Jahrgang 2014 Nummer 23

Der »Eherne Wehrschild« der Stadt Traunstein

Das Benageln von Kriegswahrzeichen – ein heute nahezu unbekanntes Massenphänomen / Teil II

Benagelungs-Festakt am 10. Oktober 1915 im Pavillon an der Bahnhofstraße am Ende der Gartenmauer des Pfarrhofs. Bürgermeister Dr. Georg Vonficht spricht zu den zahlreichen Gästen.
Der »Eherne Wehrschild« der Stadt Traunstein vor seiner Benagelung.
Der »Eherne Wehrschild« der Stadt Traunstein nach seiner Benagelung.
Diese »Erinnerungsgabe«, gestaltet von dem Traunsteiner Kunstmaler Hans Kaufmann (auch eine motivgleiche Postkarte war im Handel), wurde jedem Paket mit »Liebesgaben « aus der Heimat an die Front beigelegt mit der Bitte, den Empfang zu bestätigen.
Max Eckstein diente dem Vaterland als Matrose und bedankte sich am 15. Dezember 1915 mit einem Gedicht und einer Zeichnung für das Weihnachtspaket, das aus dem Erlös der Traunsteiner Nagelung an ihn gegangen war.
Gedicht über »Traunsteins Wappenschild« von Max Fürst.

Sechs Wochen später war »das Traunsteiner 'Eiserne Wahrzeichen' […] bis auf die Benagelung fertiggestellt. Sich über den Zeitpunkt des Nagelungsbeginns, die Verwendung der vereinnahmten Beträge und manch anderes zu besprechen, wird für morgen 8 Uhr […] im Nebenzimmer des Hofbräuhauses allgemein eingeladen.«(20) Gut zwei weitere Wochen danach war es soweit: »Im frischen Herbstwinde flatterten heute morgens die Fahnen, mit welchen die Anwohner der Bahnhofstraße ihre Häuser geschmückt; in vornehmsten, stilvollsten Aufputz prangte der Pavillon, in welchem es eine schlichte, würdige Feier zu begehen galt: den festlichen Beginn der Nagelung von Traunsteins 'Eisernem Wahrzeichen'. Der durch die vielen Kriegsberichte, amtlichen Mitteilungen usw. beschränkte Raum in den Zeitungen gebietet eine möglichst kurze Fassung des Berichtes. Einzelheiten des Festes, die tunlichst wortgetreue Wiedergabe der Festrede, eine eingehende Würdigung der Verdienste all jener Männer, die sich um Schild und Feier besonders bemüht, bleiben einem später erscheinendem Gedenkblatt vorbehalten.«(21)

Dieses »Gedenkblatt zur Benagelung des 'Ehernen Wehrschildes' der Stadt Traunstein im Jahre 1915« soll im Folgenden in großen Teilen wörtlich, bei Bedarf mit Anmerkungen erläutert, wiedergegeben werden, ein Zeitbild, das dem heutigen Leser einen schönen Einblick in die bürgerliche Gesellschaft einer altbayerischen Kleinstadt am Ende der Monarchie verschafft.(22)

Opferfreudige Hingabe an die Kriegsfürsorge

»[…] Nachdem der zur Opferstätte umgewandelte Pavillon auf das wirkungsvollste mit Blumen und Tannenreis geschmückt, wurde am 10. Oktober Vormittag 11 Uhr in Gegenwart der Mitglieder der städtischen Kollegien, der Spitzen der Behörden, der Abordnungen aller fahnentragenden und vieler anderer Vereine, einer großen Anzahl verwundeter Krieger, der Mannschaften des hiesigen Wachkommandos und der Schuljugend der eindrucksvolle Festakt durch einen Choral der Stadtkapelle eingeleitet, worauf Fräulein Eugenie Neu das von dem Traunsteiner Ehrenbürger, Herrn Historienmaler und Schriftsteller Max Fürst verfasste sinnvolle Festgedicht 'Traunsteins Wappenschild' vollendet zum Vortrag brachte. Diesem folgte eine markige Ansprache unseres Herrn rechtskundigen Bürgermeisters Dr. Vonficht, die vor allem die eindringliche Aufforderung zur opferfreudigen Hingabe an die Kriegsfürsorge enthielt. Gleichzeitig mit dem Absingen des Liedes 'Deutschland, Deutschland über alles' nahm die Benagelung ihren Anfang, zuerst der Bürgermeister namens des Magistrates, diesem folgend der Vorstand des Gemeindekollegiums Herr Buchdruckereibesitzer Leopoldseder als Vertreter des Kollegiums, daran anschließend die Spitzen der Behörden und Vorstände nachfolgender Vereine und Vereinigungen, deren Namen durch ein Metallschild am Wahrzeichen verewigt wurden: [Es folgt die Aufzählung von insgesamt 73 Vereinen bzw. Vereinigungen, beginnend mit den Offizieren des Gefangenenlagers(23) und endend mit dem Zuchtverband Traunstein.]

