Jahrgang 2011 Nummer 5

Die Burg zu Burghausen

Ein Besuch bei den Wittelsbachern auf ihrer Burg

Burghausen ist stolz auf die längste und bedeutendste Burganlage in Deutschland.

Burghausen ist stolz auf die längste und bedeutendste Burganlage in Deutschland.
Eine herrliche Aussicht auf die an der Salzach gelegene Altstadt und die Burg.

Eine herrliche Aussicht auf die an der Salzach gelegene Altstadt und die Burg.
Ein Blick auf die Hauptburg.

Ein Blick auf die Hauptburg.
Burghausen, genauer gesagt die Burg von Burghausen, bietet sich für einen Tagesausflug geradezu an. Rund 50 km sind es von Traunstein aus. In Trostberg folgen wir der im Ort nach rechts abzweigenden Landstraße nach Burghausen, die kurz vor der markierten Zufahrt zur Klosterkirche Raitenhaslach in die B 20 einmündet. Raitenhaslach verdient schon deswegen einen kurzen Besuch, weil hier Hedwig, die Gemahlin Herzog Georgs von Bayern Landshut begraben ist. Ihre Grabplatte finden wir im Mittelgang der, auch ihrer prachtvollen Barockausstattung wegen, sehenswerten Kirche. Das Schicksal der polnischen Königstochter ist mit der Burg von Burghausen eng verbunden.

Empfehlenswert ist es auch, kurz vor dem Ortseingang von Burghausen in einem kurzen Abstecher die Salzach zu überqueren und nach einigen Kurven bergauf an dem Parkplatz anzuhalten, um die herrliche Aussicht auf die an der Salzach gelegene Altstadt und die Burg zu genießen, die von hier aus in ihrer ganzen Ausdehnung über 1,051 km Länge einsehbar ist. Burghausen ist stolz darauf, die längste Burganlage von Deutschland präsentieren zu können.

Von hier oben ist es auch nachvollziehbar, dass der Bergrücken mit unzugänglichen Steilwänden im Süden und mit nur einem von Norden her erschlossenen Zugang als naturgegebene Befestigung schon frühzeitig Siedlern Schutz bot und im Mittelalter den Bau einer immer wieder erweiterten Burganlage begünstigte. Funde belegen prähistorische Siedlungen. Vor allem ist Burghausen die mittelalterliche Burg der Wittelsbacher, die sich hier neben Landshut einen zweiten Herrschersitz geschaffen haben. Die Herrschaft der Wittelsbacher auf der Burg

Vom Aussichtspunkt oberhalb von Ach erreichen wir über bezeichnete Straßen am Rande der Altstadt von Burghausen den Parkplatz an der Nordseite der Burg. Von hier aus beginnen wir die Besichtigung der um sechs Innenhöfe gegliederten Burganlage. Wenn ich Sie nun auf einem Spaziergang von gut einem Kilometer durch die Burg begleite, so soll damit durchaus nicht der amtliche Burgführer ersetzt, sondern nur durch eigene Beobachtungen ergänzt werden. Vor allem aber geht es darum, die Lust zum Schauen und zum eigenen Entdecken der kunsthistorischen Besonderheiten der Burg zu wecken.

Die Geschichte der Burg haben im Wesentlichen die niederbayerischen Wittelsbacher bestimmt. Schon nach der ersten bayerischen Landesteilung 1255 ließ der Wittelsbacher Herzog Heinrich XIII. wesentliche, bis heute erhaltene Teile der Burg errichten. Die Reichen Herzöge, die im 15. Jahrhundert bis 1503 das im Reich hoch angesehene Herzogtum Bayern-Landshut regierten, haben wegen der drohenden Türkengefahr die Burg erweitert und mit neuen Mauern und Befestigungen versehen. Der Landshuter Chronist Veit Arnbeck schreibt dazu: »Im Jahre 1488 ließ Herzog Georg sein Schloss umbauen und mit großen, dicken Mauern versehen und hat Maurer und Arbeiter auf einen Tag wohl 4000 oder mehr eine Zeit lang beschäftigt und verbaute wohl 100 000 Gulden.«

Schon damals hat die Burg ihre heute noch präsente Gestalt erhalten. Die Burg ist natürlich auf die zu ihren Füßen gelegene Stadt an der Salzach bezogen, wie das bei Burgen allgemein üblich ist. Im Ort am Fuße der Burg waren die »Bürger« zu Hause, die das für die Fürsten da oben Nötige zu besorgen hatten. Burghausen lebte im Mittelalter vom Salzhandel. Das von Hallein nach Burghausen auf Schiffen transportierte Salz brachte hohen Zollgewinn und begründete damit den Reichtum der Stadt, bis der bayerische Herzog 1599 diese Geldquelle für sich entdeckte und mit dem herzoglichen Salzmonopol Burghausen diese Einnahme entzog.

