führte dann zum Bruch mit dieser Staatsform. Einer davon, Hippias, hoffte mit Hilfe der Perser, zu denen er geflohen war, wieder an die Macht in Athen zurückkehren zu können und betätigte sich als deren Ratgeber. Somit wurde beim Kampf Perser - Griechen/Athener nicht nur über deren Freiheit, sondern auch künftige Staatsform entschieden.

Vorgeschichte der Schlacht

Jeder Krieg bedarf eines Anlasses, manchmal des berühmten Funkens, der ins Pulverfass fällt. Die ionischen Griechen, also diejenigen auf kleinasiatischer Seite, welche die Ägäis vom Mutterland trennte, erhoben sich in einem Aufstand gegen ihre persischen Herren, die Satrapen, die im Auftrag des Großkönigs sein gewaltiges Weltreich verwalteten. Die Auflehnung ging von Milet aus - bekannt auch als Heimat des berühmten Philosophen und Mathematikers Thales und seines Kreises - und dessen Tyrannen Aristagoras, der ein Beispiel dafür ist, wie Zufälle weltgeschichtliche Entwicklungen auslösen können. Selbst Grieche, aber im Auftrag des Großkönigs über Griechen herrschend, wurde er erst dann der Widersprüchlichkeit seines Wirkens gewahr, als er zunächst im Sinne des Großkönigs Dareios I. (521 - 486 v. Chr.) versuchte, die Aristokratie (Adelsherrschaft) auf der Insel Naxos gegen demokratische Bewegungen zu stärken. Erst als das misslang und er den Zorn des Großkönigs fürchten zu müssen glaubte, wechselte er die Fronten und setzte sich an die Spitze der ionischen Auflehnung. Das Gefühl, fremden, orientalischen Herren zu dienen und nicht voll über die Früchte des wirtschaftlichen Erfolges verfügen zu können, wurde um so belastender empfunden, als die Sehnsüchte sich weit übers Meer nach Attika schwangen und mit Staunen die Geburtswehen der Demokratie verfolgten. Die ionischen Tyrannen wurden vertrieben und die griechischen Städte Kleinasiens erklärten ihre Unabhängigkeit von Persien. Sie mussten wissen, was das bedeutete. Es fehlte nicht an warnenden Stimmen, die begriffen, auf welches Risiko sich jene damit einließen. Hatte nicht ihre bisherige Lage auch Vorteile?

– Der Schutz durch die Macht eines Weltreiches (von Indien bis zur Ägäis, vom Kaukasus bis zum Nil) war ihnen gewiss, dessen Organisation als vorbildlich galt: straffe, staatliche Ordnung im Auftrag des Großkönigs, des »Königs der Könige«

– »10000 Unsterbliche«, deren Gerüst der Adel bildete, waren die Elite des Heeres und galten als unbesiegbar.

– Die persischen Königsstraßen waren die besten der damaligen Zeit. Sie dienten dem Großkönig für schnelle Nachrichtübermittlung, denn er musste als erster von wichtigen Ereignissen erfahren (alle 20 km Poststationen und Raststätten mit Pferdewechsel). Sie dienten aber auch dem (ionischen) Handel.

– Die Goldmünze »Dareikos« verkörperte die wirtschaftliche Einheit des Landes.

– Die Großkönige erlaubten ihren Völkern, den angestammten Glauben zu leben, was nicht überall selbstverständlich war.

– Die Tyrannen, die im Auftrag des Großkönigs die Macht ausübten, waren in Ionien meist griechischer Herkunft und als Entgegenkommen aufzufassen. Gerade aber jenen schlug von manchen Verachtung entgegen, da sie des Verrats an gemeinsamen griechischen Interessen bezichtigt wurden.