In den darauffolgenden Tagen hatten sich die Schüler der hiesigen Mittelschulen – Realschule und Progymnasium –, die Zöglinge des Institutes St. Maria Sparz sowie sämtliche Klassen der Berufsfortbildungs- und Volksschule mit ihren Schulvorständen, Professoren, Lehrerinnen und Lehrern zur Nagelung eingefunden. Zu einer besonders würdevollen Feier gestaltete sich die Benagelung des Wehrschildes durch die Schüler der Königlichen Realschule am Nachmittag des 13. Oktober. Unter Trommelschlag marschierten über 200 Schüler vor dem Wehrschilde auf, aus jugendlichen Kehlen erscholl begeistert ein vaterländisch Lied, worauf Herr Rektor Studienrat Metschnabl eine kernige Ansprache hielt, in der er auf die Bedeutung der Feier hinwies und ein Bild von dem hehren Ernste und der erhabenen Größe unserer Zeit zeichnete. Der vierstimmige Chorgesang »Deutschland, Deutschland über alles« leitete zur Schildbenagelung über. Bis zum 24. Oktober war der Wehrschild täglich von vormittags 9 Uhr bis nachmittags 4 Uhr ununterbrochen im Standorte aufgestellt, während welcher Zeit die später genannten Damen und Herren die Opfergaben entgegen nahmen und die Eintragungen ins Goldene Buch veranlassten. An den vier darauffolgenden Feiertagen, das ist am 31. Oktober, 1., 7. und 14. November sowie am folgenden Marktmontag, an welchem Tage der Schild zum letzten Male zur Benagelung aufgestellt war, war die Beteiligung noch stets außergewöhnlich rege. Am 21. Oktober hatte der Ausschuss die hohe Ehre, seine Exzellenz Herrn Kammerpräsidenten Dr. von Orterer an der Benagelungsstätte begrüßen zu dürfen. Vom 24. Oktober ab befand sich der Schild während der Wochentage im Geschäfte des Herrn Ausschussvorsitzenden Kaufmann Haider(24), wo ebenfalls Spenden für den Wehrschild in Empfang genommen wurden.

War das Erträgnis der Benagelung bis einschließlich Samstag den 6. November der städtischen Kriegerangehörigenfürsorge zugedacht, so sollten die vom Sonntag, dem 7. November an eingehenden Spenden – es wurden von diesem Tage an auch Tabake, Zigarren und jederlei andere, zum Versand ins Feld geeigneten Waren entgegengenommen(25) – zum Zwecke der Beschaffung von Liebesgaben für Traunsteiner Kriegsteilnehmer verwendet werden. Ein patriotisch geschmücktes Christbäumchen prangte in diesen Tagen vor dem Pavillon und verwies sinnvoll auf die Bestimmung der nun noch einlaufenden Gaben. Und auch diese Anregung fand bei der Traunsteiner Einwohnerschaft abermals so gute Aufnahme, dass es möglich wurde, 350 Pakete, welche die herzlichsten Weihnachtsgrüße und Neujahreswünsche aus der Vaterstadt begleiteten, ins Feld zu senden.(26) In einer am 16. Dezember in der Maximiliansbrauerei stattgefundenen Schlussversammlung konnte der Vorsitzende das endgültige finanzielle Ergebnis der Benagelung bekannt geben, wonach der Gesamterlös 9346,54 Mark(27) beträgt. Der Vorstand nahm hiebei auch Anlass, den Stiftern von Schild, Buch und Hammer, den mit der Durchführung betrauten Ausschussmitgliedern sowie all den Damen und Herren, welche tagsüber ehrenamtlich wirkten, den gebührenden Dank abzustatten. Die kostenlose Anfertigung des Schildes ist den Herren Josef Forstmeier, Zimmermeister, Hans Rappel, Bäckermeister (Ausschneidearbeiten) und insbesondere Herrn Mathias Aicher, Möbelfabrikant, und Herrn Josef Sutor, Malermeister, zu verdanken. Den Entwurf übernahm Herr Kunstmaler Hans Kaufmann(28), von dem auch obenstehende, prächtig gelungene offizielle Postkarte stammt.« [Es folgt die vollständige und ausführliche Nennung aller weiteren Helfer und Unterstützer.] 7065 eingeschlagene Nägel

