Die letzte Ritterschlacht war nicht in Ampfing
Ein Hobbyarchäologe aus Erharting widerlegt eine alte Geschichtslegende





Bei der diesjährigen Landesausstellung in Regensburg über den Kaiser Ludwig den Bayern, die noch bis 2. November zu sehen ist, wird auch sein Kampf gegen seinen Vetter, den Habsburger Friedrich den Schönen, behandelt, der mit einem Sieg Ludwigs endete. Die Schlacht am 28. September 1322 ist als die letzte Ritterschlacht – also ein Kampf ohne Feuerwaffen – in die Geschichte eingegangen. Sie soll in der Nähe von Mühldorf stattgefunden haben, und zwar bei Ampfing an der heutigen Bahnstrecke Mühldorf - Markt Schwaben. So steht es in vielen Geschichtsbüchern zu lesen.
Was jedoch gegen Ampfing als Kampfplatz spricht, ist das vollständige Fehlen von archäologischen Relikten im Boden, wie sie ein so großes Kampfgeschehen zweifellos hinterlassen haben müsste. Auf bayerischer Seite kämpften damals immerhin an die 1800 Ritter und 4000 Fußsoldaten, auf Seiten der Österreicher 1400 Ritter und 5000 Fußsoldaten. Die Zahl der Gefallenen wird mit 1100 überliefert.
Die Schlacht war als eine Art Gottesurteil gedacht. Sie erhielt ihre pikante Note dadurch, dass sich mit Ludwig von Wittelsbach und Friedrich von Habsburg zwei nahe Verwandte als Gegner gegenüber standen. Sie waren als Knaben sogar gemeinsam am Wiener Hof erzogen worden. Beide hatten sich nach dem Tode von Kaiser Heinrich VII. beim Kollegium der Kurfürsten als Kandidaten für die Nachfolge beworben. Aber die Wahl endete unentschieden, beide erhielten gleich viele Stimmen. Für einen solchen Fall gab es keine Rechtsvorschriften, deshalb mussten die Waffen entscheiden. Der Sieg fiel an Ludwig. Der ließ seinen Konkurrenten zunächst auf der Burg Trausnitz gefangen setzen, um ihn nach langen Verhandlungen freizulassen und mit ihm eine Teilung der Herrschaft zu vereinbaren. Künftig sollten beide Kaiser sein und sich gegenseitig im Reich vertreten. Die problematische Doppelherrschaft endete schon nach sieben Jahren mit dem Tode Friedrichs.
Heute ist es sicher, dass die letzte Ritterschlacht der deutschen Geschichte nicht bei Ampfing stattgefunden hat, sondern 12 Kilometer weiter nördlich in der Gemarkung des Dorfes Erharting. Das beweisen hier die zahlreichen Funde von mittelalterlichen Waffen und Waffenteilen, von Reiterzubehör sowie Knochenresten. Sie wurden von einem privaten Sondengeher und Hobbyarchäologen gemacht, dem eng mit dem Landesamt für Denkmalpflege in München zusammenarbeitenden Herbert Matejka aus Erharting. Ein Bauer hatte ihm eines Tages eiserne Pfeilspitzen gebracht, die er bei der Feldarbeit gefunden hatte. Herbert Matejka begann, systematisch zu suchen – und er wurde fündig. Zu Tage kamen jede Menge rostige Speer- und Pfeilspitzen, Sporen, Hufeisen, Äxte, ein Handdolch, Gürtelschnallen und eine Silbermünze. Bemerkenswert sind einige flache Pfeilspitzen, die ihrer Form nach aus dem Osten stammen und zu Reitertruppen der Kumanen (einem turksprachigen Nomadenvolk) gehört haben dürften, die auf der Habsburger Seite kämpften.
Die zahlenmäßig größte Fundgruppe unter den Waffen bilden die Geschoßspitzen, sowohl Pfeilspitzen für Bogen wie Bolzenspitzen für Armbrüste. Wegen ihrer leichten Handhabung und der hohen Durchschlagskraft war die Armbrust damals die beliebteste Fernwaffe. Sie wurde von Fußsoldaten wie von Reitern gleichermaßen eingesetzt. Schwerter und Dolche kamen dagegen im Nahkampf zum Einsatz, wenn es darum ging, dem Gegner durch einen Stich in sein Kettenhemd oder durch den Sehschlitz den Todesstoss zu versetzen.
Die Relikte ermöglichten auch, das Schlachtfeld näher einzugrenzen. Es dürfte sich über mindesten zwei Kilometer erstreckt haben. Sein Zentrum lag wohl um die beiden zu Erharting gehörenden Weiler Maxing und Frixing und zog sich bis zum Dornberg, der höchsten Erhebung der Region, mit der heute nur noch als Ruine vorhandenen Dornburg. Es war eine weite Ebene, die große Truppenbewegungen zuließ und auch eine Umzingelung durch schnelle Reitertruppen möglich machte. Wahrscheinlich hatten sich diese aus Niederbayern, dem Nordgau und aus Böhmen stammenden Reiter zunächst im Hinterhalt im Schutz eines Hügels bei Rohrbach gesammelt, um auf ein verabredetes Zeichen überraschend hervorzusprengen und dem Heer Ludwigs zum Sieg zu verhelfen.
Die letzte Ritterschlacht lebte in Erinnerungen und Geschichten noch lange weiter. Am bekanntesten ist der sprichwörtliche Kampfesmut des Feldhauptmanns der Reichsstadt Nürnberg, des Ritters Seifried Schweppermann, der die Reiterei befehligt hatte. Nach dem Sieg befahl Ludwig, die Streiter mit Essen und Trinken zu versorgen. Als der Küchenmeister klagte, die Verpflegung sei aufgebraucht, es seien nur noch Eier vorhanden, bestimmte der König kurzerhand: »Jedem Mann ein Ei, dem braven Schweppermann zwei!« Der Ausspruch des Kaisers ziert von da an das Wappen und später die Grabinschrift des tapferen Bundesgenossen. Überliefert ist auch das kurze Zwiegespräch zwischen Ludwig und seinem Vetter Friedrich nach der Schlacht. »Nie sah ich euch so gern«, mit diesen Worten soll Ludwig den Habsburger begrüßt haben. Dieser habe schlagfertig gekontert: »Und ich nie so ungern!«
Die vielen Fundstücke vom Schauplatz der letzten Ritterschlacht wurden von Herbert Matejka sorgfältig restauriert und katalogisiert. Manche befinden sich heute in München, andere in Heimatmuseen der Region. Der Hobby-Archäologe Matejka hat durch seine Arbeit Licht in die jahrhundertelang falsch lokalisierte Schlacht zwischen Ludwig dem Bayer und Friedrich dem Schönen gebracht. Für seine Verdienste wurde ihm im vergangenen Jahr der Mühldorfer Geschichtspreis verliehen. In seiner Laudatio bescheinigte ihm Dr. Martin Pietsch vom Landesamt für Denkmalpflege wissenschaftliche Kompetenz und würdigte seine Arbeit. Künftig ist es nicht mehr möglich, von der »Schlacht von Ampfing« zu sprechen – es muss exakt die »Schlacht von Erharting« heißen, zumindest die »Schlacht bei Mühldorf.«
Julius Bittmann
34/2014