All das also besaß in den Augen der Aufständischen wenig Gewicht. Für die Griechen war dieser Staat eine Despotie, eine Gewaltherrschaft, auch eine Art »Spitzelstaat«: Die »Augen und Ohren des Königs«, hohe Beamte, die selbst die mächtigen Satrapen kontrollierten, konnten überall auftauchen. Durch die Abgabe von Tributen sahen sich nicht wenige in ihrem Stolz verletzt, aber besonders durch die Proskynesis, den Kniefall: Jeder, der sich dem König nähern wollte, war gezwungen, sich auf den Boden zu werfen. Wie wenig vertrug sich das mit der Freiheit, wie sie sich die Athener errungen hatten! Europäische und asiatische Völker maßen bzw. messen diesem Wert bis heute unterschiedliche Bedeutung bei. Die europäische Geschichte zeigt eine Reihe von Beispielen vom Kampf für die Freiheit und gegen deren Einschränkung, zum Beispiel die Französische Revolution 1789, die Friedliche Revolution 1989. Bezeichnend für die beiden unterschiedlichen Lebenshaltungen ist ein Streitgespräch zwischen zwei Spartanern und einem persischen Heerführer, das uns Herodot (»Vater der Geschichtsschreibung«) überliefert:

Perser: »Ihr lakedämonischen (spartanischen) Männer! Warum sträubt ihr euch, Freunde des Großkönigs zu werden? Ihr seht doch, wie der Großkönig wackere Männer zu ehren weiß. So könntet ihr, wenn ihr euch dem Großkönig ergeben würdet, über ein Gebiet in Hellas herrschen, das euch der Großkönig anweisen würde.«

Spartaner: »Der Rat, den du uns gibst, ist nicht gleichmäßig ausgewogen…Was es heißt, Sklave zu sein, das weißt du. Mit der Freiheit aber hast du noch keine Erfahrung gemacht und weißt nicht, ob sie süß ist oder nicht. Wenn du sie gekostet hättest, würdest du uns raten, nicht nur mit Speeren, sondern sogar mit Beilen für sie zu kämpfen«.(1) »Mit Beilen für sie kämpfen« bedeutet, im Nahkampf sein Leben aufs Spiel zu setzen - für die Freiheit!

Für einen orientalischen Militär war eine solche Haltung unverständlich, erst recht für den Großkönig Dareios, der als Herrscher über ein Weltreich in anderen Kategorien dachte. War der Aufstand der ionischen Griechen für ihn eine Provokation, die es galt, schnell niederzuwerfen, um nicht anderen Landesteilen Anlass zu Aufmüpfigkeit zu bieten, so bot er gleichzeitig die Möglichkeit, das riesige Reich nach Westen auszudehnen, da es in den anderen Himmelsrichtungen an seine Grenzen gestoßen war: im Süden an Wüsten und Meeresteile, im Osten an Dschungel oder Gebirge und im Norden an Binnenmeere bzw. Steppen. Schon vorher (512 v. Chr.) fiel er ohne großen Erfolg bei den Skythen (selbst iranischer Herkunft und in Südrussland siedelnd) ein, brachte aber die im Norden Griechenlands siedelnden Makedonen (als Griechen »zweiten Ranges« angesehen) und Thraker in seine Abhängigkeit. Im Umfeld dieser Ereignisse wird er auch schon auf den Namen »Miltiades« gestoßen sein, der zum Widerstand gegen ihn aufgerufen hatte(2) und ihm bei der Schlacht von Marathon auf unliebsame Weise wieder begegnen wird.

Dass die Athener selbst Dareios einen Anlass bieten würden, gegen das griechische Mutterland vorzugehen, konnte er damals noch nicht wissen. 506 war Hippias, der letzte Tyrann von Athen, ins persische Sardes geflüchtet, um dessen Satrapen (Artaphernes, Bruder des Großkönigs) für sich und gegen Athen einzunehmen, was ihm auch gelang. So galt die Wut der ionischen Griechen, die sich dem Aufstand angeschlossen hatten, dieser Stadt. Sie wurde erobert und niedergebrannt. Dagegen fanden sie kein Mittel, die Burg des Satrapen einzunehmen. Inzwischen hatte sich Aristagoras, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, auf den Weg gemacht. Er wollte die Griechen jenseits des Meeres bitten, sie im Kampf nicht allein zu lassen, appellierte an die gemeinsame Herkunft und malte aus, welche Möglichkeiten sich für alle gemeinsam bieten würden, wäre das persische Reich geschlagen. Den Spartanern empfahl er, ihre kriegerische Energie nicht mehr gegen ihre Nachbarn zu richten, sondern einem großen Ziel unterzuordnen. Als der spartanische König Kleomenes sich auf einer angeblich ersten, auf Erz eingeritzten Landkarte von der Weite Persiens überzeugt hatte und allein der reinen Tagesmärsche gedachte, nur um die Hauptstadt Susa zu erreichen, winkte er ab. (3)

In Athen hatte der Werbebote mehr Glück, drohte den Einwohnern bei einem persischen Vordringen nicht nur die Wiederkehr von Hippias unter deren Schutz, sondern auch der Verlust ihrer neuen Staatsform, für welche die Perser natürlich keinerlei Verständnis mitbrachten. Deshalb wollte sich Athen mit 20 Kriegsschiffen an der bevorstehenden Seeschlacht beteiligen. Die kleine Polis Eretria auf Euböa schickte deren fünf. Die anderen Griechen warteten erst mal ab, da sie sich nicht direkt bedroht fühlten.