Ein Spaziergang durch die sechs Burghöfe

Der Spaziergang durch die Burg beginnt mit dem ersten der sechs Innenhöfe. Durch die Veränderung der Außenbefestigung ist hier nicht der Eindruck einer Festung zu gewinnen, weil die schützende Burgmauer fehlt. In den Gebäuden im äußeren Bereich der Burg wohnten Handwerker und Bedienstete. Den Hof dominiert der Uhrenturm mit einer Schlag- und Sonnenuhr aus dem 16. Jahrhundert. Das achteckige Bauwerk daneben bedeckt den Ziehbrunnen, der daran erinnert, dass die Wasserversorgung der Burg ebenso notwendig war wie deren Schutz durch Wehrmauern. Die achteckige Abdeckung findet man oft bei Brunnen als Symbol für Unendlichkeit, die dem lebensspendenden Element zukommt.

Den nächsten Burghof bestimmt die Hedwig-Kapelle. Herzog Georg der Reiche hat sie nach 1479 für sich und seine Gemahlin, die polnische Königstochter Hedwig, erbauen lassen. Daran erinnert das Holzrelief an der Empore, das das Stifterpaar zu beiden Seiten des Auferstandenen zeigt, flankiert vom bayerischen und polnischen Wappen. Die Hochzeit von Herzog Georg dem Reichen und Hedwig war schon 1475 ein Fest, das dem hohen Ansehen des Herzogtums Bayern-Landshut im Reich entsprechend festlich gestaltet wurde und noch heute in der »Landshuter Hochzeit« alle vier Jahre nachvollzogen wird.

Betrachten wir noch ein wenig die Hedwigs-Kapelle, die als eines der schönsten spätgotischen Bauwerke in Bayern gilt. Schon der Vorbau mit seinen zierlichen Säulen und dem Engel Gabriel mit Maria führt uns hinein in einen von eleganter Schlichtheit geprägten Raum. Da wird der Blick auf den schmalen Chor mit dem Marienschrein hingelenkt, der von sechs Heiligengestalten umgeben wird, die wie Wächter auf schlanken Konsolen stehen. Darüber wölbt sich ein feingliedriges Netzrippengewölbe, das den Raum dem Geist der Gotik entsprechend überhöht.

Das Hexenmuseum im Folterturm

Im vierten Burghof interessieren wir uns für das Hexenmuseum, das im Folterturm an der östlichen Mauer zur Altstadt hin eingerichtet ist. Im anschließenden Hexenturm wurden die der Hexerei oder anderer Delikte Verdächtigten gefangen gehalten. 1751 wartete in einer Gefängniszelle in diesem Turm die letzte Frau auf ihre Hinrichtung als Hexe. Im Übrigen wurden in Burghausen mehr Männer und Kinder der Hexerei beschuldigt und hingerichtet. Im Hexenmuseum beginnen wir unseren Besuch ganz unten mit der Besichtigung des Lochgefängnisses. In dem Verlies ist in der Decke ein Loch freigehalten. Darüber befand sich die Fragstatt, in der die Delinquenten verhört und gefoltert wurden. Der Gefangene konnte so mit anhören, was bei seiner Folter auf ihn zukam.

Im Foltermuseum ist eine Reihe von Folterwerkzeugen ausgestellt, die zur Erzwingung eines Geständnisses herangezogen wurden. Neben der Streckbank, auf der die Glieder auseinander gezogen wurden, steht der mit Stacheln besetzte, spanische Stuhl. Die Daumenschraube und der Zug, an dem der Delinquent an den Armen aufgehängt und an einer Winde in die Höhe gezogen wurde, lassen einem mit Schaudern an diese dunklen Zeiten denken.

Damit haben wir den dritten Burghof erreicht. Der wuchtige Bau des Zeughauses rechts vor 1427 aus Tuffsteinquadern erbaut, hatte für die Burg eine zentrale Bedeutung. Im Obergeschoß wurde der für die Versorgung der Burgbesatzung notwendige Vorrat an Lebensmitteln eingelagert. Im Erdgeschoß standen die Kanonen, mit denen die Steinkugeln verschossen werden konnten, die noch häufig im Gelände der Burg zu sehen sind. Neben den Brunnen waren Kanonen und Getreide für die Verteidigung der Burg unerlässlich. Im Mittelalter war das »Aushungern« einer Burg eine beliebte Waffe. Auf der Stadtseite sind die in die Mauer integrierten Pfefferbüchsen Wehr- und Geschütztürme, die zeigen, dass im Mittelalter Baumeister neben dem Zweckdienlichen auch das Ästhetische berücksichtigt haben.