»An dieser Stelle seien auch die Preise der Nägel wie folgt festgelegt: Eisernes Kreuz (Silberrand) = 10 Mark; Eisernes Kreuz (Inneres schwarzes Feld) = 5 Mark; Jahreszahl 1914/15 (Silber) = 3 Mark; Goldene Umrahmung des Wappenhügels = 2 Mark; Lilien des Stadtwappens (Gold) = 1 Mark; Hügel des Stadtwappens (Grün) = 0,50 Mark; Hintergrund (obere Hälfe) = 0,20 Mark; Hintergrund (untere Hälfte), von Kindern zu benageln = 0,10 Mark; Schilder (zur Anbringung am Rande) mit Namensinschrift für Behörden und Vereine zum Mindestpreise von 20 Mark.(29)

Nicht ohne Interesse dürfte die Feststellung sein, dass die Gesamtzahl der eingeschlagenen Nägel 7065 beträgt. Die äußere Umrahmung des Wahrzeichens bilden 73 Messingschildchen mit den Namen der auf Seite 1 und 2 verzeichneten Behörden, Vereine und Vereinigungen; das im Hügelfeld angebrachte Widmungsschild trägt die Inschrift: 'Das Erträgnis dieses Eisernen Wahrzeichens widmet die Einwohnerschaft der Stadt Traunstein ihren Kriegsteilnehmern und deren Angehörigen 1915'. Von der auf Seite zwei widergegebenen offiziellen Postkarte wurden 2600 Stück innerhalb weniger Tage vertrieben, außerdem gelangten photographische Postkarten mit Aufnahmen des Festaktes sowie einer Abbildung des neuen und benagelten Schildes aus dem Atelier des Herrn Hofphotographen A. Grainer zum Verkaufe, welche sich großer Begehrtheit erfreuten.(30)

Das Eherne Wahrzeichen, welches vorläufig im Rathaus seinen Aufbewahrungsort gefunden hat, ziert zur Zeit den Vorplatz des im 1. Stockwerk gelegenen Sitzungssaales in einfacher, dekorativer Aufmachung.(31) Später wird es wohl im städtischen Museum ein Plätzchen finden, wo dann auch der Hammer und das Goldene Buch aufbewahrt werden; desgleichen soll dort auch eine Sammlung von Abbildungen benagelter Wahrzeichen deutscher und österreichischer Städte, welche von einigen Herren des Ausschusses angelegt und jetzt schon über 200 Nummern umfaßt, zur Ausstellung gelangen.(32)

So hat ein Unternehmen einen überraschend guten Abschluss gefunden, das sich der großen allgemeinen freiwilligen Kriegsfürsorge Traunsteins würdig an die Seite stellen kann; bewundernswert ist der auch bei dieser Gelegenheit bekundete Opfersinn, an dem sich alle Kreise der Bevölkerung beteiligten. Angefangen von der erfreulichen Zuwendung eines hochherzigen Gönners durch Stiftung eines Nagels im Betrage von 2000 Mark(33) leisteten die kleinsten Leute ihre Beiträge, soweit es in ihren Kräften stand; ganz besonders rührend war es, wie manche Kinder ihre Spargroschen brachten, um auch ihrerseits ihr Scherflein beizutragen. Unsere heldenhaften Streiter werden es nie vergessen, wie sie auch durch Schaffung des Wahrzeichens für ihre Tapferkeit und treue Pflichterfüllung geehrt wurden. […]«

Und was bleibt?