Den ionischen Aufrührern gelang neben der Zerstörung Milets ein kleiner Seesieg gegen die mit Persien verbündete, phönizische Flotte bei Salamis auf Zypern. (Nicht zu verwechseln mit dem großen Seesieg des Themistokles 480 v. Chr. bei der gleichnamigen Insel vor Athen!) Damit schien die Energie für eine weitere gemeinsame Strategie erschöpft, gerade auch aufgrund der persischen Überlegenheit an Menschen und Material (zum Beispiel Schiffen). Die Truppen mussten sich vor dem Heer der nun anrückenden Strafexpedition zurückziehen, wurden aber vor Ephesos, (sein Artemis-Tempel: eines der 7 Weltwunder) das sich nicht am Aufstand beteiligte, gestellt und geschlagen. Die Flotte

kämpfte nicht mehr mit dem Mut der Zuversicht, die Koalition der Ionier brach auseinander. Bei der entscheidenden Seeschlacht von Lade (bei Milet) 494 v. Chr. segelten die Schiffe aus Samos und Lesbos bereits vorher ab, auch die Athener zogen sich zurück. Die Niederlage war vollständig.

Die persische Vergeltung ließ nicht lange auf sich warten. Milet wurde streng bestraft, die Stadt zerstört, die Männer getötet oder verschleppt, Frauen und Kinder versklavt, ein großer Teil der überlebenden Einwohner nach Mesopotamien verbracht. Erst in römischer Zeit gelang ihr ein Wiederaufstieg, aber ihre alte Größe und Bedeutung waren dahin. Damit hatte das Weltreich ein Exempel statuiert - als Warnung für alle übrigen Landesteile. Weitere Zerstörungen lagen nicht in seinem Sinne, aber es nötigte die restlichen ionischen Städte, Frieden untereinander zu schließen, der nicht gebrochen werden durfte.

Der Krieg hätte zu Ende sein müssen, aber Dareios grollte weiterhin. Angeblich soll ein Diener ihn täglich dreimal zu den Mahlzeiten gemahnt haben: » Herr, gedenke der Athener!« Tatsächlich wurden verschiedene Boten übers Meer geschickt mit dem Auftrag, ihnen Erde und Wasser (Elemente des Lebens) als Zeichen der griechischen Unterwerfung auszuhändigen. Die meisten Poleis taten ihnen den Gefallen, bei Sparta und Athen gerieten sie an die Falschen. Die stolzen Spartiaten warfen sie unter Hohn in einen Brunnen mit der Aufforderung, sich dort Selbiges zu suchen. Die Athener sahen sie als Parteigänger des Hippias und damit als Verräter an. Sie wurden wie Verbrecher behandelt und von einem Felsen gestürzt. Ein Taktieren gab es nun nicht mehr, die Brücken einer möglichen Verständigung waren endgültig abgebrochen. Die Perser beantworteten diese Provokation mit einem stattlichen Aufgebot an Schiffen und Soldaten, das den Hellespont, die Meerenge zwischen Europa und Asien (heute: Dardanellen) überquerte. Den Athenern musste klar sein, dass sie sich als Erste würden bewähren müssen. Aber wie sollte die Stadt gegen die zu erwartende Übermacht verteidigt werden?

Werner Segerer


Teil 2 in den Chiemgau-Blättern Nr. 2/2011 vom 15. Januar 2011

Quellennachweise:
1: W. Sontheim, Herodot, Bücher der Geschichte VII, Stuttgart, 1974, S. 135
2: Nach C. Nepos Berühmte Männer, Goldmanns Reihe der griechischen und römischen Klassiker, München, 1962, S. 25
3: L. V. Ranke, Weltgeschichte, Bd. 1, Hamburg, 1928, S. 148



01/2011