Die Herz-Grablege der Wittelsbacher
Kurfürsten und Könige ließen ihre Herzen in Altötting bestatten

Die doppelte Herzurne von Kaiser Karl VII. schuf der Hofbildhauer J. B. Straub, sie ist eingerahmt von der trauernden Bavaria und dem bayerischen Löwen.

Papst Benedikt in der Gnadenkapelle bei seinem Deutschlandbesuch im September des vergangenen Jahres.

Das altehrwürdige Gnadenbild von Altötting, in dessen Nähe die Wittelsbacher ihre Herzen bestatten ließen.
Wenn Altötting das »Herz Bayerns« genannt wird, dann schwingt in dieser Bezeichnung auch die Tatsache mit, dass sich in der Altöttinger Gnadenkapelle die Herzgrablege der Wittelsbacher befindet. In der »uralt heiligen Kapelle« sind die Herzen von insgesamt 27 bayerischen Fürsten und Fürstinnen in Silberurnen bestattet, weitere 13 Herzurnen bedeutender bayerischer Persönlichkeiten ruhen unter den Bodenplatten der Kapelle.
Der Brauch der getrennten Körper- und Herzbestattung war in den aristokratischen Kreisen des Abendlandes über viele Jahrhunderte hindurch üblich, angefangen bei den Dynastien der Valois und der Bourbonen in Frankreich bis zu den österreichischen Habsburgern und den bayerischen Wittelsbachern. Dahinter stand der Wunsch, das Herz möge an einem Ort ruhen – ja vielleicht sogar in irgendeiner Form weiterleben – der dem Verstorbenen zu Lebzeiten besonders viel bedeutet hat, aber wohl auch die Sehnsucht, über den Tod hinaus einen Platz unter den Überlebenden einzunehmen. »Deshalb erwarteten die Herzen von Herrschern das Jüngste Gericht gerne zu Füßen einer Wunder wirkenden Marienstatue, im Kreise ihrer Ahnen oder im Zentrum ihrer einstigen Macht«, schreibt die Medizinhistorikerin Christa Habrich.
Als erster bayerischer Herrscher ließ Kurfürst Maximilian I. sein Herz in Altötting beisetzen, und zwar in einer kleinen Gruft über dem Betstuhl links gleich beim Eingang in das Oktogon, wo zuvor schon das Herz seiner ersten Gemahlin Elisabeth von Lothringen bestattet worden war. Die auf einer Metallplatte eingravierte Inschrift lautet in deutscher Übersetzung: »Hier ist bestattet das Herz des am 27. September 1651 zu Ingolstadt gar fromm verstorbenen Kurfürsten Maximilian I., ehedem höchst unternehmungslustig und voll Liebe zur Gottesmutter, damit der Wanderer wisse, dass Maximilian auch nach dem Tode Maria von ganzem Herzen liebe.«
Gleich neben dem Herzen von Kurfürst Maximilian ruht unter der Türschwelle der Kapelle das Herz von Johann Graf Tserclaes von Tilly, dem Feldherrn der katholischen Liga und glühendem Marienverehrer. Tilly ist der einzige Graf, dessen Herz die Ehre zuteil wurde, neben Kurfürsten und Königen in Altötting bestattet zu werden. Ursprünglich sollte das Herz nach dem Vorschlag seines Neffen in einer silbernen Kapsel am Gitter des Altars aufgehängt werden, vor dem Tilly bei seinen Besuchen in Altötting oft lange gebetet hatte. Aber Kurfürst Maximilian hatte diesen Wunsch abgelehnt. Auf einer kleinen Bronzetafel ist zu lesen: »Begräbnisstätte des Herzens des erlauchten Herrn Grafen Johannes Tilly. Sein Leben war fortwährender Kriegsdienst, nun triumphiert es im Tode, und sein Herz ist dort, wo sein Schatz war. Ein Freund der Demut und Keuschheit, ward er nicht müde in der Verehrung der demütigen Magd und Mutter des Herrn. Als Krieger kämpfte er den Kampf Gottes. Er hat den Glauben bewahrt und den Lauf vollendet. Darum hat ihm der Herr, der gerechte Richter, die hinterlegte Krone der Gerechtigkeit gegeben am letzten Tage des Aprils im Jahre Christi 1632.«