Ja, was blieb am Ende von Traunsteins »Ehernem Wehrschild«? Sicher der bekundete Opfersinn, dessen Ergebnis den Kriegsbedürftigen Hilfe war und ihre materielle Not linderte. Das war auch dringend erforderlich. Denn schon bald nach Kriegsbeginn wurde offensichtlich, dass die vorhandenen Mittel zur Versorgung der Kriegsopfer – Witwen, Waisen und Versehrte – keinesfalls ausreichen würden. Eine planmäßige staatliche Vorsorge war hier nicht bzw. nur ungenügend getroffen worden.(34) Zahlreiche Spendenaufrufe in den örtlichen Tageszeitungen zeugen von dieser misslichen Situation.

Die Kehrseite der Medaille aber war der Versuch, den »Geist von 1914« noch einmal zu beleben.(35) Hier sollte man abschließend einen tieferen Blick auf das »sinnvolle Festgedicht« (siehe Abbildung) des Kunstmalers und Heimatforschers Max Fürst werfen. Traunsteins Ehrenbürger gilt bis heute als einer der Begründer der Stadtgeschichtsschreibung, als Lichtgestalt, die bleibende Erkenntnisse hinterlassen, hat. Nimmt man sein Standardwerk »Traunstein im 19. Jahrhundert« oder sein für den Heimatfreund nach wie vor unverzichtbares »Biographisches Lexikon für das Gebiet zwischen Inn und Salzach« und befreit beide von den – sowohl dem damals üblichen Sprachgebrauch als auch »den Kinderschuhen der Heimatforschung« geschuldeten – Unebenheiten, so trifft dies sicher zu. Und wer sich von seiner malerischen Ausdruckskraft überzeugen möchte, der muss nur St. Oswald oder die Kirchen in Bergen und Grabenstätt besuchen und die dort von ihm geschaffenen Fresken ruhig und aufmerksam betrachten.(36)

Mit seinem Gedicht »Traunsteins Wappenschild« aber spannt sich Fürst (oder hat sich spannen lassen) vor den Karren der Propaganda und opfert auf ihrem Altar ohne Zögern historische Wahrheiten. Denn, ob »Hellebart, ob Lilien«, es ist einfach nur falsch, »gleiches Recht den Beiden [zu] leihen«. Die Darstellung des Traunsteiner Stadtwappens besteht seit jeher aus einem grünen Dreiberg, daraus wachsend zwei nach außen gebogene, goldene Lilien, das Ganze vor schwarzem Hintergrund. Daran lässt die seriöse Heraldik keinen Zweifel, auch wenn der Militarismus des I. Weltkriegs und erst recht die Meinungsführer der NSZeit dies gerne anders gesehen hätten und auch offensiv so vertreten haben.(37) Liest man dann die zweite Strophe, wo der »Wert der Waffe« gelobt wird, die »viel Feinde hält in Schranken – Die haßerfüllt, in eitlem, stolzen Wähnen – Schon sah’n das Deutsche Reich zu Grabe wanken«, muss einfach die Frage erlaubt sein: War es nicht Deutschland, das zunächst Russland, dann Frankreich den Krieg erklärt und anschließend den Kriegseintritts England sehenden Auges provoziert hatte? Fürst hingegen vermittelt den Eindruck, eine Horde von Barbaren wäre grundlos über Deutschland hergefallen. Und schlussendlich, dass sich an Deutschlands Fahnen Sieg und Ehre knüpften, der Plan der Gegner hingegen nicht zum Gelingen kam, konnte man allenfalls der staatlich manipulierten Presseberichterstattung entnehmen. Die Realität sah anders aus.

Max Fürst ist, das steht außer Zweifel, im ersten Teil seines Gedichtes der Agitation verfallen und damit selbst ein Teil von ihr geworden. Ihm dies vorzuwerfen, ist angesichts der Umstände verfehlt und auch nicht Ziel dieser Betrachtung. Stattdessen soll der Blick auf den zweiten Teil seiner Verse gerichtet werden. Dort stellt er die Wohltätigkeit der Aktion in den Vordergrund, die »zu lindern rings viel sorgenschweres Leid« sich zur Aufgabe gemacht hatte, und hebt die Liebe, wenn auch nur die deutsche, am Ende hervor. Und dass der anerkannte Maler und Schriftsteller sich am Ende seines erfüllten Lebens der Realität und der Grausamkeit des Krieges nicht verschlossen hat, beweist er ein Jahr später, als der Kriegsverlauf sämtlicher Euphorie längst ein Ende bereitet hatte. Am Anfang der Sonderbeilage »Weihnachten 1916 – Den Traunsteiner und Chiemgauer Kriegsteilnehmern gewidmet vom Traunsteiner Wochenblatt«(38) richtet er folgende Zeilen »An unsere Lieben an fernen Fronten«:

