Der Meister des großen Andachtsbildes
Münchens Alte Pinakothek ehrt den unterschätzten Perugino
Der Lehrer überlebte den Schüler. Raffael starb 1520, Perugino drei Jahre später. Während dieser, von der Pest dahingerafft, auf freiem Feld bestattet wurde, ging Raffael ins Pantheon ein. Unterschätzt wurde der Meister aus Perugia, der in Florenz, zusammen mit Leonardo da Vinci, groß wurde, also bereits zu Lebzeiten.
Seine enorme Bedeutung als einer der geschicktesten, kühnsten und auch wirtschaftlich (mit einer bedeutenden Florentiner Werkstatt, die für ihn arbeitete) erfolgreichsten Maler seiner Generation und Epoche, der Renaissance, feiert die Alte Pinakothek mit einer Ausstellung, die freilich nur ein Viertel des Gesamtwerks zeigt – was aber durchaus genügt, um Perugino in alle Himmel zu heben. Die Alte Pinakothek setzt mit der Perugino-Schau in zwei nicht sehr großen Sälen einen glanzvollen Schlussakkord unter ihre klangvolle Reihe der Spezialausstellungen anlässlich ihres 175. Bestehens.
Kunstfreund Ludwig I., der am 7. April 1826, Raffaels Geburtstag, den Grundstein für den Klenze-Bau an der Barer Straße legte, ist es zu danken, dass hier eines der hochkarätigen Altarbilder des Perugino, »Die Vision des Heiligen Bernhard« (1489/90, Öl auf Pappelholz, 173 mal 171 Zentimeter), seit langem schon in der Alten Pinakothek hängt – München also quasi schon immer ein Perugino-Wallfahrtsort war. Dieses dominierende Bild, das im Zentrum des links vom Eingang liegenden, stark abgedunkelten Saals (gleich rechts: ein Original der Vasari-Viti mit Peruginos Bildnis) hängt, kennzeichnet den Beginn des reifen Schaffens des stets im Schatten Raffaels gestandenen Meisters.
»… durch ein bis dahin in der italienischen Malerei nahezu unerreichtes Zusammenspiel von Figur, Architektur und Landschaft« besticht das Bild mit Bernhards Marien-Vision. »Beispielhaft führt es vor Augen, wie sensibel und innovativ der Maler die Tradition der florentinischen und mittelitalienischen Malerei des 15. Jahrhunderts fortentwickelte.« So der Kurator der Schau, Andreas Schumacher. Mit einem ausgewiesenen Expertenteam gab er den genussreich durchzublätternden und mit Gewinn zu studierenden Katalog heraus. Er ist mit den Begleitbüchern zu den vier Vorgänger- Jubiläums-Ausstellungen besonders ausgestattet; sein Tintenblau-Schnitt passt zu Perugino sehr gut. Bei Perugino, dessen große Frömmigkeit außer Zweifel steht, wimmelt es nur so vor religiösen Motiven. Madonnen – mit dem Jesuskind und teils weiblichen, teils männlichen Heiligen als Beistellfiguren; der leidende, gekreuzigte, zu Grabe gelegte und auferstandene Christus; heilige Frauen und Männer, mal in Gruppen, mal einzeln (wie der kleinformatige büßende Hieronymus)… Sie alle werden in zart angedeutete Landschaften gestellt, die ihnen einen Hauch des Irdischen geben. Herausragend die eigenwilligen Darstellungen des Heiligen Sebastian. Das Brustbild aus der St. Petersburger Eremitage ist dabei, ein ganz besonderes Andachtsbild des mit Pfeilen getöteten Märtyrers: ein Pfeil rammt sich tief in die Hauptschlagader, und wer genau hinschaut, kann lesen, dass und mit welchem goldenen Namen sich der Künstler darauf verewigte.
Daneben verschwinden – zahlenmäßig – die Perugino-Porträts. Zu sehen sind ungeschönt gemalte, junge Männer, markant und individualistisch, mit Gesichtszügen, aus denen ihr Charakter spricht. Der 36-jährige Francesco delle Opere (gemalt 1494) brachte es mit seinem Bildnis aufs Ausstellungsplakat. »Timite Deum« ist auf dem Papierstück zu lesen, das aus einer, in seiner rechten Hand gehaltenen, Schriftrolle ragt. Andreas Schumachers Forschungen zufolge bezieht es sich auf einen beliebten Mahnspruch des Bußpredigers Savonarola. Dieses nun wohl auch nördlich der Alpen bekannt werdende Francesco- Porträt darf nicht – was im 19. Jahrhundert der Fall war – für ein Selbstbildnis Peruginos gehalten werden, auch wenn die Alte Pinakothek mit der Plakatmotiv-Wahl dazu beitragen mag.
Wie stark sich das 19. Jahrhundert wieder dem (vom Kunst-Mogul Giorgio Vasari aus Arezzo geschmähten und lange Zeit unbeachtet gebliebenen) Umbrier zuwandte, ist an einigen Bildern aus der Perugino-Nachfolge ablesbar – bis hin zu einer Zeichnung von Edgar Degas.