Den zweiten Burghof schließt das Georgstor ab, das mit Namen und Allianzwappen an Herzog Georg und seine Gemahlin, Hedwig von Polen erinnert. Der Herzog ließ den Torbau 1494 errichten, als er wegen der drohenden Türkengefahr die Mauern der Burg verstärken ließ. Hinter dem Tor führt eine Holzbrücke über einen Graben, dem ein Schutzwehr folgt. Eine auf der Burg gültige Verordnung bestimmte, dass jedem unbefugten Eindringling die Ohren abzuschneiden waren.

Der innere Burghof, das Zentrum der Burg

Durch den Torbau und den Torzwinger als Schutz vor Angreifern gelangen wir in den inneren Burghof, dem ältesten Teil der Burg, um den Palas, Dürnitz und Kemenaten angeordnet sind. Über dem Torbau erhebt sich der als Wächter mittelalterlicher Burgen übliche Bergfried. Eine steile Schneckentreppe führt zur Wächterstube im siebten Stock, die einen umfassenden Ausblick auf das umgebende Gelände bot und mit Schießscharten versehen war. Zwischen Dürnitz und Palas befindet sich die 1255 erbaute St. Elisabeth-Kapelle mit einem kostbaren Altarschrein.

Der innere Burghof vermittelt wegen der steil aufragenden Burgmauern in seiner schluchtartigen Enge ein Gefühl schützender Geborgenheit. An der Südseite erinnert über den Kanonenkugeln eine Gedenktafel an die Wittelsbacher Herzöge, die auf der Burg wohnten. Vom Burghof aus erreichen wir das Besucherzentrum, das in der ehemaligen Dürnitz eingerichtet ist. Die Dürnitz war in der mittelalterlichen Burg der Aufenthaltsraum für die Ritter und ihr Gefolge und meist der einzige beheizbare Raum. Das Wort ist abgeleitet von »dürr, trocken, warm und beheizbar«. Das auf wuchtigen Pfeilern ruhende Gewölbe ist im Erdgeschoß besonders massiv gestaltet. Die Spannweite der Gurtbögen ist beachtlich.

Die herzogliche Wohnstätte

Nun machen wir uns auf den Weg, um in den drei Stockwerken einen Eindruck von der herzoglichen Wohnstätte zu erhalten. Im ersten Stock führt ein Gang mit Hellebarden an der Wand zum Hofmeisterzimmer mit einer Schatztruhe, die an den Reichtum der Landshuter Herzöge erinnert. In der Schatzkammer des Herzogs gegenüber finden wir ein herrschaftliches Bett, in dessen Oberkante ein Fach zur Aufbewahrung von Habseligkeiten eingezogen ist. Das Wort, dass man »sein Geld auf die hohe Kante legt« hat hier seinen Ursprung.

In der großen Stube des Herzogs bewundern wir zwei farbenprächtige Gobelins sowie im Mittelalter übliche Faltstühle. In der zweiten und dritten Etage gehen wir durch leere Räume mit spätgotischen Tafelbildern an den Wänden; es sind Leihgaben der bayerischen Staatsgemäldesammlung. In der dritten Etage beeindrucken monumentale Historienbilder aus dem 17. Jahrhundert. Von der 3. Etage aus erreichen wir über eine Treppe die Aussichtsplattform, die eine Rundsicht auf den Wöhrsee und die Stadt Burghausen bietet. Von hier aus ist auch die Mauer zu überblicken, die die Hauptburg mit der am Eggenberg gelegenen Vorburg verbindet.

Falls der Herzog heute seine Burg besuchen würde, würde er sich in den Räumen noch zurechtfinden; er würde aber die Einrichtung und viele ihm lieb und wert erscheinende Dinge vermissen. So bleibt es dem Besucher überlassen, sich selbst ein Bild vom Leben auf der Burg zu machen und sich den Alltag der hohen Herrschaften und ihrer Bediensteten vorzustellen. Ein wenig mag es dabei hilfreich sein, die Aufzeichnungen von Autoren aus dem Mittelalter zur Hand zu nehmen. Da die Landshuter Hochzeit von 1475 schon seinerzeit ein bedeutsames Ereignis war und die auf der Burg lebende, polnische Königstochter als Gemahlin Herzogs Georg das Interesse der Zeitgenossen erregte, sind ausführliche Berichte über das Leben Hedwigs in Burghausen überliefert.