Noch sind umflort der Christnacht Sterne
Noch herrscht der Sorgenlast Getriebe;
All’ unser Sinnen zielt zur Ferne,
Dorthin eilt uns’re wärmste Liebe!
Mit innigem Dank ist sie geeint,
Für all’ die Opfer, die Ihr bringet;
Mit Euch sind wir im Geist vereint,
Wenn heisses Fleh’n zur Krippe dringet:
»Gib, holdes Kind auf Beth’lehems Auen,
Dass Friede bald der Menschheit werde,
Dass wir beglückt die wieder schauen,
Die treu beschirmt der Heimat Erde!

Passend dazu schließt Josef Angerer seinen unmittelbar diesem Gedicht folgenden Bericht über »Mancherlei aus der Heimat« mit dem Satz: »Möchte das Jahr 1917 unsere langgehegten Friedenswünsche erfüllen!« Ein gutes Jahr war seit der Nagelung vergangen, und der Ton hatte sich komplett geändert. Keine Verehrung der Helden im Feld mehr, keine hasserfüllten Feinde, keine militärischen Erfolge, nur noch: Die sehnsuchtsvolle Hoffnung auf baldigen Frieden und eine gesunde Rückkehr der eigenen Leute. Die Brutalität des Krieges hatte Wirkung gezeigt, man hatte gelernt, leider viel zu spät und zu einem unmenschlich hohen Preis. Und es sollte noch fast zwei weitere Jahre dauernd, bis auch die Mächtigen, die Leid, Elend und millionenfachen Tod zu verantworten hatten, sich dieser Erkenntnis nicht mehr verschließen konnten und dem Völkermord ein Ende setzten.


