Der »romantische Kuss« unterm Mistelzweig
Magisches Immergrün zwischen Himmel und Erde – Misteln in der christlichen Legende
Was ist das für eine seltsame, geheimnisvolle Pflanze, die nur auf Bäumen wächst und keine Erde braucht, die auch dann weitergrünt, wenn die Natur längst schon ihren Jahreslauf beendet hat, deren Äste und Blätter sich immer wieder regelmässig bis in die alleräußersten Spitzen gabelförmig verzweigen?
Kein Wunder, dass viele Völker die Mistel für zauber- und heilkräftig hielten und sie mit Sagen und Legenden umgaben, wie zum Beispiel die Kelten, von denen der römische Schriftsteller Plinius unter anderem berichtet:
»... Nichts haben ihre Priester Heiligeres als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, ganz besonders wenn es eine Eiche ist. An sich schon suchen sie Eichenhaine auf und verrichten dort ihre kultischen Handlungen. Alles, was auf Eichen wächst, betrachten sie als Himmelsgabe und als ein Zeichen dafür, dass dieser Baum von ihren Göttern selbst
auserwählt sei...«
Die Eichenmistel ist es also, die im Aberglauben mancher Gegenden und auch in der Heilkunde vergangener Jahrhunderte eine so große Rolle spielte. Merkwürdig allerdings ist die Sache deswegen, weil die Mistel gerade bei uns auf Eichen fast kaum vorkommt, häufiger – aber immer noch sehr selten – in der Normandie, die ja zur Zeit des Plinius von keltischen Stämmen bewohnt war. Zum andern stammt die früher (wie heute) arzneilich verwendete Mistel allermeist nicht von einer Eiche.
»Hexenbesen« gegen Unheil
Die immergrüne Mistel steckt voll magischen Aberglaubens. In Tirol sollten daraus bereitete »Hexenbesen« gegen Unheil schützen. Im Schwäbischen band man Mistelzweige zur Weihnachtszeit an die Bäume, um ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen. Im Holsteinischen nannte man die Mistel »Gespensterrute« und trug Teile davon als Amulett.
Aus Mistelholz bestand hier und da der Rosenkranz, und Mistelkügelchen, in Silber gefasst, sollen noch heute als Ringe zur Abwehr alles Bösen getragen werden. Wuchs die Mistel auf einem Haselnussstrauch, so war sicher darunter ganz bestimmt ein Schatz vergraben, so wenigstens glaubten es viele unserer Vorfahren.
Die Sitte, sich unter dem Mistelzweig zu küssen, stammt aus den angelsächsischen und keltischen Ländern und wird dort seit vielen hundert Jahren ausgeübt, obwohl wir heute nicht mehr genau wissen, wieso und weshalb. Wahrscheinlich ist diese nette Geste ein Überbleibsel aus sehr alten skansinavischen Vorweihnachtsriten.
Der Mistelzweig galt damals als so geheiligt, dass sogar die schlimmsten Feinde, wenn sie sich im Wald in der Nähe dieser Pflanze antrafen, die Waffen niederlegten und die Austragung ihres Streites auf den nächsten Tag verschoben. Andere wieder behaupten, und das klingt etwas romantischer, der Kuss unter dem Mistelzweig habe zu einem fürheren Hochzeitsbrauch gehört.
Immerhin existiert auch in Skandinavien eine Sage, nach welcher Baldur, der nordische Apoll und Liebling der Götter, vom Pfeil eines Bogens aus Mistelholz tödlich getroffen wurde. Er wurde aber dem Leben wieder zurückgeschenkt und seine Mutter Frigga, die Göttin der Liebe und der Schönheit, – dankbar für die Wiederbelebung ihres Sohnes, – gestand jedem, der hinfort unter dem Mistelzweig durchschritt, die Freiheit eines Kusses zu.
Holz für das Kreuz des Erlösers
Als das Fest der Wintersonnenwende zum Geburtstag Christi wurde, nahm man vielerlei heidnische Bräuche mit hinüber, auch Reste des Mistelkultes. In England wurden Mistelzweige in den Kirchen aufgehängt. Noch lange feierte man dort Weihnachten unter Mistelzweigen.
In Frankreich beglückwünscht man sich in manchen Gegenden zum neuen Jahr, indem man einen Mistelzweig in den Händen trägt. Kinder laufen damit von Haus zu Haus und rufen ein glückliches neues Jahr aus.
In der christlichen Legende wurde die Mistel zu einer der vielen Pflanzen, die als Holz für das Kreuz des Erlösers erwähnt werden. Die mittelalterlichen Mönche Süddeutschlands sahen in der Mistel, bei der Blätter und Früchte jeweils zu dritt zusammenstehen, ein Symbol der Dreifaltigkeit Gottes.
Misteln werden durch Vögel fortgepflanzt. Diese lieben die glasigen Beeren, und wenn sie diese abpicken, bleibt an ihren Schnäbeln der klebrige Saft mit den Samenkörnern hängen. Um ihn loszuwerden, reiben sie die Schnäbel an den Ästen, so dass Saft und Samen daran haften bleiben.