Mit Kurfürst Karl Albrecht, der als einziger Wittelsbacher die deutsche Kaiserkrone trug und von 1742 bis 1745 als Karl VII. regierte, begann der Brauch, die Herzen der toten Herrscher in prächtigen Silberurnen öffentlich auszustellen, und zwar in den Bogennischen gegenüber und seitlich des Gnadenaltars. Sie hatten gleichsam die Ehrenwache vor dem als wundertätig verehrten Bild der Muttergottes von Altötting. So befindet sich das Herz von Kaiser Karl VII. und das Herz seiner Frau, der Erzherzogin Amalie Maria von Österreich, in einem als Doppelurne gestalteten Gefäß, das der Hofbildhauer Johann Baptist Straub angefertigt hat. Über der Urne sieht man die Büste des Kaisers mit dem Reichsadler, rechts der Urne die trauernde Bavaria, links den bayerischen Löwen mit der Inschrift: »Die Liebe ist stärker als der Tod.«
Für das Herz von Max I. Joseph, dem ersten bayerischen König, hatte Ludwig Schwanthaler, der Schöpfer der Bavaria, den Auftrag erhalten, die Herzurne mit der Inschrift »Das beste Herz« zu schaffen. Wie der damalige Verwalter der heiligen Kapelle berichtete, reiste sofort nach dem Tod des Königs eine Altöttinger Delegation nach München, um vom neuen König Ludwig I. die Herzurne seines Vaters zu erbitten. Ludwig soll zu der Abordnung mit Tränen in den Augen gesagt haben: »Ihr Altöttinger seid die erste Deputation, die ich als König empfange. Ihr verlangt von mir viel, sehr viel – aber ich will euch eure Bitte gewähren. Ihr sollt das Herz, das beste Herz, das je für Bayern geschlagen hat, haben. Es soll in der heiligen Kapelle ruhen. Aber sorgt dafür, dass es mit der größten Feierlichkeit beigesetzt wird.«
Ludwig I. selbst hatte in seinem Testament ausdrücklich verfügt, sein Herz in Altötting zu bestatten und auf der Herzurne seinen Wappenspruch »Gerecht und beharrlich« einzugravieren. Sein Leib ruht in der Krypta des von ihm gegründeten Benediktinerklosters St. Bonifaz in München, an die Stelle seines Herzens wurde seinem Wunsch entsprechend sein Ehering gelegt.
Das Herz von König Ludwig II., dessen Leben unter tragischen Umständen im Starnberger See ein Ende fand, wurde zwei Monate nach sienem Tod in einem Sonderzug nach Altötting überführt. Die herzförmige Urne hat der Direktor der Nürnberger Kunstgewerbeschule Franz Brochier entworfen. Die Vorderseite zeigt das Monogramm des Königs, die Rückseite das bayerische Wappen, auf den Schmalseiten sieht man einen Edelweiß- und einen Almrosenstrauß. Auch die Herzen von Ludwigs Bruder König Otto sowie von König Ludwig III. sind in der Altöttinger Kapelle bestattet.
Die letzte feierliche Herzbestattung in Altötting fand im November 1954 unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt. Es war das Herz der bayerischen Kronprinzessin Antonie von Luxemburg, der Gattin von Kronprinz Rupprecht von Bayern. Sie hatte viele Jahre in einem Konzentrationslager verbringen müssen, weil sie sich geweigert hatte, der Polizei den Aufenthaltsort ihres Ehegatten zu verraten. Die KZ-Haft hatte ihre Gesundheit so geschwächt, dass sie schom mit 55 Jahren starb. Ihr Leib ruht in einem Grab in Rom, für ihr Herz aber bestimmte sie die Altöttinger Kapelle als Grablege.
Kronprinz Rupprecht selbst starb am 2. August 1955 im Alter von 86 Jahren. Der damalige Ministerpräsident Wilhelm Hoegner ordnete für ihn ein feierliches Staatsbegräbnis an. Von einem separaten Herzbegräbnis wurde jedoch Abstand genommen. Aus der Erkenntnis heraus, dass in der heutigen Zeit kaum mehr Verständnis für eine getrennte Körper- und Herzbestattung besteht, bestimmte das damalige Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, Herzog Albrecht, anstelle einer Herzurne des verstorbenen Kronprinzen eine Weihegabe aus vergoldetem Silber in Urnenform mit einer Krone und mit dem Wittelsbacher Wappen in der Gnadenkapelle aufzustellen. Die leere Urne trägt den Namen des Kronprinzen und die Inschrift »Qiescit sub matris tutela – er ruht unter dem Schutz der Muttergottes.«
Julius Bittmann
Literatur: Armin Dietz: »Ewige Herzen – kleine Geschichte der Herzbestattungen«, München 1998. Peter Becker: »Altötting – die heilige Kapelle«, Altötting 2001.
