Jahrgang 2022 Nummer 50

Die Kindl-Schau der Rosi Bauer

Sie verlegte ihre »Himmelswerkstatt« des Christkindlmuseums ins Jagd- und Fischereimuseum München

In den Mittelpunkt rückte die Siegsdorferin Rosi Bauer das Münchner Augustinerkindl – hier mit einer ihrer kunstvollen Kopien.
Eine Nachbildung des Sarner Jesulein, 19. Jahrhundert, mit Wallfahrtsandenken an der Rückwand.
Die junge Gottesmutter mit sieben Engels-Helferinnen als Inhaberin der Siegsdorfer Himmelswerkstatt.
Das Sternstunden-Jesulein ist 1993 nach dem Typus des Prager Kindls gestaltet worden.
Gestern Augustinerkirche, heute Jagd- und Fischereimuseum in der Münchner Innenstadt.
Hoher Besuch zur Ausstellungs-Eröffnung in der Himmelswerkstatt – Bischof Rudolf Voderholzer. (Fotos: Hans Gärtner)

Der heilige Josef, Jesu Ziehvater fehlt. Im Siegsdorfer Christkindlmuseum ist er seit zehn Jahren – so lange gibt es dieses Museum schon – dabei. Zwar spielt auch dort nicht er, sondern seine blutjunge Gattin, die heilige Maria, die Hauptrolle. In der ins Münchner Jagd- und Fischereimuseum (bis Lichtmess 2023) aus Siegsdorf verlegten »Himmelswerkstatt « sitzt Maria, fein und zart, an der Nähmaschine und beim Klöppeln mitten im himmlischen Getümmel. Umgeben ist sie, von Rosi Bauer aus Wachs geformt und in die üblichen Marien-Gewänder gesteckt, von sieben rot und weiß gekleideten Engeln, rotwangigen Helfern beim Nähen, Sticken, Häkeln, Schneidern – und gewiss auch beim Weihnachtsplatzerl- Backen. Zuschauen dürfen geradezu unzählige große und kleine Christkindl-Figuren. Ein von Rosi Bauer mit kostbarem altem Schmuck gezierter Christbaum verbreitet eine heimelige Atmosphäre. Fehlt nur noch der Weihrauch und das Knistern im Feuerofen. Betreten der »Himmelswerkstatt« verboten! Hineinschauen darf jeder Besucher. Und er wird des Schauens nicht genug kriegen können!

Vor 30 Jahren, so erinnert sich Rosi Bauer, hatte sie an eben dieser Stelle, also im Gebäude der alten Münchner Augustinerkirche, die seit gut 60 Jahren das viel besuchte Museum der bayerischen Jäger und Fischer ist, ihre erste große Ausstellung. Nun ist sie 80. Und kein bisschen müde, ihre inzwischen auf gut 1000 Objekte und 50 Krippen angewachsene Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie ist Restauratorin und Sammlerin, ihre eigenhändig hergestellten oder aufgefrischten Jesulein ausWachs oder Holz sind vielfach den oft berühmten Originalen aus ganz Europa und darüber hinaus nachempfunden und entsprechend ausgestaltet. Die Repliken, die die Kennerin aus Siegsdorf bei Traunstein nach München brachte, verdienen allseitige Bewunderung und Anerkennung. Kaum eines der berühmten »Kindl« fehlt: nicht das Prager Jesulein, nicht das Loretokindl, nicht die Kindl aus Sarnen oder Altenhohenau, aus Filzmoos oder Reuberg. Oder das Ara Coeli-Kindl aus Rom.

Und vor allem nicht das diesem Haus historisch verbundene sogenannte Münchner »Augustinerkindl«. Mehrere Nachbildungen dieses an Ort und Stelle einst, vor 400 Jahren, Wallfahrer aus nah und fern anlockende Jesuskind der Augustiner sind zu bestaunen. Eins sieht beinahe so echt aus wie das traditionell in der wenige Schritte entfernten Bürgersaalkirche zur Weihnachtszeit präsentierte Stück. Dass sein Kopf eine Bruchstelle aufweist, spielt auf eine Legende an. In dem Büchlein »'s Christkindl kommt« erzählt dazu das Augustinerkindl selbst: »Der Lichtmesstag 1624 wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Fiel ich doch dem Pater, der mich aus der Klosterkirche hinaustragen sollte – am 2. Februar war nun mal Schluss mit Weihnachten! – aus der Hand und auf den gefliesten Steinboden. Bruch! Der arme Junge (gemeint ist das jungeMönchlein)! Er behielt das Missgeschick für sich …« Der Prior sollte, so geht die Legende weiter, nichts davon mitkriegen. Wie durch ein Wunder war das lädierte Kindsköpferl über Nacht wieder heil – Jesus wollte den ungeschickten jungen Ordensmann in Schutz nehmen. So hob die Wallfahrt an. Scharenweise, so erzählt das Augustinerkindl in dem »Christkindl-Buch« weiter, »bekam ich Besuch. Alles wollte das zusammengeflickte Potscherl aus Wachs sehen. Und ihm sein Leid klagen. Es um Hilfe vor Ort anrufen. Dass auch sie alles wieder zusammengeflickt kriegen möchten …«

Übrigens: Weshalb alle Christkindl-Figuren so überaus große Augen haben, ist seit der Ausstellungseröffnungs-Rede des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer klar: Kinderaugen sind, das sei anatomisch gegeben, groß. Und zwar von Geburt an. Mit großen Augen staunten die Kinder. Auch alle die, die sich ein kindliches Gemüt bewahrten und an die Geheimnisse des Mensch gewordenen Gottessohnes glauben.

Die Ausstellung »Wallfahrtsjesulein aus vier Jahrhunderten« dauert bis zum 2. Februar 2023. Sie ist täglich von 9.30 Uhr bis 17 Uhr (donnerstags bis 21 Uhr) geöffnet, nicht an Heiligabend und Silvester. Solange der Vorrat reicht, kann im Museumsshop das Büchlein »'s Christkindl kommt« erworben werden (8,90 Euro), ein bunt bebilderter Privatdruck aus der Mühldorfer Region.

 

Hans Gärtner

 

50/2022