Die Sonderschau »Perugino – Raffaels Meister« dauert bis zum 15. Januar. Sie ist täglich, außer Montag, von 10 bis 18 (Donnerstag bis 20) Uhr geöffnet. Der Katalog kostet 29,90 Euro.
Dr. Hans Gärtner
47/2011
Seine enorme Bedeutung als einer der geschicktesten, kühnsten und auch wirtschaftlich (mit einer bedeutenden Florentiner Werkstatt, die für ihn arbeitete) erfolgreichsten Maler seiner Generation und Epoche, der Renaissance, feiert die Alte Pinakothek mit einer Ausstellung, die freilich nur ein Viertel des Gesamtwerks zeigt – was aber durchaus genügt, um Perugino in alle Himmel zu heben. Die Alte Pinakothek setzt mit der Perugino-Schau in zwei nicht sehr großen Sälen einen glanzvollen Schlussakkord unter ihre klangvolle Reihe der Spezialausstellungen anlässlich ihres 175. Bestehens.
Kunstfreund Ludwig I., der am 7. April 1826, Raffaels Geburtstag, den Grundstein für den Klenze-Bau an der Barer Straße legte, ist es zu danken, dass hier eines der hochkarätigen Altarbilder des Perugino, »Die Vision des Heiligen Bernhard« (1489/90, Öl auf Pappelholz, 173 mal 171 Zentimeter), seit langem schon in der Alten Pinakothek hängt – München also quasi schon immer ein Perugino-Wallfahrtsort war. Dieses dominierende Bild, das im Zentrum des links vom Eingang liegenden, stark abgedunkelten Saals (gleich rechts: ein Original der Vasari-Viti mit Peruginos Bildnis) hängt, kennzeichnet den Beginn des reifen Schaffens des stets im Schatten Raffaels gestandenen Meisters.
»… durch ein bis dahin in der italienischen Malerei nahezu unerreichtes Zusammenspiel von Figur, Architektur und Landschaft« besticht das Bild mit Bernhards Marien-Vision. »Beispielhaft führt es vor Augen, wie sensibel und innovativ der Maler die Tradition der florentinischen und mittelitalienischen Malerei des 15. Jahrhunderts fortentwickelte.« So der Kurator der Schau, Andreas Schumacher. Mit einem ausgewiesenen Expertenteam gab er den genussreich durchzublätternden und mit Gewinn zu studierenden Katalog heraus. Er ist mit den Begleitbüchern zu den vier Vorgänger- Jubiläums-Ausstellungen besonders ausgestattet; sein Tintenblau-Schnitt passt zu Perugino sehr gut. Bei Perugino, dessen große Frömmigkeit außer Zweifel steht, wimmelt es nur so vor religiösen Motiven. Madonnen – mit dem Jesuskind und teils weiblichen, teils männlichen Heiligen als Beistellfiguren; der leidende, gekreuzigte, zu Grabe gelegte und auferstandene Christus; heilige Frauen und Männer, mal in Gruppen, mal einzeln (wie der kleinformatige büßende Hieronymus)… Sie alle werden in zart angedeutete Landschaften gestellt, die ihnen einen Hauch des Irdischen geben. Herausragend die eigenwilligen Darstellungen des Heiligen Sebastian. Das Brustbild aus der St. Petersburger Eremitage ist dabei, ein ganz besonderes Andachtsbild des mit Pfeilen getöteten Märtyrers: ein Pfeil rammt sich tief in die Hauptschlagader, und wer genau hinschaut, kann lesen, dass und mit welchem goldenen Namen sich der Künstler darauf verewigte.
Daneben verschwinden – zahlenmäßig – die Perugino-Porträts. Zu sehen sind ungeschönt gemalte, junge Männer, markant und individualistisch, mit Gesichtszügen, aus denen ihr Charakter spricht. Der 36-jährige Francesco delle Opere (gemalt 1494) brachte es mit seinem Bildnis aufs Ausstellungsplakat. »Timite Deum« ist auf dem Papierstück zu lesen, das aus einer, in seiner rechten Hand gehaltenen, Schriftrolle ragt. Andreas Schumachers Forschungen zufolge bezieht es sich auf einen beliebten Mahnspruch des Bußpredigers Savonarola. Dieses nun wohl auch nördlich der Alpen bekannt werdende Francesco- Porträt darf nicht – was im 19. Jahrhundert der Fall war – für ein Selbstbildnis Peruginos gehalten werden, auch wenn die Alte Pinakothek mit der Plakatmotiv-Wahl dazu beitragen mag.
Wie stark sich das 19. Jahrhundert wieder dem (vom Kunst-Mogul Giorgio Vasari aus Arezzo geschmähten und lange Zeit unbeachtet gebliebenen) Umbrier zuwandte, ist an einigen Bildern aus der Perugino-Nachfolge ablesbar – bis hin zu einer Zeichnung von Edgar Degas.
Die Sonderschau »Perugino – Raffaels Meister« dauert bis zum 15. Januar. Sie ist täglich, außer Montag, von 10 bis 18 (Donnerstag bis 20) Uhr geöffnet. Der Katalog kostet 29,90 Euro.
Dr. Hans Gärtner
47/2011