Franz Haselbeck


Anmerkungen:
20) Oberbayerische Landeszeitung u. Traunsteiner Wochenblatt v. 23. September 1915.
21) Oberbayerische Landeszeitung u. Traunsteiner Wochenblatt v. 12. Oktober 1915.
22) Hanns Pauer, Gedenkblatt zur Benagelung des »Ehernen Wehrschildes« der Stadt Traunstein im Jahre 1915. Johann Baptist Pauer (1882-1942), Apotheker, Besitzer der Pauerschen Apotheke am Maxplatz; das genaue Erscheinungsdatum des »Gedenkblattes« ist nicht bekannt.
23) Franz Haselbeck, Das Gefangenenlager Traunstein-Au, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein 1995, S. 241-290.
24) Magistratsrat Josef Haider (1866-1951), Schneidermeister und Kaufmann, war bei der Versammlung am 23. September zum Vorsitzenden des Nagelungsausschusses bestellt worden.
25) Gespendet wurden dabei materielle »Liebesgaben« im Wert von 150,90 Mark.
26) Das »Verzeichnis der an die Krieger [zwischen Dezember 1915 und Februar 1916; Anm. d. Verf.] an deren Feldadresse abgesandten Weihnachtspakete« führt nur 340 Namen auf, wobei von einem Zählbzw. Schreibfehler des Autors auszugehen ist. Diese Pakete waren mit Sicherheit willkommen und wurden den Initiatoren auch von den Angehörigen der bedachten Soldaten hoch angerechnet – mit einer Ausnahme, die eine am 23. November 1915 geschriebene Postkarte einer (dem Autor auch namentlich bekannten) Soldatenfrau belegt: »Geehrte Frau Haider. Ich möchte ihnen kurz mitteihlen, das mein Mann sich keine [doppelt unterstrichen!] Liebesgaben nicht verdint, denn er lebt schon 2 Jahre mit einem verheirateten Weibe und schickt alle Liebesgaben, die er bekommt, diesem Weibsbild heim, […] aber der ist nichts wert, er hat mich und die armen Kinder unbarmherzig verlaßen und hat sich an dieses Weib hingehengt; dieses Weib richtet ihn zu allen erdenklichen Schlechtigkeiten ab. Aber unser lieber Herrgott wird noch abrechnen. Lassen Sie dafür mir und den armen Kindern ein wenig was zukommen für den Winter, […].« Tatsächlich fehlt der so angeschwärzte Soldat in der Liste der mit Weihnachtpaketen bedachten Personen.
27) Die am 15. April 1916 abgeschlossene »Abrechnung der Schild-Benagelung« bestätigt exakt diesen Betrag. Einschließlich der Bankzinsen von 7,50 Mark ergaben sich somit Einnahmen in Höhe von 9.354,04 Mark. Die Ausgaben beliefen sich auf 1.499,54 Mark; den weitaus größten Posten nahmen dabei die »Liebesgaben, an die Traunsteiner Soldaten gesandt«, im Wert von 869,39 Mark ein. Der städtischen Kriegerfamilienfürsorge verblieben somit 7854,50 Mark.
28) Hans Kaufmann, Kunstmaler, geboren am 21. Dezember 1862 in Hohenschwangau, verstorben am 12. August 1949 in Traunstein, hier ansässig seit 1913. Kaufmann hinterließ ein reichhaltiges Werk und gilt bis heute in bürgerlichen Kreisen vor allem als »der Maler des Georgiritts«. Interessant wäre es, abseits der üblichen kunsthistorischen Betrachtungen auch seine Einstellung und seine Rolle während des 1. Weltkriegs und im Verlauf der NS-Zeit zu erforschen; immerhin gestaltete Kaufmann auch die Urkunden, mit denen man Adolf Hitler und Paul von Hindenburg am 27. März 1933 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Traunstein verlieh (im Original nicht mehr vorhanden, Fotografien in: StA TS, Büttner- Chronik, S. 139-139). Siehe auch: Franz Haselbeck, »Mit Rücksicht auf das ersprießliche Wirken.« Die Ehrenbürger der Stadt Traunstein (Jahrbuch des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein 2008, S. 40-56).
29) Mit einem auf den 4. Oktober 1915 datierten, von Bürgermeister Vonficht unterzeichneten »Circular« (Rundschreiben) wurden die Leiter der Behörden gebeten, bis spätestens 6. Oktober ihre Beteiligung (persönlich und finanziell) bei Magistratsrat Haider anzuzeigen: »[…] Die Herren Vorstände der hiesigen Behör-den werden höflichst eingeladen, zu diesem Akte zu erscheinen und sich namens der Herrn Beamten ihrer Behörde an der offiziellen Nagelung zu beteiligen. Der vorbereitende Ausschuss hat für diesen Teil der Nagelung vorgesehen, dass im Anschluss an die Einschlagung der Embleme des eisernen Kreuzes als Stiftung der beiden städtische Kollegien der Herren Vorstände der hiesigen Behörden je eine Platte (Mindestpreis 20 Mark) stiften und sich an die Behörden die Vereine in gleicher Weise anschließen. […]« Wenig überraschend ist die durchweg positive Resonanz der Behördenleiter – mit einer Ausnahme: »Obgleich ich mit der angesonnenen Art der offiziellen Teilnahme des Amtes […] nicht einverstanden bin, melde ich doch, um das Amt nicht in ein schiefes Licht zu bringen, den Betrag von 20 Mark für Stiftung einer Platte seitens der Beamten des Königlichen Landbauamtes Traunstein an. Der Betrag trägt der derzeitigen geringen Personalbesetzung des Amtes Rechnung.