Nur ein Teil der Samenkörner schlägt schließlich aus – in der Erde keimt der Samen nicht, nur auf Bäumen, so die Wurzel durch die Rinde dringt -, zum Glück, sonst würde das Wuchern dieser Schmarotzerpflanze, die als Wirtsbäume Linden, Birken, Pappeln und Eschen bevorzugt, bald zur Landplage.
GD
50/2003
Kein Wunder, dass viele Völker die Mistel für zauber- und heilkräftig hielten und sie mit Sagen und Legenden umgaben, wie zum Beispiel die Kelten, von denen der römische Schriftsteller Plinius unter anderem berichtet:
»... Nichts haben ihre Priester Heiligeres als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, ganz besonders wenn es eine Eiche ist. An sich schon suchen sie Eichenhaine auf und verrichten dort ihre kultischen Handlungen. Alles, was auf Eichen wächst, betrachten sie als Himmelsgabe und als ein Zeichen dafür, dass dieser Baum von ihren Göttern selbst
auserwählt sei...«
Die Eichenmistel ist es also, die im Aberglauben mancher Gegenden und auch in der Heilkunde vergangener Jahrhunderte eine so große Rolle spielte. Merkwürdig allerdings ist die Sache deswegen, weil die Mistel gerade bei uns auf Eichen fast kaum vorkommt, häufiger – aber immer noch sehr selten – in der Normandie, die ja zur Zeit des Plinius von keltischen Stämmen bewohnt war. Zum andern stammt die früher (wie heute) arzneilich verwendete Mistel allermeist nicht von einer Eiche.
»Hexenbesen« gegen Unheil
Die immergrüne Mistel steckt voll magischen Aberglaubens. In Tirol sollten daraus bereitete »Hexenbesen« gegen Unheil schützen. Im Schwäbischen band man Mistelzweige zur Weihnachtszeit an die Bäume, um ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen. Im Holsteinischen nannte man die Mistel »Gespensterrute« und trug Teile davon als Amulett.
Aus Mistelholz bestand hier und da der Rosenkranz, und Mistelkügelchen, in Silber gefasst, sollen noch heute als Ringe zur Abwehr alles Bösen getragen werden. Wuchs die Mistel auf einem Haselnussstrauch, so war sicher darunter ganz bestimmt ein Schatz vergraben, so wenigstens glaubten es viele unserer Vorfahren.
Die Sitte, sich unter dem Mistelzweig zu küssen, stammt aus den angelsächsischen und keltischen Ländern und wird dort seit vielen hundert Jahren ausgeübt, obwohl wir heute nicht mehr genau wissen, wieso und weshalb. Wahrscheinlich ist diese nette Geste ein Überbleibsel aus sehr alten skansinavischen Vorweihnachtsriten.
Der Mistelzweig galt damals als so geheiligt, dass sogar die schlimmsten Feinde, wenn sie sich im Wald in der Nähe dieser Pflanze antrafen, die Waffen niederlegten und die Austragung ihres Streites auf den nächsten Tag verschoben. Andere wieder behaupten, und das klingt etwas romantischer, der Kuss unter dem Mistelzweig habe zu einem fürheren Hochzeitsbrauch gehört.
Immerhin existiert auch in Skandinavien eine Sage, nach welcher Baldur, der nordische Apoll und Liebling der Götter, vom Pfeil eines Bogens aus Mistelholz tödlich getroffen wurde. Er wurde aber dem Leben wieder zurückgeschenkt und seine Mutter Frigga, die Göttin der Liebe und der Schönheit, – dankbar für die Wiederbelebung ihres Sohnes, – gestand jedem, der hinfort unter dem Mistelzweig durchschritt, die Freiheit eines Kusses zu.
Holz für das Kreuz des Erlösers
Als das Fest der Wintersonnenwende zum Geburtstag Christi wurde, nahm man vielerlei heidnische Bräuche mit hinüber, auch Reste des Mistelkultes. In England wurden Mistelzweige in den Kirchen aufgehängt. Noch lange feierte man dort Weihnachten unter Mistelzweigen.
In Frankreich beglückwünscht man sich in manchen Gegenden zum neuen Jahr, indem man einen Mistelzweig in den Händen trägt. Kinder laufen damit von Haus zu Haus und rufen ein glückliches neues Jahr aus.
In der christlichen Legende wurde die Mistel zu einer der vielen Pflanzen, die als Holz für das Kreuz des Erlösers erwähnt werden. Die mittelalterlichen Mönche Süddeutschlands sahen in der Mistel, bei der Blätter und Früchte jeweils zu dritt zusammenstehen, ein Symbol der Dreifaltigkeit Gottes.
Misteln werden durch Vögel fortgepflanzt. Diese lieben die glasigen Beeren, und wenn sie diese abpicken, bleibt an ihren Schnäbeln der klebrige Saft mit den Samenkörnern hängen. Um ihn loszuwerden, reiben sie die Schnäbel an den Ästen, so dass Saft und Samen daran haften bleiben.
Nur ein Teil der Samenkörner schlägt schließlich aus – in der Erde keimt der Samen nicht, nur auf Bäumen, so die Wurzel durch die Rinde dringt -, zum Glück, sonst würde das Wuchern dieser Schmarotzerpflanze, die als Wirtsbäume Linden, Birken, Pappeln und Eschen bevorzugt, bald zur Landplage.
GD
50/2003