26/2007
Der Brauch der getrennten Körper- und Herzbestattung war in den aristokratischen Kreisen des Abendlandes über viele Jahrhunderte hindurch üblich, angefangen bei den Dynastien der Valois und der Bourbonen in Frankreich bis zu den österreichischen Habsburgern und den bayerischen Wittelsbachern. Dahinter stand der Wunsch, das Herz möge an einem Ort ruhen – ja vielleicht sogar in irgendeiner Form weiterleben – der dem Verstorbenen zu Lebzeiten besonders viel bedeutet hat, aber wohl auch die Sehnsucht, über den Tod hinaus einen Platz unter den Überlebenden einzunehmen. »Deshalb erwarteten die Herzen von Herrschern das Jüngste Gericht gerne zu Füßen einer Wunder wirkenden Marienstatue, im Kreise ihrer Ahnen oder im Zentrum ihrer einstigen Macht«, schreibt die Medizinhistorikerin Christa Habrich.
Als erster bayerischer Herrscher ließ Kurfürst Maximilian I. sein Herz in Altötting beisetzen, und zwar in einer kleinen Gruft über dem Betstuhl links gleich beim Eingang in das Oktogon, wo zuvor schon das Herz seiner ersten Gemahlin Elisabeth von Lothringen bestattet worden war. Die auf einer Metallplatte eingravierte Inschrift lautet in deutscher Übersetzung: »Hier ist bestattet das Herz des am 27. September 1651 zu Ingolstadt gar fromm verstorbenen Kurfürsten Maximilian I., ehedem höchst unternehmungslustig und voll Liebe zur Gottesmutter, damit der Wanderer wisse, dass Maximilian auch nach dem Tode Maria von ganzem Herzen liebe.«
Gleich neben dem Herzen von Kurfürst Maximilian ruht unter der Türschwelle der Kapelle das Herz von Johann Graf Tserclaes von Tilly, dem Feldherrn der katholischen Liga und glühendem Marienverehrer. Tilly ist der einzige Graf, dessen Herz die Ehre zuteil wurde, neben Kurfürsten und Königen in Altötting bestattet zu werden. Ursprünglich sollte das Herz nach dem Vorschlag seines Neffen in einer silbernen Kapsel am Gitter des Altars aufgehängt werden, vor dem Tilly bei seinen Besuchen in Altötting oft lange gebetet hatte. Aber Kurfürst Maximilian hatte diesen Wunsch abgelehnt. Auf einer kleinen Bronzetafel ist zu lesen: »Begräbnisstätte des Herzens des erlauchten Herrn Grafen Johannes Tilly. Sein Leben war fortwährender Kriegsdienst, nun triumphiert es im Tode, und sein Herz ist dort, wo sein Schatz war. Ein Freund der Demut und Keuschheit, ward er nicht müde in der Verehrung der demütigen Magd und Mutter des Herrn. Als Krieger kämpfte er den Kampf Gottes. Er hat den Glauben bewahrt und den Lauf vollendet. Darum hat ihm der Herr, der gerechte Richter, die hinterlegte Krone der Gerechtigkeit gegeben am letzten Tage des Aprils im Jahre Christi 1632.«
Mit Kurfürst Karl Albrecht, der als einziger Wittelsbacher die deutsche Kaiserkrone trug und von 1742 bis 1745 als Karl VII. regierte, begann der Brauch, die Herzen der toten Herrscher in prächtigen Silberurnen öffentlich auszustellen, und zwar in den Bogennischen gegenüber und seitlich des Gnadenaltars. Sie hatten gleichsam die Ehrenwache vor dem als wundertätig verehrten Bild der Muttergottes von Altötting. So befindet sich das Herz von Kaiser Karl VII. und das Herz seiner Frau, der Erzherzogin Amalie Maria von Österreich, in einem als Doppelurne gestalteten Gefäß, das der Hofbildhauer Johann Baptist Straub angefertigt hat. Über der Urne sieht man die Büste des Kaisers mit dem Reichsadler, rechts der Urne die trauernde Bavaria, links den bayerischen Löwen mit der Inschrift: »Die Liebe ist stärker als der Tod.«