Der Alltag der Herzogin Hedwig auf der Burg

Zwar war die Burg Trausnitz in Landshut traditionell der Regierungssitz der Herzöge und Burghausen der Familiensitz. In Landshut wurden die Regierungsgeschäfte erledigt, Staatsgäste und Delegationen empfangen. In Burghausen wurden in familiärer Atmosphäre Feste gefeiert. Dort lebte die Familie in einer ihr entsprechenden Umgebung.

Herzog Georg wohnte in den ersten vier Ehejahren bis 1479 bei seiner Gemahlin auf der Burg in Burghausen. Schon vom Beginn ihres Aufenthaltes in Burghausen wurde für die Herzogin eine Art Versorgungsdienst von Landshut her eingerichtet. Außergewöhnliche Köstlichkeiten wie Weinbeeren, Mandeln, Feigen und Pfirsiche wurden nach Burghausen gebracht. Die Herzogin verfügte über eine ansehnliche Schar von Bediensteten, die zeitweise über 100 Personen zählte.

Die Burgherrin konnte sich auch Sonderwünsche erfüllen. Eine Menagerie von exotischen Tieren gab es auf der Burg. Auf der Wiese wurde eine Kuh gehalten, um die Kinder mit Frischmilch zu versorgen. Lachsforellen, Rebhühner und Wildschwein standen auf der Speisekarte. Hedwig liebte es, Gäste zum festlichen Mahl zu laden. Neben den Gastmahlen erfreuten sich Tanzveranstaltungen größter Beliebtheit.

Der eingemauerte Koch als Burggeist

Freilich gab es über das Leben der Herzogin in Burghausen nicht nur positive Berichte. So erzählt eine Sage, Hedwig habe sich in Burghausen einsam gefühlt und sich in den jungen Koch der Burg verliebt. Ein Bediensteter habe dem Herzog in Landshut die heimliche Liebschaft seiner Gemahlin verraten, weil er sich einen Lohn versprochen habe. Der Herzog sei nachts nach Burghausen geritten und habe den Koch mit seiner Gemahlin in einer Kammer überrascht. Dort habe er den Koch auf der Stelle lebendig einmauern lassen. Seitdem gehe der Koch in gewissen Nächten auf der Burg als Geist um. Bei einer Führung zeigt der Burgführer den Gästen das Gefängnis des Kochs und berichtet über dessen nachts vernehmbares Stöhnen. Was wäre eine Burg schon ohne ihren Burggeist? Hedwig verbrachte ihre Tage auf der Burg, bis sie 1534 starb und in der Klosterkirche von Raithenhaslach begraben wurde.

Ein Gelehrter und ein gefangener Herzog als historische Burgbewohner

Neben der Wittelsbacher Herzogin Hedwig sind noch zwei historisch bedeutsame Namen mit der Burg verbunden. Johann Thurmair, genannt Aventinus, war ein berühmter Gelehrter und Geschichtsschreiber, dem der Münchner Herzog Wilhelm die Erziehung seiner noch minderjährigen Brüder anvertraut hat. Um 1509 hat er auf der Burg gelebt. An ihn erinnert eine Gedenktafel am Aventinus-Haus im vierten Burghof.

Ludwig VII. Herzog von Bayern-Ingolstadt verbrachte die letzten Tage seines Lebens auf der Burg. Er war wegen einer Erbstreitigkeit mit seinem Sohn verfeindet. Der Sohn gewann die Herzöge von München und Landshut als Verbündete und zettelte mit deren Hilfe einen Krieg gegen seinen Vater an. Dieser wurde vom Landshuter Herzog gefangen genommen und nach Burghausen verbracht, wo er 1447 verstarb. Schon zwei Jahre vorher war der Sohn des Ingolstädters ohne Erben verstorben. Der Landshuter Herzog fackelte nicht lange und annektierte das ledig gewordene Herzogtum Ingolstadt. Damit strich er auch den Schatz der Ingolstädter ein, der ihm den Ruf eines reichen Herzogs einbrachte.

Mit dieser Erinnerung an historische Gestalten, die mit der Geschichte der Burg eng verbunden sind, sollte der Besucher nicht nur durch eine Burg mit fünf Vorhöfen und viele leere Räume gehen. Burghausen hat eine Geschichte, die noch heute in ihren Auswirkungen lebendig geblieben ist. So ist ein Spaziergang durch die Burg zu Burghausen nicht nur eine Gelegenheit, die baulich längste und bedeutendste Burg in Deutschland zu besuchen; auch die Geschichte und Geschichten um die Historie der Burg sind des Nachdenkens wert.


Dieter Dörfler

Benutzte Literatur: Amtlicher Burgführer, Alfons Beckenbauer »Aus dem polnischen Familienalbum der Braut« 1985.



5/2011