« Was den Leiter des Landbauamtes zu diesem harschen Schreiben an Haider vom 6. Oktober bewogen hatte, bleibt unklar. Da aber auch die überlieferten schriftlichen Reaktionen der anderen Behörden eher nüchtern formuliert sind, drängt sich die Vermutung auf, dass sich die Staatsbeamten von der städtischen Vorgehensweise doch ein wenig »überfahren« gefühlt haben könnten.
30) Der Verkauf dieser Postkarten erbrachte 189,09 Mark, die in die Gesamteinnahmen der Nagelung mit einflossen.
31) Ursprünglich war angedacht, den Wappenschild auf Dauer in St. Oswald zu präsentieren, jedoch: »Die Unterbringung des zugunsten der Kriegsfürsorge genagelten eisernen Schildes in der Pfarrkirche scheint dem Charakter des Gotteshauses mehr ferne stehend und wird der Konsequenzen wegen abgelehnt.« (Beschluss der Kirchenverwaltung, zur Kenntnis gebracht mit Schreiben von Pfarrer Dannegger an Magistratsrat Haider vom 4. Dezember 1915.)
32) Das »eherne Wahrzeichen« blieb bis zur Sanierung des Rathauses 1994-98 an seinem »vorläufigen Aufbewahrungsort«. Mit Beginn der Bauarbeiten übergab der Verfassers dieses Artikels den Schild dem Stadtmuseum (Herrn Dr. Eminger), wo er aktuell im Depot sein Dasein fristet. Ebenfalls im Bestand des Museums finden sich das Goldene Buch sowie ein Musterbrett mit Nägeln, beschriftet mit den jeweils vorgegebenen Orten des Einschlagens im Schild und den entsprechenden Preisen; der Verbleib des Hammers ist unklar. Zur genannten »Sammlung von Abbildungen benagelter Wahrzeichen deutscher und österreichischer Städte« siehe Anm. 12. Was mit den fehlenden Karten (aktuell vorhanden sind 155 samt 14 Dubletten = 169 Stück; genannt werden über 200) geschah, ist nicht bekannt.
33) Bei dem »hochherzigen Gönner« handelte
es sich um Dr. Emil Ehrensberger (1858-1940), Mitglied des Direktoriums der Krupp-Werke in Essen 1899-1917, der Traunstein als seinen Altersruhesitz ausgewählt hatte und hier 1912-15 nach Plänen von Georg Metzendorf die später nach ihm benannte, heute denkmalgeschützte Jugendstilvilla mit der markanten Sternwarte erbauen ließ (Haus St. Rupert, Rupprechtstraße 6). Aufgrund seiner »während seiner Niederlassung in Traunstein seit dem 3. Dezember 1915 bewiesene(n) gemeinnützige(n) und hochherzige(n) Gesinnung durch Zuwendung namhafter Wohltätigkeitsspenden, namentlich zur Linderung der Not während der vergangenen harten Kriegszeit« wurde ihm mit Beschluss vom 28. Februar 1919 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Traunstein verliehen. Unter anderem stiftete er 1913 ein Reisestipendium zur Besichtigung des Deutschen Museums für ausgewählte Schüler der Mittelschulen und der Meisterschule für Bauhandwerker (StA TS, DOK 13 in Verbindung mit A 023/1-1).
34) Schneider, a.a.O., S. 11-20 (»Sinn und Zweck des Nagelns«).
35) Schneider, a.a.O., S. 21.
36) Der Historische Verein für den Chiemgau zu Traunstein e.V. hat Max Fürst (1846-1917), der auch dem seit 2002 vergebenen Ehrenpreis des Vereins für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der regionalen Heimatforschung seinen Namen leiht, in seinem 125. Jubiläumsjahr zwei Ausstellungen gewidmet: Ab dem 18. April wird im Kunstraum Klosterkirche (bis zum 11. Mai) der Maler, zugleich im Heimathaus (bis zum 9. Juni) der Heimatforscher und Schriftsteller näher beleuchtet.
37) Georg Seufert, Das Wappen der Stadt Traunstein, masch. Manuskript, Traunstein 1944 (StA TS, DOK 120). Seufert war Bürgermeister von Traunstein 1936-45. Seine aus Fehlern, Vorurteilen und falschen Schlüssen bestehende Abhandlung beendete er wie folgt: »Es wäre an der Zeit, auch den Streit um den Rest – Lilien oder Waffen – endgültig zu begraben. Warum die muffige Erklärung über die Lilien noch weiter in die Zu-kunft fortpflanzen, nachdem ihre Verfechter mit den Hügeln [die Seufert als Tore interpretiert; Anm. d. Verf.] unterlegen sind?«
38) StA TS, Sammlungen, beigebunden der Serie »Heimatbilder aus dem Chiemgau« 1913-1915.


Teil I in den Chiemgau-Blättern 22/2014

 

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