Für das Herz von Max I. Joseph, dem ersten bayerischen König, hatte Ludwig Schwanthaler, der Schöpfer der Bavaria, den Auftrag erhalten, die Herzurne mit der Inschrift »Das beste Herz« zu schaffen. Wie der damalige Verwalter der heiligen Kapelle berichtete, reiste sofort nach dem Tod des Königs eine Altöttinger Delegation nach München, um vom neuen König Ludwig I. die Herzurne seines Vaters zu erbitten. Ludwig soll zu der Abordnung mit Tränen in den Augen gesagt haben: »Ihr Altöttinger seid die erste Deputation, die ich als König empfange. Ihr verlangt von mir viel, sehr viel – aber ich will euch eure Bitte gewähren. Ihr sollt das Herz, das beste Herz, das je für Bayern geschlagen hat, haben. Es soll in der heiligen Kapelle ruhen. Aber sorgt dafür, dass es mit der größten Feierlichkeit beigesetzt wird.«
Ludwig I. selbst hatte in seinem Testament ausdrücklich verfügt, sein Herz in Altötting zu bestatten und auf der Herzurne seinen Wappenspruch »Gerecht und beharrlich« einzugravieren. Sein Leib ruht in der Krypta des von ihm gegründeten Benediktinerklosters St. Bonifaz in München, an die Stelle seines Herzens wurde seinem Wunsch entsprechend sein Ehering gelegt.
Das Herz von König Ludwig II., dessen Leben unter tragischen Umständen im Starnberger See ein Ende fand, wurde zwei Monate nach sienem Tod in einem Sonderzug nach Altötting überführt. Die herzförmige Urne hat der Direktor der Nürnberger Kunstgewerbeschule Franz Brochier entworfen. Die Vorderseite zeigt das Monogramm des Königs, die Rückseite das bayerische Wappen, auf den Schmalseiten sieht man einen Edelweiß- und einen Almrosenstrauß. Auch die Herzen von Ludwigs Bruder König Otto sowie von König Ludwig III. sind in der Altöttinger Kapelle bestattet.
Die letzte feierliche Herzbestattung in Altötting fand im November 1954 unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt. Es war das Herz der bayerischen Kronprinzessin Antonie von Luxemburg, der Gattin von Kronprinz Rupprecht von Bayern. Sie hatte viele Jahre in einem Konzentrationslager verbringen müssen, weil sie sich geweigert hatte, der Polizei den Aufenthaltsort ihres Ehegatten zu verraten. Die KZ-Haft hatte ihre Gesundheit so geschwächt, dass sie schom mit 55 Jahren starb. Ihr Leib ruht in einem Grab in Rom, für ihr Herz aber bestimmte sie die Altöttinger Kapelle als Grablege.
Kronprinz Rupprecht selbst starb am 2. August 1955 im Alter von 86 Jahren. Der damalige Ministerpräsident Wilhelm Hoegner ordnete für ihn ein feierliches Staatsbegräbnis an. Von einem separaten Herzbegräbnis wurde jedoch Abstand genommen. Aus der Erkenntnis heraus, dass in der heutigen Zeit kaum mehr Verständnis für eine getrennte Körper- und Herzbestattung besteht, bestimmte das damalige Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, Herzog Albrecht, anstelle einer Herzurne des verstorbenen Kronprinzen eine Weihegabe aus vergoldetem Silber in Urnenform mit einer Krone und mit dem Wittelsbacher Wappen in der Gnadenkapelle aufzustellen. Die leere Urne trägt den Namen des Kronprinzen und die Inschrift »Qiescit sub matris tutela – er ruht unter dem Schutz der Muttergottes.«
Julius Bittmann
Literatur: Armin Dietz: »Ewige Herzen – kleine Geschichte der Herzbestattungen«, München 1998. Peter Becker: »Altötting – die heilige Kapelle«, Altötting 2001.
26/2007